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aus Kradblatt 1/15 – Rechtstipp
von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
www.janschweers.de

Bei Fahrerlaubnis-Entzug die Verjährung von Punkten aufmerksam prüfen!

 

Wie euch sicherlich bekannt ist, gilt seit dem 1. Mai 2014 ein neues Punktesystem in Flensburg. Einigen kam es zugute, anderen leider nicht.
Das Punktesystem wurde neu strukturiert. Die Reform brachte zahlreiche Neuerungen. Gute, aber auch schlechte. So wird beispielsweise die Tilgungsfrist bei wiederholten Verstößen grundsätzlich nicht mehr verlängert. Jeder Verstoß verjährt einzeln. Die Tilgungsfrist erhöht sich jedoch bei Ordnungswidrigkeiten (schwere Verstöße) von 2 auf 2,5 Jahre und sogar auf 5 Jahre (besonders schwere Verstöße). Die Tilgungsfrist bei Straftaten beträgt zwischen 5 und 10 Jahren. Die härteste Neuerung dürfte jedoch die Entziehung der Fahrerlaubnis sein, die nicht erst bei 18, sondern schon bei 8 Punkten erfolgt.

Es kommen jedoch bereits die ersten Zweifel auf, ob die Gesetzesänderung tatsächlich so klar und transparent ist, wie sie vom Gesetzgeber formuliert wurde.

Die Übergangsregelung, die in § 65 Abs. 3 Nr. 1 StVG verankert ist, ordnet die Löschung von Eintragungen ab dem 01.05.2014 an, wenn diese nach dem neuen Recht nicht mehr zu speichern sind. Hierunter fallen eine fahrlässige Körperverletzung als Straftat mit ggf. verkehrsrechtlichem Bezug, das Fahren in der Umweltzone, Verstöße gegen das Sonn- und Feiertagsfahrverbot oder das fehlende Kennzeichen am Fahrzeug. Für dieses Verstöße gibt es keine Punkte mehr. Wird hingegen bei der Ahndung auch die Fahrerlaubnis entzogen, eine isolierte Sperre oder ein Fahrverbot ausgesprochen, bringt dies Punkte im Fahreignungsregister.

Eine interessante Entscheidung hierzu hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Beschluss vom 02.09.2014, Az.: 10 S 1302/14) gefällt.
Ein Verkehrsteilnehmer war nach einem Verkehrsunfall mit Körperverletzung in einem Strafverfahren verwarnt worden mit einem sogenannten Strafvorbehalt. D.h. wenn er nochmal eine Körperverletzung in einem bestimmten Zeitraum begeht, muss er eine Strafe zahlen. Er hat eine sogenannte Bewährungszeit. Passiert jedoch nichts, ist die Sache erledigt. Nach altem bis zum 30.04.2014 geltendem Recht gab es hierfür 5 Punkte. Nach dem neuen ab dem 01.05.2014 geltendem Recht gibt es hierfür keine Punkte mehr.

Die Führerscheinstelle wollte dem Betroffenen nach dem 01.05.2014 die Fahrerlaubnis abnehmen, da der Betroffene vor dem 01.05.2014 mehr als 18 Punkte angesammelt hatte.

Hiergegen wehrte er sich mit der Begründung, dass die 5 Punkte am 01.05.2014 nach neuem Recht zu löschen sind.
Im vorliegenden Fall hatte das Gericht Zweifel, ob eine Fahrerlaubnisentziehung, die wegen des Erreichens von 18 Punkten verfügt worden ist, nach der Neuregelung, rechtmäßig ist.

Das Verhältnis der Löschungsregelung des § 65 Abs. 3 Nr. 1 StVG in der ab dem 01.05.2014 geltenden Fassung zum sog. Tattagprinzip ist nämlich bislang ungeklärt. Das Tattagprinzip ist eine Neuregelung der Punktereform und besagt, dass spätere Tilgungen wegen Zeitablaufs, nicht mehr berücksichtigt werden, wenn nach dem altem Recht 18 Punkte bzw. nach dem neuen Recht 8 Punkte erreicht werden. Die Richter sind der Auffassung, dass es nicht nachvollziehbar ist, warum ein nicht mehr eintragungswürdiger Verkehrsverstoß zur Entziehung der Fahrerlaubnis führen sollte und damit für den Betroffenen folgenschwere Konsequenzen nach sich zieht. Sie halten die Übergangsregelung für unklar. Letztendlich gewann der Betroffene den Fall.

Die Entscheidung macht aber deutlich, dass noch „Nachbesserungsbedarf“ hinsichtlich der Übergangsregelung erforderlich ist. Der Gesetzgeber ist nun gefordert, die Neufassung des § 65 StVG so zu überarbeiten, dass bundesweit Klarheit herrscht und die Gerichte einheitlich für solche Übergangsfälle urteilen. Denn zur Zeit sind sich die Gerichte bezüglich der Übergangsregelungen uneinig.

Es kann sich folglich lohnen bei einer Entziehung der Fahrerlaubnis sämtliche Voreintragungen daraufhin zu überprüfen, ob nach neuem Recht Eintragungen zu löschen sind. Wenn das nämlich der Fall ist, kann man sich frühzeitig und erfolgreich gegen die Entziehung verteidigen.
Ihr müsst nur rechtzeitig dagegen vorgehen, damit die Entscheidung über die Entziehung nicht rechtskräftig wird.