aus Kradblatt 6/22 von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
Telefon 0421-696 44 880 – www.janschweers.de

Gefährliche Begegnung mit Radfahrern …

Die Zeiten, als Fahrradfahrer noch ein „gemütliches Völkchen“ waren, das sich weitestgehend an die Verkehrsregeln hielt, sind leider lange vorbei. Die immer weiter  fortschreitende technische Optimierung von Fahrrädern und Zubehör sowie die allgemein gestiegene Aggressivität im Straßenverkehr hat auch vor unmotorisierten Zweiradfahrern nicht Halt gemacht. 

Das Landgericht (LG) Lübeck hatte vor einigen Jahren über einen Fall zu entscheiden, in dem eine Fahrradfahrerin einen Gehweg in falscher Richtung befahren hatte und beim Überqueren der Straße, aufgrund einer Kollision mit einem Fahrzeug, zum Sturz sowie dabei zu erheblichen Verletzungen gekommen war. Diese Fallkonstellation ist keineswegs ungewöhnlich und kann durchaus auch mal uns Motorradfahrer betreffen. Zwar sind wir mit unseren Zweirädern grundsätzlich beweglicher und können manchem „Drahtesel“ ausweichen. Wenn unsereins aber so rein gar nicht damit rechnet und der Radler mit einer für ihn hohen Geschwindigkeit auf die Straße „schießt“, kann auch ein Biker in solch einen Unfall verwickelt werden.

Im Fall des Landgerichts Lübeck hatte eine Radfahrerin den Gehweg an einer Straße befahren, noch dazu entgegen der Fahrtrichtung. Beim Versuch, die Straße zu überqueren, stieß sie mit einem für sie von links kommenden Pkw zusammen, stürzte und zog sich recht schwere Verletzungen zu. Nach ihrem Vortrag habe sie mehr als einen Monat im Krankenhaus verbringen müssen und sei dauerhaft in ihrer Bewegungs- und Gehfähigkeit eingeschränkt. Sie verlangte von dem Autofahrer bei einer Haftungsquote von 67 Prozent ein Schmerzensgeld in Höhe von 24.000 €, Zahlung von Haushaltsführungsschaden sowie den Ersatz von Sachschäden. Der Autofahrer war der Auffassung, dass er für Schäden der Verunfallten nicht zu haften habe, weil die Radfahrerin verbotswidrig einen Gehweg in der falschen Richtung benutzt habe. 

Das LG Lübeck wies die Klage mit Urteil vom 13.07.2016 (Aktenzeichen: 4 O 243/15) ab. Es erkannte, dass der Autofahrer und seine Krafthaftpflichtversicherung nicht die Schäden der Radfahrerin zu ersetzten haben, weil der Unfall alleine auf das Verschulden der Klägerin zurückzuführen war. Das Verhalten der Fahrradfahrerin, die verbotswidrig einen Gehweg und diesen zudem auf der aus ihrer Sicht falschen Fahrbahnseite benutzt hatte, war derart verkehrswidrig, dass auch die allgemeine Betriebsgefahr des Pkw dahinter vollständig zurücktritt. Der von der Klägerin benutzte Weg war ein Gehweg und kein Radweg und war zudem in der Fahrtrichtung der Klägerin nicht für Radfahrer freigegeben. Die Beschilderung des Gehwegs wurde für ausreichend erkennbar befunden. Gehwege sind als Sonderwege grundsätzlich den Fußgängern vorbehalten. Das Radfahren auf Gehwegen stellt deshalb einen groben Verkehrsverstoß dar. Bei Kollisionen, von, einen Gehweg in falscher Fahrtrichtung benutzenden Radfahrern mit einem Fahrzeug auf der Straße, haftet daher nach einhelliger Rechtsprechung grundsätzlich der Radfahrer für die Unfallfolgen alleine. Dabei kommt es auch nicht auf eine mögliche Vorfahrtsberechtigung des Zweiradfahrers an. Ein Vorfahrtsrecht für einen auf dem Gehweg fahrenden Radfahrer besteht nicht. Sofern dem korrekt auf der Straße fahrenden Verkehrsteilnehmer nicht ausnahmsweise eine wesentliche Verletzung seiner Sorgfaltspflichten vorgeworfen werden kann – etwa weil er nachweislich den Radfahrer zuvor gesehen hatte – besteht kein Verschulden, das ein Abweichen von der Alleinhaftung des „Radrowdys“ rechtfertigen könnte.

Das Urteil des Landgerichts Lübeck stellt dankenswerterweise eine eindeutige Klarstellung dar, die der zunehmenden Rücksichtslosigkeit der „Pedalritter“ die Grenzen aufzeigt. Wenn wir auch gewiss ausgesprochen selten oder hoffentlich nie in solche Situationen geraten werden, so ist es doch erleichternd zu wissen, dass Gerichte insoweit richtig im Sinne der Verkehrssicherheit entscheiden.