aus bma 10/08

von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
www.janschweers.de

Es ist Oktober und endlich wieder Freimarktzeit. Jeder Bremer und auch das Bremer Umland wird sich freuen. Da wird die Nacht zum Tag und jeder Besucher genießt die fünfte Jahrszeit. Einzig die Völle des Spektakels wird immer dramatischer. Da wird nicht nur vor dem Klo gedrängelt was das Zeug hält und wer dazu keine Lust hat, fällt aus der Reihe. Das Stichwort des Oktober-bma: Drängeln. Wer das Ganze nicht mitmacht, dem wird gewaltig auf den Pelz gerückt. Ob man will oder nicht.
So auch in einem vom Bundesgerichtshof (Urteil vom 25.07.2005, Aktenzeichen 4 StR 109/05) entschiedenen Fall, der einen drängelnden Pkw-Fahrer wegen gefährlicher Körperverletzung, vorsätzlichem gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und vor allen Dingen versuchten Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten und dem Entzug der Fahrerlaubnis verurteilte. Dem Urteil ging folgender Unfall voraus.
Ein Pkw Fahrer, der besonders in Eile war, fuhr auf der linken Fahrspur der zweispurigen Bundesautobahn 656. Auf der rechten Fahrspur fuhr ein Chopperfahrer mit seinem Motorrad, der nach dem Betätigen des Blinkers auf die linke Fahrspur wechselte, um einen vor ihm fahrenden Pkw zu überholen.
Der angeklagte Pkw-Fahrer war hierüber verärgert und fuhr auf der linken Fahrspur dicht zu dem Motorrad auf. Der Pkw und das Motorrad hatten bei einer Geschwindigkeit von 110 km/h einen Abstand von nicht mehr als einen Meter.
Der Angeklagte beschleunigte dann seinen Pkw mit der Absicht, den Motorradfahrer ebenfalls zum Beschleunigen und falls er dies nicht tut zum Verlassen der linken Fahrspur zu zwingen.
Als der Motorradfahrer dann Anstalten machte auf die rechte Fahrspur zu wechseln, zog der angeklagte Pkw-Fahrer ebenfalls nach rechts, um das Motorrad rechts zu überholen. Der Pkw beschleunigte seinen Pkw und der Motorradfahrer brach seinen Fahrspurwechsel nach rechts ab.
Das war aber noch nicht alles. Auf der dreispurigen Bundesstraße A 38 trafen die Beiden dann wieder aufeinander, als der Motorradfahrer neben dem Pkw auf der mittleren Fahrspur fuhr. Der Motorradfahrer machte eine abwärts führende Handbewegung, die wohl bedeute „bleib ruhig” und der Pkw-Fahrer geriet in Wut. Der Pkw-Fahrer fuhr daraufhin auf die mittlere Fahrspur. Der Abstand zwischen Motorrad und Pkw betrug zwei Meter. Der Motorradfahrer zog dann auf die dritte, die linke Fahrspur und geriet dabei ins Schlingern.
Danach war es immer noch nicht genug, denn nach einer Ampelanlage fuhr der Pkw auf der linken Fahrspur und schloss zu dem mittlerweile auf der mittleren Fahrspur fahrenden Motorrad auf. Der Motorradfahrer war hierüber nicht erfreut und reduziert seine Geschwindigkeit, um den Pkw vorbeifahren zu lassen. Hierüber war der Pkw-Fahrer verärgert und entschloss sich nach rechts auf die Spur des Motorrades zu wechseln, um dieses wegzudrängeln oder aber den Motorradfahrer zu disziplinieren.
Der Pkw berührte das Motorrad, woraufhin es zu Sturz kam. Der Motorradfahrer rutsche 56 Meter über die Fahrbahn und zog sich erhebliche Verletzungen zu.
Der Pkw-Fahrer rechnete dabei damit, dass das Motorrad zu Fall kommen könnte und dass er durch den hierdurch verursachten Sturz möglicherweise tödlich verletzt werden würde.
Der Bundesgerichtshof kam in seinem Urteil zu dem Ergebnis, dass eine Kollision bei einer Geschwindigkeit von 75 km/h geeignet ist, den Tod eines Motorradfahrers herbeizuführen, was auch für den Pkw Fahrer vorauszusehen war. Der Pkw-Fahrer hat damit zumindest billigend den Tod des Motorradfahrers in Kauf genommen. Zu diesem Ergebnis kam der BGH, da beide Fahrzeuge eine hohe Geschwindigkeit hatten und der Motorradfahrer allein durch seine Schutzbekleidung nicht sonderlich geschützt war.
Drängeln auf dem Freimarkt ist zwar unerwünscht jedoch zulässig. Drängeln im Straßenverkehr ist aber strafbar und wer dazu noch einen Motorradfahrer rammt, gehört hinter verschlossene Türen – und das nicht zu knapp. Hoffentlich hat die Führerscheinbehörde kein Nachsehen und gibt dem Angeklagten bis zum Ende seiner Tage seinen Führerschein  nicht wieder. Ich habe Verständnis für jeden der im Straßenverkehr mal schimpft oder sich durch Hupen bemerkbar macht. Wer hingegen die gesundheitliche Unversehrtheit anderer Verkehrsteilnehmer aufs Spiel setzt, hat auf der Straße nichts mehr zu suchen.