aus Kradblatt 9/19 von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
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Lässt sich so ein Führerscheinentzug umgehen?

Ein heikles Thema ist der Genuss von Betäubungsmitteln (wie Drogen im Rechtsdeutsch heißen) und Straßenverkehr. Hoffentlich ist jedem von uns klar, dass man nicht „bedröhnt“ fährt. 

Das Führen eines Kraftfahrzeuges, obwohl der Fahrer infolge des Genusses von alkoholischen Getränken oder anderen berauschenden Mitteln nicht dazu in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, kann nach § 315 c Absatz 1 Nr. 1 Strafgesetzbuch mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden. Daneben gilt nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung bei Einnahme von Betäubungsmitteln (ausgenommen Cannabis) der Fahrer als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Dabei kommt es nicht auf die Häufigkeit des Konsums an oder darauf, ob der Betroffene den Drogenkonsum und das Fahren trennen kann. Die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen führt nach § 3 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz dazu, dass die Fahrerlaubnis entzogen werden muss (die Fahrerlaubnisbehörde hat da keinen „Spielraum“). 

Was viele vermutlich nicht wissen, ist, dass schon die Feststellung eines einmaligen Konsumierens von harten Drogen (also nicht Alkohol oder Cannabis) zum Verlust der Fahreignung führt, egal ob derjenige im berauschten Zustand gefahren ist oder nicht.

Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 29.03.2019 (Aktenzeichen 7 B 820/19) zeigte erneut, dass insoweit streng geprüft wird. 

Der Betroffene wurde unabhängig von einer Teilnahme am Straßenverkehr angetroffen und auf Drogen getestet, was ergab, dass er unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln (Kokain und Amphetamin) stand. Deswegen wurde – zwingend – angenommen, dass ihm die fahrerlaubnisrechtliche Fahreignung fehlt und ihm die Fahrerlaubnis entzogen. 

Der Betroffene wehrte sich gegen die für vorläufig vollziehbar erklärte Entziehung seiner Fahrererlaubnis, die für ihn bedeutete, dass er auch schon bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr zum Führen eines Kraftfahrzeuges berechtigt war. 

Dabei ist der Konsum der Hartdrogen vom Betroffenen nicht abgestritten worden. Der Betroffene suchte aber einen Ausweg dadurch zu finden, indem er angab, die Betäubungsmittel unbewusst aufgenommen zu haben. Wenn ein solcher Ausnahmefall vorgelegen hätte, wäre ihm die Fahrerlaubnis nicht ohne Weiteres zu entziehen gewesen. An die Annahme eines solchen speziellen Geschehens knüpft die Rechtsprechung jedoch sehr hohe Anforderungen. 

Das Verwaltungsgericht Oldenburg führt insoweit aus, dass ein Fahrerlaubnisinhaber, in dessen Körper Hartdrogen nachgewiesen worden sind und der angibt, die Aufnahme des betreffenden Betäubungsmittels sei ohne sein Wissen erfolgt, einen detaillierten, in sich schlüssigen und auch im Übrigen glaubhaften Sachverhalt vortragen muss, der einen solchen Geschehensablauf als ernsthaft möglich erscheinen lässt. Dies nahm das Gericht im vorliegenden Fall nicht an. 

Hinsichtlich des Konsums von Kokain weist es – in Übereinstimmung mit einem Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 01.12.2011 (Aktenzeichen 12 ME 198/11) – darauf hin, dass Kokain zum einen illegal und zum anderen kostspielig sei und es daher wenig wahrscheinlich wäre, dass dieses dem Fahrerlaubnisinhaber ohne sein Wissen und vielleicht gegen seinen Willen beigebracht worden ist, wenn nicht ein nachvollziehbares Motiv für eine solche Handlung aufgezeigt wird. Dem Gericht fehlte – hier übereinstimmend mit einem Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 07.08.2012 (Aktenzeichen 7 B 4018/12) und einem Gerichtsbescheid desselben Gerichts vom 11.06.2015 (Aktenzeichen 7 A 1603/15) –  eine spezifizierte Darlegung, bei welcher Gelegenheit und auf welche Weise das Kokain ihm konkret zugeführt worden sei. Es vermisst Angaben zu Ort, Zeit und Personen des Vorfalls und Schilderungen dazu, wer ein Interesse an einem unwissentlichen Konsum des Betroffenen gehabt haben könne. Dabei sollen wegen der großen Gefahren, die von Hartdrogen und diese konsumierenden Autofahrern (gilt aber ebenso bei Motorradfahrern) ausgehen, hohe Anforderungen an die Plausibilität der Einlassung zu stellen sein. Der Betroffene müsse hierfür eine sachlich fundierte Begründung (Sub­stantiierung) vorbringen. Daran fehlte es dem Verwaltungsgericht Oldenburg im vorliegenden Fall.

