aus Kradblatt 3/24 von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
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Lieber rücksichtsvoll fahren

Die meisten von uns haben wohl schon Situationen erlebt, in denen ein Fahrer neben oder hinter einem sehr dicht aufgefahren ist, so dass man schon fast annehmen konnte, der andere habe „in die Maschine hineinfahren“ wollen. Neben dem dadurch gegebenen Unfallrisiko kann ein solches verkehrswidriges und -gefährdendes Fahren aber auch eine strafbare Nötigung darstellen. 

Die Straßenverkehrsordnung hat keine eigene Strafvorschrift zu nötigendem Verhalten im Verkehr, so dass auf § 240 Strafgesetzbuch zurückzugreifen ist, wonach bestraft wird, wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt.

Dabei ist zu beachten, dass nicht jedes Fehlverhalten, das als Drängeln anzusehen ist, automatisch eine strafbare Nötigung darstellt. 

Nach gefestigter Rechtsprechung (so etwa Oberlandesgericht Hamm mit Urteil vom 18.08.2005, Aktenzeichen: 3 Ss 304/05) kann zwar im dichten Auffahren auf der Autobahn auf ein voranfahrendes Fahrzeug unter Betätigung der Lichthupe eine verwerfliche Zwangsausübung im Sinne einer Nötigung liegen. Maßgebend sind hierbei jedoch immer Streckenlänge, die gefahrene Geschwindigkeit, die bestehende Verkehrssituation sowie Intensität und Dauer eines solchen Verhaltens. Ein kurzes Bedrängen des Aufschließenden in offensichtlicher Überholabsicht stellt noch keine Nötigung im Sinne des Gesetzes dar. Es muss daher immer festgestellt werden, wie lange und über welche Strecke der Hintermann dicht aufgefahren ist, ob die Hupe und/ oder Lichthupe betätigt wurden und ob der Auffahrende beabsichtigte zu überholen.

Es bedarf der Feststellung einer nötigenden Wirkung des Auffahrens: Der Betroffene muss angeben, dass er durch das Fahrverhalten des hinter ihm Fahrenden Angst um seine körperliche Unversehrtheit oder gar sein Leben sowie sein Fahrzeug gehabt hätte, wozu körperliche Reaktionen wie etwa Schweißausbrüche glaubhaft geschildert werden sollten. Zudem muss das Verhalten rechtswidrig gewesen sein, was gemäß § 240 Absatz 2 Strafgesetzbuch bedeutet, dass die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist. Für das Merkmal der Verwerflichkeit ist erforderlich, dass sich das Handeln massiv und ohne vernünftigen Grund darstellt. Das Bundesverfassungsgericht hatte mit Beschluss vom 29.03.2007 (Aktenzeichen: 2 BvR 932/06) diese Rechtsprechung als verfassungskonform bestätigt.

Es hängt danach stets von den Umständen im konkreten Einzelfall ab, ob das „Drängeln“ eine Nötigung im Sinne des § 240 Strafgesetzbuches ist. Feste Maßstäbe gibt es dabei für die Strafgerichte nicht. Wenn aber jemand den vor ihm Fahrenden mehrere Minuten über eine Strecke von mehreren Kilometern bedrängt, sehr dicht auffährt, dabei noch optische und akustische Signale abgibt und dadurch den Vorausfahrenden dazu bewegt, sicherheitshalber schneller zu fahren oder die Fahrspur zu wechseln, macht er sich einer Nötigung strafbar.

Wenn wir uns durch einen, längere Zeit und über eine weitere Strecke dicht auffahrenden, noch dazu hupenden und mit Fernlicht aufblendenden, Fahrer – im Volksmund „Idioten“ – so bedrängt fühlen, dass wir es körperlich fühlen und deshalb beschleunigen, damit kein Unfall geschieht, sollten wir bei der regionalen Polizei Strafanzeige gegen den Fahrer stellen, wofür wir uns selbstverständlich das Kennzeichen merken sollten. Im Idealfall stehen vielleicht sogar andere Fahrer als unabhängige Zeugen zur Verfügung.

Wir sind aufgrund der Physik unserer Maschinen im Straßenverkehr anfälliger und gefährdeter. Man sollte also nicht jedes Drängeln hinnehmen, sondern sich gegebenenfalls durch eine Strafanzeige zur Wehr setzen. Wobei man sich aber auch umgekehrt rücksichtsvoll verhalten sollte. Spätestens beim Überholen zeigt man ja sein Kennzeichen …