aus Kradblatt 9/23 von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
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Eigentümer trotz Diebstahl?

 

Als nicht juristisch vorgebildeter Mensch nimmt man gewiss an, dass man ein von einem anderen unterschlagenes Fahrzeug nicht rechtmäßig kaufen und dessen Eigentümer werden kann. Ein sehr aktuelles Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 14.06.2023 (Aktenzeichen: 4 O 486/22) zeigt aber, dass dies unter gewissen Umständen durchaus möglich ist.

Die ursprüngliche Eigentümerin, eine Autovermietung, hatte einen Pkw an einen Herrn vermietet, der das Fahrzeug allerdings – statt es ordnungsgemäß zurückzugeben – verkaufte. Das Mietwagenunternehmen ließ den Pkw durch die Polizei sicherstellen, der Käufer klagte auf Herausgabe des Fahrzeuges. Das Landgericht Neubrandenburg entschied zu Gunsten des Erwerbers.

Nach § 929 Bürgerliches Gesetzbuch wird Eigentum an einer Sache dadurch übertragen, dass der Eigentümer die Sache dem Erwerber übergibt und Einigkeit über den Übergang des Eigentums besteht. Gehört die Sache nicht dem Veräußerer, erwirbt der Erwerber gemäß § 932 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch Eigentum, wenn er zur Zeit des Erwerbs in gutem Glauben ist.

Das Gericht nahm im vorliegenden Fall einen solchen gutgläubigen Erwerb des Eigentums am Fahrzeug an. Zwar ist nach § 935 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch ein Erwerb des Eigentums ausgeschlossen, wenn die Sache dem Eigentümer gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen war. Ein Abhandenkommen in diesem Sinne liegt vor, wenn der Eigentümer den Besitz an einer Sache unfreiwillig verliert. Dies war im vorliegenden Fall zu verneinen, weil die Autovermietung den Besitz an dem Pkw dem späteren Unterschlagenden für die Nutzung im Mietzeitraum freiwillig überlassen hatte.

Das Landgericht Neubrandenburg erklärte darauf, dass der Käufer bei seinem Erwerb in gutem Glauben gewesen ist. Zu den Mindesterfordernissen für einen gutgläubigen Eigentumserwerb an einem gebrauchten Kraftfahrzeug gehört, dass der Erwerber sich den Kraftfahrzeugbrief d.h. die Zulassungsbescheinigung Teil II vorlegen lässt. Wird ein gefälschter Kraftfahrzeugbrief vorgelegt, trifft den Käufer keine weitere Nachforschungspflicht, wenn er die Fälschung nicht erkennen musste. Generell genügt die Übereinstimmung des Namens des Verkäufers mit den Eintragungen in den Fahrzeugpapieren. 

Im vorliegenden Fall hatte sich der Erwerber die Zulassungsbescheinigungen Teil I und Teil II vorlegen lassen. Der Käufer musste als Privatmann keine Zweifel an der Echtheit der Urkunden haben, da die Papiere so professionell gefälscht waren, dass selbst die Zulassungsstelle die Fälschung nicht bemerkt hatte. Auch aufgrund der Umstände des Verkaufs musste der Erwerber nicht misstrauisch werden. Der Verkauf über eBay-Kleinanzeigen, das Verkaufsgespräch am Straßenrand bei Inaugenscheinnahme des Pkw,  der niedrige Verkaufspreis und eine weitere Reduzierung des Preises bei den Verhandlungen waren nicht so ungewöhnlich, dass der Käufer an der Verkaufsberechtigung hätte zweifeln müssen. Der Erwerber erklärte unwiderlegbar, dass er den Kaufpreis noch „drücken“ konnte, weil es starken Rauchgeruch im Fahrzeug sowie Brandlöcher und Lackkratzer gegeben hatte. Der Käufer durfte daher davon ausgehen, dass sein Gegenüber – der vermeintlich berechtigte Verkäufer – seriös wäre. Das Fehlen des Serviceheftes und eines TÜV-Berichts wurde für die Frage der Gutgläubigkeit von nicht entscheidender Bedeutung gehalten.

Das Gericht kommt daher zu dem zunächst vielleicht erstaunlich erscheinenden, aber rechtlich vollauf vertretbaren und vollkommen nachvollziehbar begründeten Ergebnis, dass der unterschlagene Pkw von dem gutgläubigen Käufer als Eigentum erworben worden ist. Dennoch gilt: Augen auf beim Erwerb von Gebrauchtfahrzeugen am Straßenrand! Nicht in jedem Fall werden die Umstände für den Erwerber so günstig ausfallen, sodass Gerichte durchaus auch gegen einen möglicherweise etwas unvorsichtigen oder unaufmerksamen Kaufwilligen entscheiden könnten, der dann kein Eigentum etwa an einer Maschine erwirbt und sein schon gezahltes Geld dann umsonst ausgegeben hat.

Die geschädigte Autovermietung bzw. deren Versicherung muss nun hoffen, dass der Betrüger gefasst wird, um ihren Schadenersatz geltend machen zu können.