aus Kradblatt 8/19 von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
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Wie sieht es mit Veränderungen am Kennzeichen aus?

Ein vielleicht etwas kurioses Thema, das aber dennoch recht praxisnah ist, soll diesmal behandelt werden. Macht sich jemand, der die Kennzeichen an seinem Fahrzeug verändert, dadurch strafbar?

Aufgebracht wurde diese Fragestellung vor kurzem durch ein Urteil des Oberlandesgerichtes München, vom 22.03.2019 (Aktenzeichen 4 OLG 14 Ss 322/18). 

Ein Pkw-Fahrer war von der Polizei angehalten worden. An seinem Wagen waren an beiden Kennzeichen die blauen Europakennzeichen durch Aufkleber überklebt worden, die den Reichsadler bzw. Preußenadler zeigten. Dies sollte eine Art des Protests gegen die Europäische Union darstellen. Hierfür war er vom Amtsgericht zunächst wegen Urkundenfälschung verurteilt worden, auf seinen Einspruch hin dann wegen Kennzeichenmissbrauchs. Das Landgericht schloss sich der letzteren Bewertung an. Hiergegen legte die Staatsanwaltschaft Revision ein, weil sie immer noch vertrat, dass doch eine Urkundenfälschung gegeben sei. Das Oberlandesgericht München sieht dies aber anders. Es entschied, dass weder eine Urkundenfälschung noch ein Kennzeichenmissbrauch vorlägen. Allerdings warf es den Gedanken auf, dass eine Kennzeichenverdeckung gegeben sein könne.

Es ist angebracht, die verschiedenen Tatbestände im Hinblick auf die Ausgangsfrage näher zu beleuchten. Nach § 267 Abs. 1 Strafgesetzbuch macht sich strafbar, wer zur Täuschung im Rechtsverkehr eine unechte Urkunde herstellt, eine echte Urkunde verfälscht oder eine unechte oder verfälschte Urkunde gebraucht. Um es nicht unnötig kompliziert zu machen, soll der Begriff der „Urkunde“ hier nicht erläutert werden, seine Auslegung bereitet z. B. Jura-Studenten regelmäßig viel Arbeit. Jedenfalls sind Kfz-Kennzeichenschilder sogenannte Beweiszeichen und damit nach ständiger Rechtsprechung Urkunden, weil durch sie erklärt wird, dass das Fahrzeug zum öffentlichen Verkehr zugelassen worden ist. 

Die Bestandteile des amtlichen Kennzeichens sind in § 10 Fahrzeug-Zulassungsverordnung bzw. einer dazu erlassenen Anlage genannt, das blaue Euro-Feld mit Sternenkranz und „D“ gehört dazu. 

Auch die Tathandlungen sollen hier nicht im Einzelnen erörtert werden. Ein Überkleben kann eine „Verfälschung“ darstellen. Der Täter muss aber zusätzlich den Vorsatz gehabt haben, im Rechtsverkehr zu täuschen, also jemand anderen zu einer rechtserheblichen Handlung veranlassen zu wollen. Dies verneint das Oberlandesgericht München, weil der Angeklagte durch das Überkleben des Eurokennzeichens mit dem Adler nur seine Missbilligung über die Europäische Union zum Ausdruck bringen wollte. Eine rechtserhebliche Täuschung, so das Oberlandesgericht weiter, sei außerdem nicht anzunehmen, weil es fernliegend sei, dass die Zulassungsbehörde, die bayerische Landeshauptstadt München, Teil des Staates Preußen sei.

Gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 3 Straßenverkehrsgesetz wird wegen Kennzeichenmissbrauchs bestraft, wer in rechtswidriger Absicht das an einem Kraftfahrzeug angebrachte amtliche Kennzeichen verändert. Durch das Aufkleben des Preußenadlers wurden die Kennzeichen hier zumindest teilweise verdeckt und damit verändert. Der Täter muss aber in der Absicht gehandelt haben, durch die verbotswidrige Kennzeichnung im Verkehr falschen Beweis zu erbringen. Dies war hier zu verneinen. Wegen Fehlens dieses Vorsatzes kam auch eine Bestrafung wegen wissentlichen Gebrauchs eines Fahrzeugs mit veränderten Kennzeichen nach § 22 Abs. 2 Straßenverkehrsgesetz nicht in Betracht.

Das Oberlandesgericht stellte jedoch in den Raum, dass eine Kennzeichenverdeckung nach §§ 48 Nummer 1b, 10 Absatz 12 Satz 1 der Fahrzeug-Zulassungsverordnung in Verbindung mit der dazu gehörenden Anlage angenommen werden könnte. Da es sich hierbei aber lediglich um eine Ordnungswidrigkeit handelt, soll hier dem Titel entsprechend darauf nicht weiter eingegangen werden.

Das Oberlandesgericht München hat immerhin überzeugend dargelegt, warum das Überkleben des Europafeldes als Bekundung einer politischen Meinung keine Straftat nach § 267 Strafgesetzbuch oder nach § 22 Straßenverkehrsgesetz ist. Auf den Inhalt der Bekundung kann es dabei nicht ankommen, es sei denn, dieser wäre nach anderen Vorschriften strafbar.

Nun kann man sich die Frage stellen, wie mit anderen Veränderungen des Kennzeichens, insbesondere des blauen Europafeldes zu verfahren wäre. 

Möglichkeiten andersartiger Abwandlungen gibt es ja genügend. So kann es z.B . zur Befestigung des Kennzeichens an der fahrzeugspezifischen Halterung notwendig sein, eine Schraube durch das genannte Feld zu treiben. 

So lange der Erklärungsinhalt des Eurofeldes – die Zulassung des Fahrzeugs zum Straßenverkehr im Raum der Europäischen Union – noch ohne weiteres zu erkennen ist, dürfte dabei aber wohl gar nicht erst eine „Verfälschung“ anzunehmen sein. Vor allen Dingen wird es jedoch regelmäßig am Vorsatz fehlen: Wenn nicht nachgewiesen werden kann, dass derjenige, der die Modifizierung vorgenommen hat, damit eine Täuschung hervorrufen wollte, kann weder eine Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung noch wegen Kennzeichenmissbrauchs vorliegen. Je offensichtlicher die Schraube also genau dort platziert werden musste, desto unwahrscheinlicher erscheint ein Täuschungsvorsatz. 

Ob eine Ordnungswidrigkeit in Form einer Kennzeichenverdeckung zu bejahen wäre, hinge von der verwendeten Schraube ab (so große oder breite Schrauben gibt es allerdings wohl kaum!). Problematisch könnte dabei höchstens eine Montage mit einer Vielzahl von Schrauben sein, durch die das Kennzeichen nicht mehr zu erkennen wäre, dann könnte aber wiederum der Verdacht auf einen Vorsatz zur Täuschung naheliegen.  

Eine Strafbarkeit ist jedenfalls so lange nicht gegeben, wie ein entsprechender Vorsatz nicht zu beweisen ist. 

Auf der völlig sicheren Seite ist man natürlich, wenn man gänzlich auf jegliche Manipulationen an den einzelnen Bestandteilen des Kennzeichens verzichtet. Also, so weit es geht: Finger bzw. Werkzeuge weg von den aussagekräftigen Bestandteilen der Kennzeichen!