Paragraphaus bma 11/07

von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
www.janschweers.de

Wenn Ihr die Überschrift dieses Rechtstipps lest, fragt Ihr Euch bestimmt, was ist das denn nun wieder Kompliziertes und was interessiert mich die Beweislast, das soll doch der Rechtsanwalt machen. Der Rechtsanwalt kann jedoch nichts beweisen. Er kann dem Gericht nur ein so genanntes Beweismittel vorlegen. Dieses Beweismittel muss ihm der Mandant jedoch mitteilen.
Zur Sache: Auf Grund der allgemeinen Geldknappheit werden Unfallschäden vermehrt selbst repariert. Das spart zwar Geld, birgt bei einem Motorrad jedoch auch erhebliche Gefahren für die Sicherheit des Gefährtes und des Fahrers. Außerdem kann es zu Problemen kommen, wenn es nach der Reparatur erneut zu einem Unfall kommt. In einem solchen Fall muss man nämlich den Beweis erbringen, dass das Motorrad nach dem ersten Unfall vollständig repariert wurde. Bei einer Werkstattreparatur ist das kein Problem. Da zückt man die Rechnung und jeder Versicherer kann sich von der ordnungsgemäßen Reparatur überzeugen. Doch was tun, wenn man selbst repariert hat und keine Rechnungen für die Teile mehr hat. Oder noch schlimmer, wenn man den Schaden gar nicht vollständig behoben hat.
Das Oberlandesgericht Hamburg (Urt. v. 28.03.2001- 14 U 87/00) hatte einen solchen Fall als letzte Instanz zu entscheiden. Ein gerichtlich bestellter Sachverständiger hatte bei einer Schadenbesichtigung erhebliche Zweifel daran, dass sämtliche Schäden durch einen Unfall verursacht wurden. Er hatte den Verdacht, dass Schäden durch einen so genannten Vorschaden verursacht wurden. Das OLG Hamburg forderte den Geschädigten auf, den Zustand der betroffenen Teile vor dem Unfall darzustellen und zu den erfolgten Reparaturen Angaben zu machen. Der Geschädigte konnte oder wollte keine Angaben machen und bekam seinen Schaden an den vorbeschädigten Teilen nicht ersetzt. Ob der Geschädigte keine Angaben machen wollte, weil er das Motorrad repariert vor dem Unfall erworben hatte oder weil keine ordnungsgemäße Reparatur vor dem Unfall stattfand, ergibt sich aus dem Urteil nicht. Das OLG Hamburg forderte vom Geschädigten die Darlegung des Vorschadens und dessen Reparatur, da sich der Ersatzanspruch lediglich auf Ersatz derjenigen Kosten erstreckt, die zur Wiederherstellung des vorbestehenden Zustandes erforderlich sind.
Stellt Euch nun mal folgenden Fall vor. Ihr kauft ein Motorrad und geht zunächst davon aus, das Motorrad hat zuvor keinen bedeutsamen Unfall gehabt. Entweder weil es sich um einen Bagatellunfall handelte oder weil der Verkäufer davon nichts gesagt hat oder aber weil der Verkäufer das Motorrad zuvor auch als „unfallfrei“ erworben hat. Nun habt Ihr einen unverschuldeten Unfall und wollt Euren Schaden von der gegnerischen Versicherung ersetzt haben. Die bekommt irgendwie heraus, dass das Motorrad einen Vorschaden hatte. Sie fordert Euch auf, den Beweis dafür zu erbringen, dass das Motorrad nach dem damaligen Unfall repariert wurde. Ihr steht mit völlig leeren Händen da und versteht die Welt nicht mehr. Der Verkäufer kann nichts dazu sagen, weil er nichts davon wusste. Oder Ihr erreicht den Vorverkäufer nicht mehr. Was jetzt?
Die Versicherung will ohne Nachweis der alten Reparatur berechtigterweise nicht zahlen. Eine kniffelige Aufgabe, da Ihr zunächst mit leeren Händen dasteht. Vielleicht ergibt sich noch etwas aus dem Garantieheft, eventuell ein Händlername, der eine vor Jahren erfolgte Reparatur bestätigen kann. Kommt Ihr so nicht weiter, muss ein Sachverständiger beurteilen, ob sämtliche Schäden am Motorrad durch den letzten Unfall verursacht wurden. Kommt er zu dem Ergebnis, dass diverse Teile gravierende Vorschäden hatten oder unzureichend repariert waren, dann muss genau ermittelt werden, was die Teile mit den Vorschäden vor dem Unfall wert waren. Diesen Betrag würde man dann ersetzt bekommen. Würde der Rahmen z.B. im ordnungsgemäßen Zustand 3.000 Euro kosten, bekäme man auch 3.000 Euro ersetzt. Wäre er hingegen nur noch 300 Euro wert, da er einen kleine Delle durch einen vorherigen Unfall hatte, würde man nur die 300 Euro ersetzt bekommen. Eine kniffelige Aufgabe, die ich aus Gerichtsverfahren kenne jedoch keinem zumuten möchte.
Mein Rat: wenn Ihr Euch für die nächste Saison eine „neue” Gebrauchte kauft, schaut sie Euch peinlichst genau an und registriert jedoch Schaden um im Streitfall solch komplizierte Rechenexempel und Gefahren zu minimieren.