aus Kradblatt 12/17
von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
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Tempomessung mit Leivtec XV 3

Es gibt eine große Anzahl an Messgeräten auf dem deutschen Markt. Messgräte, die jedoch offensichtlich keine ordnungsgemäßen Messungen durchführen. So hat das Amtsgericht Ingbert, Urteil vom 26.04.2017, Aktenzeichen 2 Owi 379/16 entschieden, dass der Betroffene, der mit dem Messgerät Leivtec XV3, Version 2.0. gemessen worden wurde, freizusprechen ist.

Das Gericht bzw. der vom Gericht beauftragte Sachverständige stellte bei der Überprüfung der Messdaten fest, dass seit einem Update auf eine neue Softwareversion die bei jeder Messung anfallenden (bis zu 150) Messwerte nicht mehr gespeichert, sondern bis auf lediglich 5 Werte gelöscht bzw. überschrieben werden.

Das Gericht schlussfolgert daraus, dass einem Betroffenen, um qualifiziert Messfehler vorzutragen, Einblick in die jeweiligen Rohmessdaten gewährt werden müsste, ansonsten befinde er sich in einem unauflösbaren Teufelskreis.

Beachtenswert ist jedoch, dass die Vorversion 1.0 des Leivtec XV3 sämtliche Messpunkte speichert. So waren während des Messverlaufs sämtliche vom Gerät ermittelten Messwerte gespeichert worden, durch welche sich eine Plausibilitätsprüfung der angezeigten Geschwindigkeit durchführen ließ. Es konnte zudem eine sog. Regressionskurve angefertigt werden, anhand derer sich durch Auswertung der einzelnen Messpunkte die Geschwindigkeitsermittlung in einer Kurvenbildung nachprüfen ließ. Mit diesen Daten war es möglich, eine eingehende Überprüfung der Messung durchzuführen, wobei teilweise auch Abweichungen von 1–2 km/h, im Gegensatz zu im Messgerät angezeigtem Messergebnis, aufgetreten sind.

Nach dem Softwareupdate ist eine solche Überprüfung nicht mehr möglich. Denn die neue Version 2.0. speichert nur die Werte „Messung Start Distanz“, „Messung Ende Distanz“, „Auswertung Start Distanz“ und „Auswertung Ende Distanz“ sowie die „Auswertezeit“. Weitere Werte werden nicht gespeichert. Folglich kann keine Regressionskurve mehr erstellt werden, was wiederum dazu führt, dass keine nachvollziehbare Überprüfung der Messung mehr stattfinden kann.

Dabei ist die Überprüfung der Messung ein wesentlicher Teil, wenn man sich gegen den Bußgeldbescheid zur Wehr setzt. So kann der Betroffene die Verwertbarkeit der Messung mit der Begründung angehen, dass durch eine Softwareerneuerung während der Messung erhobene Daten nicht mehr gespeichert werden, so dass eine unabhängige Auswertung der Messung durch einen Sachverständigen nicht mehr möglich ist. Denn gerade dies verstößt gegen das Rechtsstaatsprinzip und das Recht auf ein faires Verfahren, da ihm, dem Betroffenen, verwehrt wird, im Rahmen des standardisierten Messverfahrens konkrete Messfehler aufzuzeigen. Dies ist zudem auch die Pflicht des Betroffenen, so dass er sich durch die Nichtspeicherung der Messdaten nicht mehr gegen den Tatvorwurf verteidigen kann.

Der Hersteller hingegen wendet ein, dass es sich bei den nicht mehr gespeicherten Daten um reine Simulationsdaten handele, die keine Bedeutung für das Messergebnis haben und daher nicht mehr gespeichert werden würden, auch um fehlerhaften Überprüfungen durch Sachverständige entgegenzuwirken. Weiter führt der Hersteller aus, dass diese Daten ausschließlich zur Entwicklung und Verbesserung des Messgerätes in der Vorgängerversion gespeichert worden sind.

Auch das Gericht ist davon überzeugt, dass die als Simulationsdaten deklarierten Daten während der Messung gebildete Messwerte darstellen, anhand derer sich das Messergebnis nachvollziehen lässt. Denn Sinn und Zweck des standardisierten Messverfahrens ist es, dass das Gericht nicht bei jeder einzelnen Geschwindigkeitsmessung den Beweis durch ein Sachverständigengutachten führen muss, dass diese fehlerlos erfolgt ist. Denn werden dem Betroffenen sämtliche taugliche Mittel zur Überprüfung der Messung zur Verfügung gestellt, kann er im Vorfeld einer gerichtlichen Hauptverhandlung eine Messung durch einen von ihm beauftragten Sachverständigen überprüfen lassen.