aus Kradblatt 8/20 von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
Telefon 0421-696 44 880 – www.janschweers.de

… alles heiße Luft?

Das Thema Motorradlärm ist derzeit wieder einmal in aller Munde bzw. Ohren (siehe auch Kradblatt-Editorial 6/20 und 8/20). Ein Beschluss des Bundesrats vom 15.05.2020 (Bundesrats-Drucksache 125/20) hat die Diskussion um zu laut dröhnende Maschinen wieder aufkommen lassen.

In genannter Beschlusssache wünscht der Bundesrat von der Bundesregierung diverse Maßnahmen „zur wirksamen Minderung und Kontrolle von Motorradlärm“. Der Bundesrat bittet unter anderem um bzw. fordert eine deutliche Verschärfung der Strafen bei Manipulationen an Bauteilen, die eine Steigerung der Lärmemissionen zur Folge haben sowie die Entwicklung eines Instruments zur sofortigen Sicherstellung oder Beschlagnahme eines Fahrzeugs bei gravierenden Überschreitungen des Lärmausstoßes, ein Verbot sogenannter Sound-Designs durch die individuell störende und belästigende Geräusche erzeugt werden können (interessanterweise im direkten Zusammenhang mit der Bitte eines Einsetzens dafür, dass die Sound-Designs genutzt werden, um Lärm zu reduzieren), ein Einsetzen für wirksame Messverfahren zur Ausweitung der Kontrollmöglichkeiten bei offensichtlich überlauten Motorrädern, die Anpassung der Regelungen zu Geschwindigkeitsbeschränkungen und zeitlich begrenzten Verkehrsverboten an Sonn- und Feiertagen aus Gründen des Lärmschutzes, die Prüfung einer Regelung einer Art schuldunabhängiger Halterhaftung unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten und schließlich eine Einführung der verpflichtenden Führung eines Fahrtenbuches.

In der (gegenüber dem Forderungskatalog selbst knappen) Begründung wird auf die Lärmbelästigung von Anwohnern in landschaftlich schön gelegenen und beliebten Gebieten durch die Geschwindigkeitsbegrenzung überschreitende Motorradfahrer/innen oder mit extralaut getunten Motorrädern Fahrende verwiesen, wobei Motorräder oft an Ruhetagen unterwegs seien, wo sie durch absichtlich erzeugten Lärm auch als Einzelfahrzeuge extrem belästigen könnten. Dass hier eine völlig ungerechtfertigte Verallgemeinerung eines von Einzelnen verübten Fehlverhaltens vorliegt und gar kein akuter Handlungsbedarf gegeben ist, weil keine Zunahme in letzter Zeit behauptet wird, ist jedem von uns klar.

Besonders fragwürdig ist hingegen, dass einige der „Bitten“ bzw. Forderungen bereits jetzt in Kraft sind und nur nicht konsequent in der Praxis stattfinden. So erklärt etwa § 30 Absatz 1 Straßenverkehrsordnung, dass bei der Benutzung von Fahrzeugen unnötiger Lärm verboten ist, gemäß § 49 Absatz 1 Nr. 25 Straßenverkehrsordnung kann dies eine Ordnungswidrigkeit mit der Folge einer Geldbuße darstellen. Es müsste dann halt öfter gegen die „schwarzen Schafe“ eingeschritten und – vor allem bei Wiederholungstätern – der Bußgeldkatalog ausgereizt werden. 

Die für viel Aufregung sorgende Anregung der Anpassung der Regelungen zu zeitlich begrenzten Verkehrsverboten an Sonn- und Feiertagen ist teilweise auch heute schon erfüllt: § 45 Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit Satz 2 Nummer 3 Straßenverkehrsordnung gibt Straßenverkehrsbehörden die Befugnis, die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen zu beschränken oder zu verbieten. Diese Vorschrift erlaubt indes bislang nur eine örtliche Sperrung, während der umstrittene Vorschlag eine zeitliche Sperre wünscht. Beides steht aber, wie grundsätzlich jedes Verwaltungshandeln unter dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, sodass ein allgemeines allumfassendes Fahrverbot für Kradfahrer an Wochenenden verfassungsrechtlich wohl nicht haltbar wäre.

Besonders stutzig macht jedoch die Forderung des Einsetzens für wirksame Messverfahren zur Ausweitung der Kontrollmöglichkeiten bei offensichtlich überlauten Motorrädern. Es bedarf hier eigentlich keiner Verbesserung der Messverfahren. Der Bundesgerichtshof hatte schon 1977 festgestellt, dass es keine Pflicht gibt, das nach dem jeweiligen Stand der Technik vermeidbare Maß der Geräuschentwicklung durch ein Geräuschmessgerät festzustellen (Beschluss vom 30.06.1977, Aktenzeichen: 4 StR 689/76). 

Ein Fahrer hatte gegen ein gegen ihn verhängtes Bußgeld wegen Fahrens mit einem wegen einer schadhaften Auspuffanlage übermäßig lauten Fahrzeug geklagt, weil die Geräuschentwicklung nicht durch ein Messgerät festgestellt worden war. Der Bundesgerichtshof beschied, dass es nicht in jedem Fall einer Messung des Motorengeräuschs bedarf, weil auch andere Nachweismöglichkeiten genügen könnten und die Frage der übermäßigen Geräuschentwicklung der freien Beweiswürdigung durch das jeweilige Gericht unterliege. Es würde demnach ausreichen, dass ausreichend qualifizierte Polizeibeamte glaubhaft bestätigen, dass das Fahrzeug zu laut sei! Neuere und verbesserte Messmethoden oder neu entwickelte Geräte braucht es daher nicht. 

Diese Entscheidung ist übrigens keine Einzelmeinung oder „Schnee von gestern“. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe befand in einem Urteil vom 17.12.2018 (Aktenzeichen: 1 K 4344/17) zur Lärmbelästigung durch „Autoposer“, dass eine Überschreitung der Grenze der Zumutbarkeit nicht durch eine lärmtechnische Messung ermittelt werden muss sondern auch Zeugenaussagen genügen können. Es ging dabei wiederum um das Lärmverbot aus § 30 Absatz 1 Straßenverkehrsordnung. Der genannte Vorschlag ist daher gerade bei „offensichtlich überlauten Motorrädern“ unsinnig.

Es zeigt sich somit, dass nicht wenige der vom Bundesrat gewünschten Änderungen bei konsequenter Anwendung und Durchsetzung der schon bestehenden Vorschriften vollkommen unnötig wären. Also alles nur heiße Luft?