Paragraphaus bma 8/07

von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
www.janschweers.de

Bis vor kurzem stand jedem von uns noch die Angst auf die Stirn geschrieben, wenn bei einer Verkehrskontrolle die Auspufftüte untersucht wurde. Auch wenn man ein reines Gewissen hatte und am Auspuff nichts verändert war, bestand immer das Risiko, dass unseren Ordnungshütern die Lautstärke der Tüten nicht gefiel und es Ärger gab.
Es drohte eine Geldbuße, Punkte in Flensburg und je nach Lautstärke des Auspuffes sogar eine vorübergehende Stilllegung und Beschlagnahmung des Bikes bis zur Behebung des Mangels. Wenn einem das Ganze fern von zu Hause passierte, musste man einen Rücktransport des Motorrades mit dem Anhänger organisieren. Dazu kamen dann auch noch eine Geldbuße von mindestens 50 Euro, 1 Punkt und eine Vorführung beim TÜV nach der Behebung des Mangels. Unser Bußgeldkatalog sah diese Bestrafung in Nr.175 vor. Letztendlich ein riesiger Aufwand, der in keinem Verhältnis zu dem Verstoß stand. Denn eine Beschlagnahmung eines zu lauten Motorrades ist wohl kaum geeignet, die Sicherheit des Straßenverkehrs zu gewährleisten. Die Beschlagnahme eines Fahrzeugs ist nur bei einem Bankraub, einer Entführung oder einer Straftat im Straßenverkehr geeignet.
Dieses in den meisten Fällen überflüssige Prozedere ist nun dank unser Europäischen Union, die die einzelnen Rechtssysteme in Europa vereinheitlichen will, endlich vorbei. In Deutschland heißt das neue Gesetz Fahrzeugzulassungsverordnung (FZV). Die FZV ersetzt teilweise die Straßenverkehrszulassungsverordnung (StVZO). Für den vorbenannten Fall ist dies besonders wichtig, da § 18 StVZO nun wegfällt. § 18 StVZO besagte für Motorräder den Wegfall der Betriebserlaubnis bei zu lauten Auspuffanlagen. Die Strafen sind dementsprechend im Bußgeldkatalog angepasst worden. Tatbestandsnummer 349100 heißt jetzt: Sie führten ein Kraftfahrzeug, dessen Schalldämpferanlage defekt war. Die Geldbußen liegen bei 20 Euro für einen defekten Schalldämpfer und 30 Euro bei einer zusätzlichen Belästigung. Es gibt keine Punkte mehr für defekte Auspufftüten und eine Stillegung bzw. Beschlagnahmung ist, da die Betriebserlaubnis nicht erlischt, unverhältnismäßig. Das Europarecht hat damit seine große Sympathie auch für Motorradfahrer unter Beweis gestellt und schafft engstirnige deutsche Regelungen ab, die keinerlei präventive Wirkungen haben. Das wichtigste ist, dass man trotz einer defekten Auspuffanlage immer noch eine Betriebserlaubnis hat und diese nicht verliert. Es kann von Euch nur verlangt werden, dass Ihr den Mangel behebt und das Motorrad anschließend vorführt.
Einzig und allein teuer wird auch zukünftig das vorsätzliche Ausräumen des Auspuffes oder das Benutzen eines Auspuffes ohne Eintragung, EG-Betriebserlaubnis oder ABE. Der Bußgeldkatalog sieht hierfür Strafen ab 25 Euro ohne Punkte vor. Ist dabei die Verkehrssicherheit wesentlich beeinträchtigt, dann werden daraus schnell 50 Euro und es gibt 3 Punkte dazu. Je nach Schwere des Verstoßes und der Schwere des Vorsatzes, kann die Strafe erhöht werden. Rechtsprechung ist bisher nur vereinzelt zu finden, so dass es noch eine ganze Zeit dauern wird, bis man die Höhen der einzelnen Strafen einschätzen kann. Auch ist derzeit noch nicht klar, ob zukünftig eine Stilllegung und Beschlagnahme für diese harten Fälle noch verhältnismäßig ist.

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Nachtrag vom 12.6.2013

Rennleitung 110 informiert:
Ohne dB-Killer erlischt Betriebserlaubnis!

Die Rennleitung 110 – das privat initiierte Präventionsprojekt sportlich-motorradfahrender Polizeibeamter – weist zur Sommer-Saison noch mal ausdrücklich auf die dB-Killer-Problematik hin:

