aus Kradblatt 3/20 von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
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Wer zahlt nach einem Sturz?

Nicht wenige von uns haben bestimmt schon einmal an einem sogenannten Sicherheitstraining teilgenommen. Diese Übungen werden in den verschiedensten Formen angeboten. Es gibt das herkömmliche Fahrsicherheitstraining, das vor allem (aber längst nicht nur) für Fahranfänger in Betracht kommt. Unter den Begriff Sicherheitstraining werden aber auch Veranstaltungen gefasst, bei denen auf einem abgegrenzten Streckenteil einer Rennstrecke zur Verbesserung des Fahrkönnens (nicht in Rennabsicht) das Fahrzeug mal richtig „ausgefahren“ werden kann. Daneben finden derartige Trainingseinheiten auch im Rahmen bestimmter Berufsfelder – z. B. bei der Bundeswehr – statt. Trainings können mit unterschiedlichsten Fahrzeugen durchgeführt werden, uns interessiert aber in erster Linie das Motorrad.

Rechtlich sind bei einem solchen Sicherheitstraining vor allem Unfälle von Interesse, die trotz vorheriger Einweisung durch Fachleute immer mal vorkommen können. Die Frage, ob der Veranstalter eines Sicherheitstrainings bzw. die Versicherung des Betroffenen oder der Fahrer selbst haftet, hat Gerichte schon des Öfteren beschäftigt.

Das Oberlandesgericht Koblenz hatte sich etwa in einem Fall von Fahrertraining mit dem Unfall eines Motorradfahrers zu befassen (Urteil vom 14.03.2011, Aktenzeichen: 12 U 1529/09). Der Betroffene war bei einer Veranstaltung in einer Linkskurve von einem anderen Fahrer, den er gerade überholt hatte, am Hinterrad getroffen worden und daraufhin gestürzt. Er verlangte deshalb Schadenersatz und Schmerzensgeld und klagte gegen den unfallverursachenden Mitfahrer und den Veranstalter. Der Unfallverursacher räumte im Berufungsverfahren seine Schuld an der Kollision ein. In rechtlicher Hinsicht beachtenswert ist aber die Frage einer Haftungsbeschränkung. Das vorinstanzliche Landgericht Koblenz entnahm den Teilnahmebedingungen des Veranstalters einen Haftungsverzicht der Teilnehmer untereinander, zudem nahm es einen stillschweigenden Haftungsausschluss an, da die Fahrer sicherheitsrelevante Teile an ihren Motorrädern abgeklebt hätten, wodurch kein Versicherungsschutz mehr bestanden hätte. Das Oberlandesgericht sprach dagegen aus, dass kein stillschweigender Haftungsausschluss bestanden hat, da es bei der Veranstaltung nicht um die Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten gegangen sei sondern in erster Linie um sichereres Fahren. Der Versicherungsschutz ist durch die Abklebungen nicht entfallen, da die Teile dafür für eine längere Dauer hätten abgeklebt werden müssen und nicht nur während der Veranstaltung. Da das Verschulden des Unfallverursachers deutlich überwog, wurde ihm die Haftung zugesprochen. Der Veranstalter war aber nicht „aus dem Schneider“, da die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt worden sind, d. h. der Kläger kann sich grundsätzlich „aussuchen“, von wem er den Schadensersatz beansprucht. 

Ein etwas anderer Sachverhalt, der schließlich vom OLG Brandenburg entschieden worden ist (Urteil vom 17.10.2013, Aktenzeichen: 12 U 55/13), betrifft einen Unfall beim Fahrsicherheitstraining auf Grund bestehenden Wehrdienst-/Berufssoldatenverhältnisses. Geklagt hatte die Bundeswehr als Dienstherrin aus übergegangenem Recht, Beklagte waren wiederum der Veranstalter und der Unfallverursacher. Ein Berufssoldat war im Rahmen eines dienstlichen Fahrsicherheitstrainings bei der Bundeswehr auf einem ehemaligen Flugplatzgelände mit einem Motorrad in einer Kurve gestürzt, weil der in geringem Abstand vor ihm Fahrende seinerseits zu Fall gekommen war. Dabei konnte nicht abschließend geklärt werden, ob der Betroffene mit dem seinen Fahrweg „kreuzenden“ (d. h. vorüberrutschenden) Motorrad zusammengestoßen oder wegen einer Vollbremsung aufgrund des vor ihm erfolgten Sturzes gefallen war. Dies konnte indes offen bleiben, da der „Vorstürzende“ die entscheidende Ursache für den Unfall gesetzt hatte. Dem nachträglich Gefallenen wurde aber eine erhebliche Mitschuld an seinem Sturz gegeben, weil er einen zu geringen Abstand zum Vordermann gehalten hatte, was zur Unfallverursachung zumindest beigetragen hatte. Bewertet wurde die Haftungsverteilung mit 60:40 zu Lasten des „Erststürzers“. 

Zusätzlich ging es auch hier um die Frage des Haftungsausschlusses. Das Anmeldeformular des Veranstalters des Fahrsicherheitstrainings hatte einen solchen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten. Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die einen Haftungsausschluss für Körperverletzungen und Gesundheitsbeschädigungen vorsieht, ist gesetzlich nach § 309 Nr. 7 Bürgerliches Gesetzbuch unzulässig. Die allgemeine Vereinbarung hierüber ist daher trotz Unterschrift der Beteiligten unwirksam. Der Veranstalter hatte deshalb auch hier mit zu haften.

Beim eigentlichen Sicherheitstraining kann der Veranstalter sich damit nicht auf allgemeine Haftungsausschlüsse oder -beschränkungen berufen. Bezüglich der Unterscheidung zwischen einem Rennen und einem Fahrsicherheitstraining hatte eine Versicherung in einem Fall mit einem verunfallten Porsche (Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 15.04.2014, Aktenzeichen: 12 U 149/13) ausdrücklich Letzteres von einer Haftungsausschluss-Klausel ausgenommen: Die Gefahren bei einem „freien Fahren“ zur Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten seien doch erheblich größer als bei Übungsfahrten, zumal wenn bei diesen eine Aufsichtsperson dabei ist, die eine gewisse Anleitung und Begleitung vornimmt.

Wenn auf einem nichtöffentlichen Gelände mit Motorrädern ohne Zulassung ein „Fahrtraining“ stattfindet, haben diese Maschinen dauerhaft keinen Versicherungsschutz, sodass im Falle eines Unfalls keine Haftpflichtversicherung besteht. 

Die Teilnahme an einem Fahrsicherheitstraining ist auch für „erfahrene“ Motorradfahrer nützlich. Besonders nach einer längeren Auszeit kann es nicht schaden, sich im Rahmen einer Übung die zuvor gewohnten Bewegungen und Fahrweisen erneut anzueignen. Versicherungen und Veranstalter solcher Trainingseinheiten können ihre Haftung aber nur in sehr begrenzter Form beschränken oder gar ganz ausschließen.