aus Kradblatt 12/21 von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
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Uneinheitliche Entscheidungen von Gerichten

Sogenannte Dashcams am Motorrad dienen nicht in erster Linie dem Abfilmen der durchfahrenen schönen Landschaft, sondern vorwiegend dem Beweis im Falle eines Unfalls. Dass Letzteres vor Gericht nicht immer funktioniert, zeigt eine Entscheidung des Landgerichts Mühlhausen vom 12.05.2020 (Aktenzeichen: 6 O 486/18). Das Gericht äußerte sich zudem zum Haftungsausschluss bei Motorradunfällen.

Der geschädigte Kradfahrer hatte an einem Motorradtreffen teilgenommen. Auf der Strecke galt, wegen vorheriger Erfahrungen mit Unfällen und Lärmbelästigungen neben einem Wochenendfahrverbot für Biker eine deutliche Herabsetzung der zugelassenen Höchstgeschwindigkeit. Der betroffene Motorradfahrer befuhr bei besagtem Event mehrfach die kurvige Strecke und überschritt dabei die Höchstgeschwindigkeit. Auf einer seiner Fahrten kam ihm ein anderer Biker entgegen und schnitt die Kurve, worauf der Geschädigte bremste und stürzte. Er verlangte nun Schadensersatz von dem entgegenkommenden Fahrer.

Das Landgericht Mühlhausen lehnte die Klage ab. Es befand, dass der betroffene Biker durch eine übermäßige Straßennutzung keinen Anspruch auf Schadensersatz hätte. Es seien die Grundsätze für besonders gefährliche Sportarten wie Motorradrennen anzuwenden, sodass ein Haftungsausschluss wegen der eigenen rücksichtslosen Fahrweise des Betroffenen gelten würde. In einer Konstellation, wie der vorliegenden müsse jeder Beteiligte das Risiko eines Unfalls selbst tragen. 

Es gibt Gerichte, die einen Haftungsausschluss ablehnen. Im vorliegenden Fall, in dem der Geschädigte nachweislich zu schnell gefahren war, kann die Entscheidung über den Ausschluss einer Haftung aber durchaus als noch vertretbar angesehen werden. Zudem ergab sich ein Nachweisproblem. Der geschädigte Zweiradfahrer hatte den Unfall auf seiner Dashcam aufgezeichnet und wollte die Aufzeichnung als Beweismittel in den Prozess einbringen. Das Landgericht Mühlhausen ließ einen Beweis durch die Aufnahmen der Dashcam nicht zu. Aufzeichnungen eines Unfalls durch eine Dashcam – so das Gericht – verstießen gegen die Datenschutzgrundverordnung, wenn sie ohne Einwilligung des Unfallgegners angefertigt worden waren. Sollten derartige Aufzeichnungen als Beweismittel Verwendung finden können, müsse der Gesetzgeber dies ausdrücklich genehmigen. Zudem müsste zwecks Beurteilung des gesamten Unfallgeschehens eine durchgehende Aufzeichnung des Verkehrsgeschehens erfolgt sein, damit das ganze Verkehrsverhalten des Klägers und anderer Verkehrsteilnehmer rechtlich richtig gewürdigt werden könne.

Der Bundesgerichtshof hatte dies mit Urteil vom 18.05.2018 (Aktenzeichen: VI ZR 233/17) anders gesehen. Zwar wird dort auch ein Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung durch anlasslose Aufzeichnungen einer Dashcam angenommen, dennoch könne eine Verwertung als Beweismittel im Zivilprozess zulässig sein. 

Der Bundesgerichtshof vertrat die Auffassung, dass eine Interessenabwägung zwischen dem Recht des Einzelnen auf Schutz seiner Daten (sogenanntes Recht auf informationelle Selbstbestimmung) und dem aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Erfordernis einer funktionstüchtigen Rechtspflege vorgenommen werden müsse. Er stellte in der Entscheidung ausführlich die gegensätzlichen Meinungen in Rechtsprechung sowie Literatur dar und kam nach einer umfassenden Abwägung zu dem Schluss, dass im Falle einer Dashcam-Aufzeichnung als Beweismittel für ein Unfallereignis, der Wahrheitsfindung der Vorrang vor dem verhältnismäßig geringen Eingriff in das Recht des Unfallgegners einzuräumen sei.

Das Landgericht Mühlhausen sah dies anders, stellte verstärkt auf den Datenschutz ab und wünschte sich eine gesetzliche Klarstellung. 

Die immer mehr verbreiteten Dashcams stellen somit die Rechtsprechung vermehrt vor erhebliche Probleme, die eigentlich vom Gesetzgeber gelöst werden müssten. Unklarheiten bei der Frage, ob die Aufzeichnungen als Beweis dienen können, sollten nicht von der Ansicht des jeweiligen Gerichts abhängen. Es ist rechtsstaatlich nicht zu verantworten, dass Gerichte hierüber gegensätzlich entscheiden.