Paragraphaus bma 03/06

von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
www.janschweers.de

Endlich geht’s los! Alle brennen auf die erste Fahrt ohne die Gefahren plötzlichen Glatteises oder einer überraschenden Schneedecke nach einem Espresso beim Italiener. Bei den Gedanken an die erste Fahrt schießen einem zwangsläufig brenzlige Situationen vom Vorjahr durch den Kopf, die einem dieses Jahr nicht wieder passieren sollen. Bei mir war es eine Situation aus dem letzen Jahr, als ein PKW innerhalb der geschlossenen Ortschaft von rechts aus einer Seitenstraße über einen tiefer liegenden Bordstein rauspreschte und mir die Vorfahrt nahm. Ich konnte gerade noch ausweichen und so der Vermiesung des Saisonauftaktes entgehen.

Bei mir kam natürlich die Frage auf, ob ich etwas falsch gemacht hatte, nachdem der PKW-Fahrer anfing auf mich einzureden, dass er doch Vorfahrt hatte, da „rechts vor links” galt. Mir fiel gleich § 10 der Straßenverkehrsordnung ein. Hierin steht nämlich: „Wer aus einem Grundstück, aus einem Fußgängerbereich oder aus einem verkehrsberuhigten Bereich auf die Straße oder von anderen Straßenteilen oder über einen abgesenkten Bordstein hinweg auf die Fahrbahn einfahren oder vom Fahrbahnrand anfahren will, hat sich dabei so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.” Demnach sind Zufahrten, die über einen abgesenkten Bordstein auf die Straße führen, nicht vorfahrtsberechtigt. D.h. grundsätzlich muss man warten und darf niemanden beim Auffahren auf die Straße gefährden.
Da fragt sich natürlich jeder: „Was fällt alles unter den Begriff abgesenkter Bordstein?”

Der Begriff des abgesenkten Bordsteins entspricht dem der Bordsteinabsenkung und damit einem deutlich abgesenktem Bereich im Vergleich zum übrigen Bordsteinverlauf. Es kommt nicht auf die Breite und Beschilderung der Straße mit einem Straßennamen an. Wer dennoch über eine Bordsteinabsenkung fährt und einen Unfall verursacht hat, ist überwiegend selbst schuld.

Einen solchen Fall hatte das Landgericht Paderborn (Az.: 1 S 91/02) zu entscheiden. Ein PKW-Fahrer beabsichtigte geradeaus eine Vorfahrtsstraße zu überqueren und kollidierte dabei mit einem auf der Vorfahrtstraße befindlichen Fahrzeug. Die Vorfahrtstraße war durch eine abgerundete Kante, einen abgesenkten Bordstein, wie bei Grundstücksauffahrten üblich, getrennt. Die Versicherung des auf der Vorfahrtsstraße befindlichen PKW hatte vorschnell 50 Prozent des Schadens übernommen, woraufhin der Geradeausfahrer gierig wurde und auch noch die restlichen 50 Prozent des Schadens verlangte. Das Landgericht Paderborn machte ihm jedoch einen gewaltigen Strich durch die Rechnung und urteilte, dass er die eingeklagten 50 Prozent nicht erhalte und sprach ihm sogar die überwiegende Schuld am Unfall zu, d.h. wenn er nicht schon 50 Prozent von der gegnerischen Versicherung erhalten hätte, dann hätte er höchstwahrscheinlich gar nichts bekommen.
Ihr solltet euch jedoch auch in solchen Fällen nicht auf euer Recht verlassen und immer mit den Fehlern anderer rechnen. Schließlich haben wir als Motorradfahrer keine richtige Knautschzone und ziehen letztendlich immer den Kürzeren.