aus Kradblatt 7/18
von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
Telefon 0421 / 696 44 880 – www.janschweers.de

Vorsicht: Handel mit Punkten ist strafbar

Ihr werdet alle sicherlich schon etwas von dem sogenannten Punktehandel bei Bußgeldsachen im Internet gelesen oder gehört haben. Dritte Personen übernehmen in solchen Fällen Eure Punkte und eventuell auch ein Fahrverbot. Oftmals werden hierfür auch Vergütungen gezahlt.

Was die meisten nicht wissen ist, dass es sich hierbei um eine sogenannte falsche Verdächtigung im Sinne des § 164 StGB handelt. Wer eine andere Person einer Begehung einer Ordnungswidrigkeit bezichtigt, wird danach mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder einer Geldstrafe bestraft. Bekommt Ihr folglich in einem Bußgeldverfahren eine Anhörung und gebt eine dritte Person als Fahrzeugführer an, obwohl Ihr wisst, dass diese Person das Fahrzeug nicht geführt hat und kommt die Staatsanwaltschaft Euch auf die Schliche, werdet Ihr hierfür bestraft. Da in Bußgeldverfahren die für eine Geschwindigkeitsmessung oder Abstandsmessung gefertigten Fahrzeugfotos immer auch daraufhin überprüft werden, ob der Fahrzeugführer mit der angehörten Person identisch ist, ist die Chance aufzufliegen sehr hoch!

Das Oberlandesgericht Stuttgart (Beschluss vom 20.02.18, Az. 4 Rv 25 Ss 982/17) hatte jüngst einen ganz besonderen Fall des sogenannten Handelns mit Punkten als letzte Instanz zu beurteilen. Ein Betroffener wurde wegen eines von ihm begangenen Geschwindigkeitverstoßes von der Bußgeldbehörde angehört. Er forschte daraufhin im Internet und geriet auf eine Internetseite mit dem gut sichtbar platzierten Versprechen:“ Ich übernehme ihre Punkte und ihr Fahrverbot für Sie.“ 

Der Beklagte überließ dann dieser anderen Person per E-Mail das Anhörungsschreiben der Bußgeldbehörde und überwies im Gegenzug 1.000 Euro auf ein Schweizer Konto. Eine andere Person füllte dann den Anhörungsbogen handschriftlich aus und gab darin den Verstoß, dass sie zur Tatzeit verantwortlicher Fahrzeugführer gewesen sei, zu. 

Das Besondere an diesem Fall war, dass die andere Person eine tatsächlich nicht existierende Person als Fahrzeugführer benannte. Die Bußgeldbehörde leitete daraufhin ein Bußgeldverfahren gegen diese nicht existierende Person ein und erließ einen Bußgeldbescheid. Das Verfahren gegen den ursprünglich angehörten Betroffenen wurde daraufhin eingestellt. 

Erst nachdem die Tat gegen den ursprünglich Betroffenen verjährt war, bemerkte die Bußgeldbehörde, dass die angehörte Personen gar nicht existent ist. Es war der Behörde jedoch nicht mehr möglich, gegen den Betroffenen das Bußgeldverfahren fortzusetzen, da dies mittlerweile verjährt war. Folglich musste sich das Strafgericht damit befassen, ob sich der Betroffene einer sogenannten falschen Verdächtigung strafbar gemacht hat. 

Die erste sowie die Revisionsinstanz, das Oberlandesgericht Stuttgart, entschieden, dass in einem solchen Fall keine Strafbarkeit wegen einer falschen Verdächtigung des Fahrzeugführers in mittelbarer Täterschaft und einer Beihilfe der dritten Person, die die Vergütung dafür erhalten hatte, vorliegt. Das Gericht entschied, dass nur eine existierende Person im Sinne des § 164 StGB verdächtigt werden kann.

D.h., verdächtigt man eine Person, die es gar nicht gibt, besteht nach Ansicht des Oberlandesgerichtes wohl keine Strafbarkeit. Ob auch die anderen Oberlandesgerichte diese Ansicht teilen, steht noch nicht fest.

Das Oberlandesgericht hat den Betroffenen auch nicht wegen des Vortäuschens einer Straftat, Strafvereitelung, einer Urkundenfälschung und einer mittelbaren Falschbeurkundung verurteilt, da es auch diese Tatbestände nicht für verwirklicht hielt. Offensichtlich besteht in solchen Fällen eine Strafbarkeitslücke. Es bleibt abzuwarten wie der Gesetzgeber hierauf reagiert. Dass ein solches Vorgehen letztendlich rechtlich nicht gebilligt werden kann, steht außer Frage. Es gilt jedoch in Deutschland der Grundsatz, dass keine Strafe ohne ein Gesetz verhängt werden kann.