aus Kradblatt 7/22 von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
Telefon 0421-696 44 880 – www.janschweers.de

… und ist eine Mischung möglich?

Liegt nach einem Verkehrsunfall kein wirtschaftlicher Totalschaden vor, d.h. das verunfallte Fahrzeug ist nicht so stark beschädigt worden, dass es nicht mehr lohnt, es zu reparieren, kann der Geschädigte zwischen zwei Abrechnungsarten wählen: Er kann das Vehikel tatsächlich durch eine Werkstatt reparieren und die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers die Rechnung bezahlen lassen (konkrete Schadensabrechnung) oder er kann von der gegnerischen Versicherung die in einem Sachverständigengutachten kalkulierten Netto-Reparaturkosten verlangen (fiktive Schadensabrechnung). In letzterem Fall hat man allerdings keinen Anspruch auf die Umsatzsteuer (die sogenannte Mehrwertsteuer), weil diese erst bei einer wirklich durchgeführten Reparatur anfallen würde. 

Technisch hinreichend versierte Schrauber oder Biker mit der Möglichkeit einer kostengünstigeren Instandsetzung wählen in aller Regel den zweiten Weg. Die Rechtsprechung hat aber schon mehrmals klargestellt, dass bei der Wahl der Abrechnung auf fiktiver Basis keine Erstattung der Umsatzsteuer gefordert werden kann. Dem Bundesgerichtshof lag jüngst ein derartiger Sachverhalt vor, den er mit Urteil vom 05.04.2022 (Aktenzeichen: VI ZR 7/21) entschied.

Die Geschädigte hatte sich nach einem Unfallschaden die Netto-Reparaturkosten auszahlen lassen, wollte dann nach einer Teilreparatur aber die dafür angefallene Umsatzsteuer verlangen. Dies lehnt der Bundesgerichtshof wie auch die zwei Vor-Instanzen, ab. 

Wegen der Wahl der fiktiven Abrechnung, und weil kein Übergang zu einer konkreten Reparaturabrechnung erfolgt war, konnte kein Ersatz der Umsatzsteuer für die Teilreparatur verlangt werden. Eine Kombination fiktiver und konkreter Abrechnung ist nicht zulässig. 

Das tatsächliche Anfallen der Umsatzsteuer bei der Teilreparatur erlaubt bei Wahl der fiktiven Abrechnung nicht die Nutzung von Vorteilen der konkreten Abrechnung. Der Bundesgerichtshof gestattet ausdrücklich kein „Rosinenpicken“. 

Die Abrechnungsarten haben unterschiedliche Grundlagen, die sich nicht kombinieren lassen. 

Eine Verbindung könnte auch gegen das Gebot der Bereicherung des Unfallgeschädigten verstoßen. 

In Ordnung wäre dagegen zunächst eine Abrechnung auf fiktiver Basis und später ein Übergang zur konkreten Schadensabrechnung der tatsächlich angefallenen Reparaturkosten. Eine Vermischung beider Arten ist aber rechtlich nicht möglich. Bei Wahl der fiktiven Abrechnung, bei der keine Umsatzsteuer anfällt, kann daher keine Umsatzsteuer für eine Teilreparatur beansprucht werden.

Der Bundesgerichtshof bestätigt damit, dass wir nach einem Unfall genau überlegen sollten, wie der Schaden abgerechnet werden soll. Ein Wechsel von der fiktiven zur konkreten Abrechnung ist durchaus zulässig – aber nur, wenn man bereit ist, neben den Vorteilen (Umsatzsteuer) auch die Nachteile (Verzicht auf Kostenersparnis durch Eigenreparatur) zu akzeptieren.