Der Betroffene hatte geschildert, ein Dritter habe ihm an einem zu Hause verbrachten Abend offenbar Kokain und Amphetamin in ein Getränk gegeben, ohne dass er dies habe merken können. Er legte diesbezüglich sogar eine Eidesstattliche Versicherung des Dritten vor. Der Dritte erklärte darin, am fraglichen Tag mit dem Betroffenen in dessen Wohnung Bier getrunken zu haben. Während der Betroffene am Abend die Toilette aufgesucht habe, hätte der Dritte eine Tüte mit Rauschgift in dessen Flasche geschüttet. Er habe die Tüte zuvor von einem anderen bekommen und durchaus gewusst, dass diese Kokain und möglicherweise auch Amphetamin enthalte, das Mischverhältnis sei ihm aber nicht bekannt gewesen. Es habe ein bloßer Spaß sein sollen, über dessen Bedeutung und mögliche Folgen sich der Dritte nicht klar gewesen sei. Er sei besoffen gewesen. 

Das Gericht hielt diese Angaben hinsichtlich des Erwerbs und des Besitzes der Drogen für viel zu vage. Es meinte, es sei auch nicht glaubhaft, dass der Dritte nicht gewusst habe, worum es sich im Mischungsverhältnis handele. Es vermisst die Benennung desjenigen, von dem der Dritte die Betäubungsmittel angeblich bekommen habe. Es fehlt dem Gericht auch die Angabe einer Gegenleistung und eine Erklärung, warum der Dritte die Drogen ausgerechnet an jenem Abend dabei gehabt haben wolle. Das Verwaltungsgericht Oldenburg misst der Darstellung durch den Dritten schließlich insgesamt keinen ernsthaften Erklärungswert zu, weil dieser am Schluss seiner Ausführungen erklärt habe, er sei besoffen gewesen.

Das Gericht erklärte die Entziehung der Fahrerlaubnis deshalb für rechtmäßig. Auch der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Entziehung der Fahrererlaubnis sollen keine rechtlichen Bedenken entgegenstehen. Eine Güterabwägung des öffentlichen Interesses an einer sofortigen Entziehung in Form des Schutzes der Allgemeinheit gegenüber dem Privatinteresse des Betroffenen falle zugunsten des Ersteren aus. Das Verwaltungsgericht Oldenburg führt insoweit noch aus, dass mit der Fahrerlaubnisentziehung verbundene besondere persönliche und berufliche Erschwernisse (z.B. Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes) hinter dem öffentlichen Interesse, die übrigen Verkehrsteilnehmer und den Betroffenen selber wirksam vor gefährdendem Verhalten zu schützen, zurücktreten müsse. Selbst wenn einem Berufskraftfahrer der Verlust des Arbeitsplatzes drohen würde, sei das Abhalten ungeeigneter Kraftfahrer vom öffentlichen Straßenverkehr deutlich gewichtiger.

Das Verwaltungsgericht Oldenburg stellt sich mit seinem Beschluss in eine lange Reihe von entsprechenden Entscheidungen auch anderer Gerichte. Besonders die Ausführungen zur Annahme eines Ausnahmefalls und zur (hier fehlenden) Glaubhaftigkeit eines Vortrags von Betroffenen, entsprechen der bisherigen Rechtsprechung. Die Gerichte halten eine unbewusste Einnahme von Drogen nach allgemeiner Lebenserfahrung für eine sehr seltene Ausnahme. Dem folgend verlangen sie für die Glaubhaftmachung eines solchen Geschehens eine schlüssige, ausgesprochen detaillierte, widerspruchsfreie und nachvollziehbare Erklärung, die sich besonders auch mit dem Motiv für eine unbewusste Verabreichung auseinandersetzt und dieses glaubwürdig bekräftigt. Es bedarf somit eines umfassenden und sorgfältigen Vortrags, der in sich stimmig ist und alle Einzelheiten des Geschehens erklärt.

Am besten ist es natürlich, völlig auf den Gebrauch von Drogen zu verzichten. Dies gilt nicht nur, wenn man noch fahren will oder muss. Angesichts dessen, dass sich manche Betäubungsmittel wie etwa Kokain noch recht lange nachweisen lassen (z.B. in den Haaren), kann auch eine länger zurückliegende Einnahme zum Verlieren der Fahrerlaubnis führen. Die Behauptung eines unbewussten Einnehmens wird so gut wie nie von Behörden oder Gerichten geglaubt. Wegen der Sicherheit des Straßenverkehrs vor Fahrern unter Einfluss von Drogen oder auch nur der Annahme aufgrund der Feststellung des Konsums von Betäubungsmitteln, der Betroffene könnte zukünftig ein Fahrzeug im berauschten Zustand führen, sind die strengen Anforderungen indes auch durchaus verständlich.