aus Kradblatt 2/22 von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
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Auch ohne Ausfallerscheinungen zur MPU
Wenn jemand bei einer Trunkenheitsfahrt erwischt wird, kann ihm die Fahrerlaubnis entzogen werden. Um eine neue zu erhalten, ist die Fahreignung nachzuweisen. Bei Zweifeln daran, kann die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (kurz MPU, umgangssprachlich als „Idiotentest“ bekannt) angeordnet werden.
Das Bundesverwaltungsgericht hat unlängst entschieden, dass die Beibringung zur Klärung von Zweifeln auch gefordert werden kann, wenn die Fahrt mit einem Kraftfahrzeug bei einer festgestellten Blutalkoholkonzentration (BAK) von unter 1,6 Promille erfolgte und der Betroffene trotz einer BAK von 1,1 Promille oder mehr, keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen (z. B. lallende Aussprache, ungeordnete Kleidung, unsicherer Gang, großspuriges Auftreten) gezeigt hatte. Ab 1,6 Promille ist die Behörde sogar verpflichtet, die Einholung einer MPU anzuordnen.
Einem Kfz-Fahrer war nach einer Fahrt mit einer BAK von 1,3 Promille die Fahrerlaubnis entzogen worden. Bei ihm wurden keine Ausfallerscheinungen nach dem Anhalten festgestellt. Etwa ein halbes Jahr später begehrte er die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis. Ihm wurde die Vorlage einer positiven MPU angeordnet, die er jedoch nicht beibrachte. Die Nicht-Vorlage eines solchen Gutachtens wurde dahingehend ausgelegt, dass der Betroffene Fahreignungsmängel habe verbergen wollen.
Gegen die Versagung einer neuen Fahrerlaubnis erhob der Fahrer Klage, die in erster Instanz abgewiesen wurde. Die Berufung führte zu einer Verpflichtung der Behörde, dem Betroffenen eine Fahrerlaubnis ohne Beibringung einer MPU zu erteilen.
Die beklagte Behörde legte hiergegen Revision ein. Das Bundesverwaltungsgericht entschied wiederum mit Urteil vom 17.03.2021 (Aktenzeichen: 3 C 3/20), dass das Berufungsurteil zu ändern sei, weil die Verweigerung der Fahrerlaubnis ohne Vorlegung eines Gutachtens berechtigt war.
Die Bundesverwaltungsrichter erklärten, dass es nicht richtig ist, dass das Fehlen von Ausfallerscheinungen bei einer Fahrt mit einer BAK von 1,3 Promille nicht genügen würde, um die Beibringung einer MPU zu fordern. Zur Klärung von Zweifeln an der Fahreignung ist bei einer Fahrt mit einer BAK von unter 1,6 Promille und dem Fehlen von alkoholbedingten Ausfallerscheinungen bei über 1,1 Promille ein Gutachten vorzulegen. Eine BAK von 1,1 Promille und mehr, ohne Ausfallerscheinungen, spricht für eine überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung und deshalb für eine erhöhte Wiederholungsgefahr bezüglich Fahrten unter alkoholischem Einfluss. Der Umstand, dass der Betroffene trotz des hohen Alkoholpegels keine Ausfallerscheinungen gezeigt hatte, darf als eine Tatsache gewertet werden, welche die Annahme von Alkoholmissbrauch begründet. Regelmäßig wäre bei einer Fahrt mit einer BAK von unter 1,6 Promille und ohne wiederholte Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr zwar eine Anordnung eines Gutachtens nicht ohne Weiteres gerechtfertigt. Das Fehlen von Auffälligkeiten, trotz einer BAK von 1,3 Promille, stellt aber einen zusätzlichen Umstand dar, der zu einer Gutachtenanordnung berechtigt.
Bei Personen, die aufgrund ihres Trinkverhaltens eine hohe Alkoholgewöhnung erreicht haben, besteht ein erhöhtes Risiko einer erneuten Trunkenheitsfahrt. Derart gewöhnte Trinker können oftmals die Auswirkungen ihres Alkoholkonsums auf ihre Fahrsicherheit nicht mehr realistisch einschätzen. An den Nachweis ihrer Fahreignung sind deshalb erhöhte Anforderungen wie das Vorlegen einer bestandenen MPU zu stellen.
Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt mit diesem Urteil die Linie mehrerer Oberverwaltungsgerichte. Die Entscheidung ist nachvollziehbar begründet und schafft Rechtssicherheit in einem speziellen Bereich. In der „Grauzone“ zwischen 1,1 und 1,6 Promille können zusätzliche Tatsachen die Anforderung der Beibringung eines Gutachtens zum Nachweis der Fahreignung rechtfertigen.
Aus der Entscheidung sollte man entnehmen, dass man grundsätzlich unter Alkoholeinfluss kein Fahrzeug mehr führen sollte. „Auf dem Bock nur ohne Bier“ muss von uns ernst genommen werden und für andere berauschende Getränke und Mittel gleichermaßen gelten.
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Kommentare
2 Kommentare zu “Rechtstipp 2/22 – Neues Urteil zur MPU („Idiotentest“)”
Danke für die Info!
Hallo, liebe Biker! Ich stelle fest, dass nun die ersten Führerscheinstellen tatsächlich dazu übergehen, eine MPU bereits bei einer BAK von 1,1 Promille anzuordnen.
Die Gewöhnung und das Trinktraining sind der springende Punkt bzw. die fehlenden Ausfallserscheinungen. Das ist jetzt nicht unbedingt ein Tipp der die Sicherheit im Straßenverkehr verbessert. Keiner von uns braucht, jemanden der uns besoffen umnietet! Aber denk darüber nach, wenn du bei 1,1 Promille noch gerade stehst ist der Lappen weg, wenn du bei der Polizeikontrolle lallst und torkelst, dann nicht.
Ich wünsche Euch schöne und nüchterne 🙂 Touren, bei hoffentlich bald, schönem Wetter. Herzlich Christina
Auf meiner Seite kannst du das Thema MPU Anordnung ab 1,1 Promille genauer durchlesen: https://mpu-schlich-bonn.de/mpu-wegen-trunkenheitsfahrt/