aus Kradblatt 9/21 von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
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Gegen den Datensammelwahn …

Ein Thema, das jeden Geschädigten eines Verkehrsunfalls angeht und trotzdem weitestgehend unbekannt ist, ist der Datenschutz, d.h. speziell die Löschung persönlicher Daten nach erfolgter Schadensregulierung. Den meisten dürfte nicht bekannt sein, dass ein Verunfallter nach Abschluss der Regulierung einen Anspruch darauf hat, dass seine bei von der gegnerischen Haftpflichtversicherung eingeschalteten Dienstleistern gespeicherten Daten gelöscht werden. Dies betrifft vor allem die Daten im sogenannten HIS, dem Hinweis- und Informationssystem der Versicherungswirtschaft. 

Das HIS ist eine Datenbank von Versicherungsunternehmen, in der Daten von Versicherungsnehmern, Geschädigten, weiteren Versicherten und Zeugen festgehalten werden. Dies soll der Aufdeckung von Versicherungsbetrug dienen. Eine Aufnahme der Daten in die Datenbank erfolgt insbesondere, wenn jemand mehrfach innerhalb eines Jahres seine Rechtsschutzversicherung in Anspruch nimmt oder wenn jemand Beteiligter oder auch Zeuge in einem Verkehrsunfall ist, bei dem der Verdacht besteht, der Unfall sei fingiert worden. Versicherungen können die Datenbank zur Auskunft über eingetragene Personen, die in einem sie betreffenden Versicherungsfall beteiligt sind, nutzen.

Nach Artikel 17 Absatz 1 Buchstabe a der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), dem Recht auf Löschung oder umgangssprachlich dem „Recht auf Vergessenwerden“, hat die betroffene Person das Recht, von dem Verantwortlichen zu verlangen, dass die personenbezogenen Daten unverzüglich gelöscht werden, wenn die Daten für die Zwecke, für die sie erhoben worden sind, nicht mehr notwendig sind. Der Verantwortliche hat eine Pflicht zur Löschung. Wenn nicht klar ist, ob und welche persönlichen Daten verarbeitet worden sind, hat der Betroffene gemäß Artikel 15 DSGVO ein Auskunftsrecht, das ebenfalls vor Gericht durchgesetzt werden kann.

Eine jüngere Entscheidung des Landgerichts Schweinfurt (Urteil vom 12.04.2021, Aktenzeichen: 23 O 899/20) liefert hierfür ein anschauliches Beispiel. 

Der Geschädigte hatte einen unverschuldeten Verkehrsunfall mit Sachschaden erlitten. Er ließ ein Sachverständigengutachten erstellen, das die voraussichtlichen Reparaturkosten kalkulierte. Die Haftpflichtversicherung der Gegenseite übersandte das Gutachten an eine Prüfungsfirma. Der Verunfallte holte über seinen Rechtsanwalt eine Auskunft über die weitergegebenen Daten ein, wonach diverse Daten an das Prüfunternehmen und an das Hinweis- und Informationssystem der Versicherungswirtschaft gemeldet worden waren. Der Geschädigte wollte nach nachgewiesener fachgerechter Reparatur seines Fahrzeugs (unter anderem) die Löschung seiner Daten durchsetzen. 

Das Landgericht Schweinfurt sprach dem Kläger einen Anspruch gegen die gegnerische Versicherung auf Veranlassung der Löschung seiner personenbezogen Daten bei der Prüffirma und im HIS zu. 

Das Löschen bei der Prüfungsfirma ist dann angezeigt, wenn das der Datenspeicherung zu Grunde liegende Prüfverfahren endgültig abgeschlossen ist. Denn dann besteht kein Anlass mehr für eine fortgesetzte Speicherung. 

Für die Speicherung im HIS bestand ursprünglich ein berechtigtes Interesse an den Daten zwecks Verhinderung zukünftiger Versicherungsbetrügereien. Nach erfolgter und durch Bestätigung nachgewiesener vollständiger und fachgerechter Reparatur entfiel jedoch das Interesse, eine doppelte Abrechnung des regulierten Schadens zu vermeiden, da eine erneute Anmeldung des Schadens ausgeschlossen ist. Die beklagte Versicherung hatte daher darauf hinzuwirken, dass die persönlichen Daten sowohl bei dem Prüfungsunternehmen als auch aus dem Hinweis- und Informationssystem der Versicherungswirtschaft gelöscht werden. Es bestand jedoch kein Anspruch auf Unterlassung der unrechtmäßigen Weitergabe von Daten an Dritte, weil die Haftpflichtversicherung zunächst durchaus berechtige Interessen an der Übermittlung hatte, sodass die Meldung der Daten nicht rechtswidrig gewesen ist. Zudem konnte eine etwaige Wiederholung nicht angenommen werden, da die Weiterleitung auf einer einmaligen Sondersituation – dem zufälligen Unfall und dem daraus resultierenden Zusammentreffen der Parteien – beruhte.