aus Kradblatt 5/22 von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
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Immer eine Mitschuld: Unfälle mit Bussen …

Der § 20 der Straßenverkehrsordnung wird in der Fahrschule vermehrt verinnerlicht. Er befasst sich mit unseren Omnibussen und Schulbussen. Grob zusammengefasst ist eine Gefährdung von Fahrgästen auszuschließen. 

So darf, wenn Fahrgäste ein- oder aussteigen nur mit Schrittgeschwindigkeit und einem besonderen Abstand, der eine Gefährdung der Fahrgäste ausschließt, der jeweilige Bus passiert werden. Notfalls muss man sogar warten. 

Busse des Linienverkehrs oder Schulbusse die mit einer Warnblinkanlage halten, dürfen nicht einmal überholt werden. Halten sie an einer Haltestelle, die durch das Zeichen 224 gekennzeichnet ist, das ist das große grüne H in dem gelbgrünen Schild, dürfen sie nur mit Schrittgeschwindigkeit und einer besonderen Vorsicht, um Fahrgäste nicht zu gefährden, passiert werden. Dies gilt auch für den Gegenverkehr, was die meisten nicht wissen. Das Abfahren der Omnibusse ist zu ermöglichen. Wenn nötig, müssen andere Verkehrsteilnehmer sogar warten. 

Wer also einen Omnibus oder Schulbusse sieht, sollte besondere Vorsicht walten lassen und lieber einmal mehr anhalten als diesen zu passieren. Diese Busse haben grundsätzlich zunächst immer Vorrecht. 

Doch was ist, wenn es zu einem Unfall mit einem Omnibus oder einem Schulbus kommt? Wer haftet und wer muss was beweisen? 

Das Oberlandesgericht Celle (Urteil vom 10.11.2021, Az. 14 U96/21) hatte einen Fall zu entscheiden, in dem der Fahrer eines Linienbusses von einer am rechten Fahrbahnrand gelegenen Haltestelle schräg abfuhr, um anschließend nach links in eine Straße abzubiegen. Nach dem Anfahren des Busses kam es zu einem Unfall mit einem an der linken Seite des Busses vorbeifahrenden Pkw. 

Der Busfahrer behauptet, dass er geblinkt habe, der Pkw-Fahrer bestritt dies. Die erste Instanz, das Landgericht nahm eine Haftungsteilung vor. D.h., jede der Parteien haftet zu 50 Prozent. Das Oberlandesgericht sah dies jedoch anders und sah die überwiegende Haftung bei der Halterin des Linienbusses und gab ihr 75 % Schuld. 

Das Oberlandesgericht begründete sein Urteil damit, dass der einfahrende vom Fahrbahnrand, der auf eine Fahrbahn fährt, eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausschließen muss. Dies ist in § 10 S.1 der Straßenverkehrsordnung geregelt. Der fließende Verkehr hat damit Vorrang, der jedoch durch § 20 Abs. 5 der Straßenverkehrsordnung eingeschränkt wird. Darin heißt es: Omnibussen des Linienverkehrs und Schulbussen ist das Abfahren von gekennzeichneten Haltestellen zu ermöglichen. Wenn nötig, müssen andere Fahrzeuge warten. Folglich müssen andere Straßenverkehrsteilnehmer eine Einschränkung hinnehmen. 

Das Besondere an diesem Fall war jedoch, dass der Linienbusfahrer beweisen musste, dass er sein Vorhaben, vom Fahrbahnrand auf die Straße zu fahren auch rechtzeitig mit dem Fahrtrichtungsanzeiger angezeigt hatte und nach einer Rückschau nicht anzunehmen war, dass andere Verkehrsteilnehmer mehr als nur mittelstark bremsen müssten. Hat er das alles getan, entsteht sein sogenanntes Vorrecht aus § 20 Abs. 5 der Straßenverkehrsordnung. Der Linienbusfahrer konnte jedoch nicht beweisen, dass er den Fahrtrichtungsanzeiger rechtzeitig gesetzt hatte. 

Der sogenannte Beweis des ersten Anscheins, bei Juristen auch Anscheinsbeweis genannt, sprach hier für ein Verschulden des Linienbusfahrers und damit des Einfahrenden, da sich der Unfall im unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang beim Einfahren ereignete. Da der andere Verkehrs­teilnehmer nicht beweisen konnte, dass der Unfall für ihn unabwendbar war und er sich sozusagen wie ein Idealfahrer verhalten hatte, sprach das Oberlandesgericht ihm eine Schuld von 25 % zu. 

Gebt bitte immer acht, wenn ihr in mittelbarer oder unmittelbarer Nähe von Omnibussen und Schulbussen seid. Kommt es in so einer Situation zu einem Unfall, wird euch auch eine Schuld treffen und ihr werdet entsprechend haften. Werden hierbei Personen verletzt, kommt es meist zu schwerwiegenden unfallbedingten Verletzungen, die bis in die Zukunft hinein Auswirkungen haben. Schwerwiegende Verletzungen Dritter können auch dem Unfallverursacher das zukünftige Leben zur Qual machen.