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aus bma 3/10

von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
www.janschweers.de

Ein Unfall belastet das Nervenkostüm eines jeden Motorradfahrers. Es müssen innerhalb von kürzester Zeit sämtliche Schadenspositionen, wie Geldersatz für das zerstörte Motorrad, die beschädigte Schutzbekleidung, der Nutzungsausfall und das Schmerzensgeld bei der gegnerischen Versicherung durchgesetzt werden. Warum das ganze schnell gehen muss, muss ich euch nicht erklären. Die Motorradsaison ist sehr kurz und jeder Tag zählt. Folglich muss bei der Abwicklung mächtig Gas gegeben werden.

Es gilt die Ansprüche unverzüglich bei der gegnerischen Versicherung geltend zu machen und darauf hinzuweisen, dass ein Ersatzmotorrad erst nach Ausgleich des Schadensbetrages erworben werden kann. Wenn das Geld dann da ist, muss natürlich so schnell wie möglich ein Ersatz für das verunglückte Motorrad her. Es geht folglich auf die Suche und wer sich schon öfter auf dem Motorradmarkt bewegt hat weiß, dass ein Ersatzmotorrad nicht einfach zu bekommen ist. Da muss bei Euren Händlern aber auch auf dem Privatmarkt geschaut und begutachtet werden. Doch was ist, wenn Ihr es Euch selber nicht zutraut das neue Bike technisch zu begutachten und Ihr einen Kauf erst nach der Begutachtung durch einen Sachverständigen vornehmen wollt? Dann stellt sich die Frage, wer für die Kosten der Begutachtung aufkommt.

Eine gute und berechtigte Frage, denn ein sogenannter Vertrauenscheck bei einem Sachverständigen kostet Geld.

Mit dieser Frage hatte sich das LG Gießen, Urteil vom 09.12.2009, Aktenzeichen 1 S 21/09 auseinanderzusetzen. Ein Sachverständiger hatte in seinem Gutachten zum Schaden festgestellt, dass Ersatz für das verunglückte Fahrzeug im Gebrauchthandel erworben werden kann. D.h., dass man das Ersatzfahrzeug bei einem Händler finden und erwerben kann. Der Geschädigte machte sich, nachdem die Versicherung des Schadensverursachers den Wiederbeschaffungswert ersetzt hatte, auf die Suche und wurde bei einem Privatverkäufer fündig. Der Geschädigte war jedoch technisch nicht versiert und beschloss das neue Gefährt durch einen Sachverständigen begutachten zu lassen, um nicht die Katze im Sack zu kaufen. Eine gute Sache, denn ein sogenannter Vertrauenscheck dient dazu, sich über den Zustand eines neuen Gefährtes zu vergewissern. Ist dann alles O.K., geht’s beruhigt an den Abschluss des Kaufvertrages. Ihr könnt dann besser schlafen und das Risiko, nach dem Kauf liegen zu bleiben, ist minimiert.

Der Geschädigte stellte die für den Vertrauenscheck entstandenen Kosten in Höhe von 75 Euro der Versicherung des Unfallverursachers in Rechnung. Die Versicherung verweigerte jedoch die Zahlung, so dass der Fall bis vor das Landgericht Gießen ging.

Das Landgericht Gießen lehnte den Zahlungsanspruch des Geschädigten ab. In seiner Begründung führte es an, dass im Schadensgutachten festgehalten wurde, dass das Fahrzeug üblicherweise im gewerblichen Handel erworben werde könne. Wenn das der Fall ist, kann man den Ersatz beim Händler erwerben und der Händler müsse die gesetzliche Sachmängelgewährleistung von mindestens 1 Jahr erbringen. D.h. tritt ein Mangel auf, der kein Verschleiß ist, dann muss der Händler den Mangel beseitigen. Dann benötigt man jedoch keinen Vertrauenscheck und kann sich auch die Kosten dafür sparen. Ein Urteil, dass meiner Ansicht nach rechtlich nur haltbar ist, wenn das Ersatzbike auch tatsächlich beim Händler erworben werden kann. Kann ein Geschädigter hingegen beweisen, dass auf dem Händlermarkt ein gleichwertiger Ersatz nicht vorhanden war, dann muss der gegnerische Versicherer auch die Kosten eines Vertrauenschecks übernehmen, wenn das verunglückte Motorrad technisch in einem einwandfreien Zustand war.

Ihr solltet Eure Suche schriftlich festhalten. Druckt Euch z.B. Angebote aus dem Internet aus oder sammelt (Klein-) Anzeigen um nachher den Beweis erbringen zu können, dass ein vergleichbares Ersatzbike nicht beim Händler zu erwerben war. Es kann dabei übrigens keiner von Euch erwarten, dass Ihr bis nach Bayern fahrt um ein Ersatzmotorrad zu erwerben. Entscheidend ist, was auf dem regionalen Markt an Ersatz angeboten wird. Die Grenze liegt dabei bei 100 bis 150 Kilometer Entfernung.

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