aus Kradblatt 12/23 von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
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Aufklärungspflicht versäumt?

Wenn wir mit unseren zugelassenen Fahrzeugen einen Verkehrsunfall verursachen, zahlt unsere Krafthaftpflichtversicherung den Schaden des Unfallgeschädigten. Wird gegenüber der eigenen Versicherung aber nicht umfassend über den Schadensfall aufgeklärt, kann es zu einer Rückforderung kommen. Das Amtsgericht Erkelenz erklärte dies mit Urteil vom 02.03.2023 (Aktenzeichen: 8 C 19/22) auf die Klage der Versicherung hin für rechtmäßig.

Der Unfallverursacher hatte mit der späteren Klägerin einen Krafthaftpflichtversicherungsvertrag geschlossen. Darin heißt es zur Aufklärungspflicht: „Sie sind verpflichtet, alles zu tun, was der Aufklärung des Schadenereignisses dienen kann. Dies bedeutet insbesondere, dass Sie unsere Fragen zu den Umständen des Schadenereignisses wahrheitsgemäß und vollständig beantworten müssen und den Unfallort nicht verlassen dürfen, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen. Sie haben unsere für die Aufklärung des Schadenereignisses erforderlichen Weisungen zu befolgen“. Eine Verletzung dieser Pflichten kann nach einer weiteren Klausel des Vertrages zur Leistungskürzung oder gar Leistungsfreiheit führen, d.h. die Versicherung müsste weniger oder überhaupt nicht zahlen.

Der Versicherungsnehmer und spätere Beklagte verursachte mit seinem Fahrzeug einen Unfall und verließ den Unfallort, ohne seine Daten zu hinterlassen. Die Polizei ermittelte ihn und traf ihn am selben Tag alkoholisiert zu Hause an, der Blutalkoholgehalt betrug 2,14 Promille. Die Versicherung zahlte dem Geschädigten den Schadensbetrag.

Anschließend forderte die Versicherung den Schädiger zur Rückzahlung dieser Versicherungsleistungen auf. Da er nicht zahlte, erhob sie gegen ihn Klage.

Der beklagte Versicherungsnehmer gab an, dass er erst nach dem Unfall zuhause erheblich Alkohol getrunken hatte, um seine Nerven zu beruhigen – ein sogenannter „Nachtrunk“. Das unerlaubte Entfernen vom Unfallort stritt er nicht ab. Gegen die Klage seiner Versicherung wandte er ein, dass der von dieser regulierte Schaden nicht so hoch gewesen sein könne.

Das Amtsgericht Erkelenz sprach der Versicherung einen Regress­anspruch gegen den Versicherungsnehmer in Höhe der gezahlten Versicherungsleistungen zu. Die eingeräumte Fahrerflucht des Beklagten stellte einen vorsätzlichen Verstoß gegen die vertragliche Aufklärungspflicht gegenüber seiner Versicherung dar. Durch das unerlaubte Entfernen von der Unfallstelle und den von ihm behaupteten Nachtrunk entsteht der Versicherung ein Feststellungsnachteil, da der Blutalkoholgehalt zur Unfallzeit nicht zuverlässig ermittelt werden konnte und daher nicht feststellbar war, ob der Beklagte bei dem Unfall unter Alkohol- oder Drogeneinfluss stand und seine Fahrtüchtigkeit hierdurch eingeschränkt war. Die Frage des Alkohol- oder Drogeneinflusses zum Zeitpunkt des Unfalls kann aber für die Versicherung des Schädigers einen wichtigen Punkt für die Feststellung des Versicherungsfalls und den Umfang der Leistungspflicht bedeuten. Daher stellt ein Nachtrunk zusammen mit dem Verlassen des Unfallortes eine Verletzung der Pflicht, zur Aufklärung des Unfalls und zur Beweissicherung beizutragen, dar. Da die Einwände des Versicherungsnehmers zur Höhe des Schadens nicht griffen, wurde er zur Rückzahlung der Versicherungsleistungen verurteilt.

Im Falle eines verschuldeten Verkehrsunfalls sollten wir daher am Unfallort bleiben und die notwendigen Feststellungen ermöglichen. Vor allem ist es schädlich, nach Hause zu fahren und dort „auf den Schreck“ wesentlich Alkohol zu trinken. Der vorliegende Fall zeigt, dass man sonst trotz einer Krafthaftpflichtversicherung den verursachten Schaden selbst begleichen bzw. an seine Versicherung zurückzahlen muss. Es ist am besten, mit der eigenen Versicherung gut zusammenzuarbeiten, damit die Leistung durch diese erbracht und nicht zurückgefordert werden kann.