Kaum ein Thema wird motorradbezogen so oft diskutiert, wie die Rechtsfolgen des „Fahrens ohne db-Killer”. In den letzten Jahren hat sich in diesem Bereich einiges etabliert und entsprechend verbreitet, was an Uneinheitlichkeit nicht im Sinne des Erfinders (des Gesetzgebers war). Wir versuchen es kurz zum besseren Verständnis darzustellen:
Manipulative Veränderungen an der Abgasanlage, sprich verändertes Emissionsverhalten („Lautstärke”) sind ein Bestandteil, der dazu führt, dass die Betriebserlaubnis (kurz „BE”) eines Fahrzeuges erlischt! Andere Beispiele wären Veränderungen an Motor, Fahrwerk, wesentlichen lichttechnischen Einrichtungen. Bis 2007 war das „Erlöschen der Betriebserlaubnis” eine klare Sache. Die Erinnerung mag täuschen, aber es dürfte sich schon immer im Bereich der 120 Mark (die gab es mal!) und 3 Punkte in Flensburg bewegt haben. 2007 kam es dann zu einer „Harmonisierung im EU-Recht” – so nennt man das, wenn man etwas ändert was eigentlich immer funktioniert hat, bis es nicht mehr funktioniert – und dabei kam es von der Umstellung der StVZO auf teilweise FZV zu einem Versäumnis, wobei das Erlöschen der BE aus dem Bußgeldkatalog verschwand.
Die Folge war eine Rechtslücke, die zum Ergebnis hatte, dass ein fehlender db-Eater lediglich eine „Unvorschriftsmäßige Ausrüstung” war = 25 Euro Verwarngeld! Nun geht der Bußgeldkatalog immer von Fahrlässigkeit aus. Oftmals lässt sich aber, gerade beim Entfernten db-Eater, -Killer oder sonstigem, der Vorsatz leicht begründen, der zu einer Verdoppelung des Bußgeldes führt. Damit war man dann wieder im Anzeigenbereich, bei 50 Euro und 1 Punkt.
Ganz findig waren die Behörden in Bayern, da wurde ein so genannter „atypischer Fall” angenommen und alleine darum schon das Bußgeld verdoppelt und bei Vorsatz dann nochmals verdoppelt. Somit kam man gerne auf 100 Euro und 3 Punkte in Flensburg.

In Rheinland-Pfalz gab es „Gefährdungsaspekte” in anderen Teilen der Republik argumentierte man mit „fehlender Zulassung”, da die BE Voraussetzung einer Zulassung ist. Letztlich untragbare Zustände. 
Db-Eater verschwanden reihenweise aus den Endtöpfen, denn es war ja plötzlich vermeindlich günstig. Kam man aber an den Falschen, ging es bis zur Untersagung der Weiterfahrt, Sicherstellung, Begutachtung – mit immensen Kosten. Alles aber nicht einheitlich.
Es hat nur knapp 6 Jahre gedauert, bis der Gesetzgeber hier Abhilfe geschaffen hat. 
Zum 1.6.2013 trat das Erlöschen der BE wieder in den bundeseinheitlichen Bußgeldkatalog und zwar im Höchstfall mit bis zu 135 Euro und 4 Punkten für den Fahrzeughalter bzw. 90 Euro und 3 Punkte beim Führen eines solchen Fahrzeuges. Alles, wie beschrieben, bei Fahrlässigkeit. Kommt der Vorsatz hinzu…
Erlöschen der BE ist in diesem Fall mit einer Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit oder der Umwelt verbunden. Verkehrssicherheit ist sicher eher ein Thema für Fahrwerk und Bremsen, Lenkung etc. aber das es beim Begriff „Umwelt” ganz direkt um Lärm geht, sollte eigentlich jedem klar sein.
Einige Rechtstheoretiker haben da bereits Bedenken und darum gibt es auch ein einfaches Erlöschen der BE, welches diese Qualifizierung nicht voraussetzt. Da ist man dann in jedem Fall bei 50 Euro und 1 Punkt – als Einstieg. Mit Vorsatz… siehe oben.
Nochmal deutlich: Erlöschen der BE ist gegeben, wenn der db-Eater entfernt ist. Dieses Bauteil ist Teil der BE, die das Zubehörteil im Idealfall hat. Ohne Eater, keine BE. Wie sich das Geräusch tatsächlich verändert ist dabei zweitrangig! I.d.R. wird es lauter werden. Wird es deutlich lauter, wird niemand ein Problem mit der Feststellung der Beeinträchtigung der Umwelt haben. Dann wird es teuer. Besonders dann, wenn der Kontrollbeamte die Sache beweiskräftig dokumentieren möchte. Da kommt man dann nämlich um ein Gutachten, wenigstens zur Fahrgeräuschmessung, nicht herum. Denn die ist dann einzig entscheidend, nicht überall durchführbar und darum mit einer Sicherstellung und weiteren Kosten verbunden.

Ihr seht also – die Möglichkeiten sind nach wie vor manigfaltig.
Die 25 Euro Verwarnung dürften aber fast immer der Vergangenheit angehören.

Je mehr das Thema „Motorradlärm” in die öffentliche Diskussion gerät, desto stärker werden auch die konsequente Ahndung und die Kontrollen. Es lohnt also wirklich nicht. Lasst den Killer drin – ungekürzt oder sonst wie manipuliert. Lasst eure Klappensteuerung wie sie sein soll und haltet euch mit hohen Drehzahlen zurück. Es ist letztlich im eigenen Interesse und Lautstärke macht euch nicht zu besseren Fahrern. Entgegen der teilweise herrschenden Meinung rettet es auch keine Leben.

Aktuelle Infos zur Rennleitung 110 gibt es online unter www.rennleitung-110.de und bei Facebook. Telefonisch ist die Rennleitung unter 01577-6206858 zu erreichen.