aus Kradblatt 11/25 von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
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Rechtsstreit nach Spurwechsel
Speziell bei hohem Verkehrsaufkommen kommt es vermehrt zu Unfällen auf Schnellstraßen und Autobahnen und immer wieder wird darüber gestritten, wer hieran Schuld hat.
In der Rechtsprechung unserer Gerichte ist anerkannt, dass bei sogenannten Auffahrunfällen der erste Anschein dafür spricht, dass der Auffahrende den Unfall schuldhaft dadurch verursacht hat, dass er entweder den erforderlichen Sicherheitsabstand gemäß § 4 Abs. 1 StVO nicht eingehalten hat, unaufmerksam war gemäß § 1 StVO oder mit einer unangemessenen, den Straßen- und Sichtverhältnissen nicht angepasster Geschwindigkeit gefahren ist gemäß § 3 Abs. 1 StVO.
Das Oberlandesgericht Celle (Urteil vom 11.12.2024-14U91/3) hatte einen Streitfall, bei dem es zu einem Unfall auf einer innerörtlichen Schnellstraße kam, zu entscheiden.
Der Kläger sowie die Beklagte fuhren mit ihren Fahrzeugen im linken Fahrstreifen. Streitig ist, ob die Beklagte kurz vor dem Verkehrsunfall von der rechten in die linke Fahrspur gewechselt hat.
In diesem Fall behauptete der Kläger, er sei auf der linken Fahrspur gefahren, vor ihm sei noch ein Zeuge unterwegs gewesen. Die Beklagte soll zunächst auf der rechten Fahrspur gefahren sein und dann unvermittelt ohne Betätigung des Fahrtrichtungsanzeigers die Spur gewechselt haben. In diesem Moment soll der vor dem Kläger fahrende Zeuge verkehrsbedingt aufgrund eines Staus abgebremst haben. Die Beklagte fuhr dann auf das abbremsende Fahrzeug des Zeugen auf.
Der Kläger behauptet, durch die erhebliche Verkürzung des Sicherheitsabstandes habe er trotz einer Gefahrenbremsung ein Auffahren auf den Pkw der Beklagten nicht mehr verhindern können. Die Beklagte behauptet, keinen Fahrspurwechsel vorgenommen zu haben, sondern verkehrsbedingt abgebremst zu haben. Sie sei dann dem Zeugen aufgefahren und zum Stehen gekommen. Der Zeuge bestätigte zwar, dass die Beklagte zunächst auf der rechten Fahrspur mit ihrem Fahrzeug fuhr und dann auf die linke Fahrspur wechselte. Den Unfall hat der Zeuge jedoch nicht gesehen.
Das erstinstanzliche Landgericht holte trotz eines Antrages des Klägers kein Sachverständigengutachten zum Unfallverlauf ein. Das Landgericht verurteilte vielmehr die Beklagte aufgrund der Aussage des Zeugen, dass diese zuvor einen Fahrspurwechsel durchgeführt habe zum vollen Schadensersatz. Die Beklagte legte daraufhin das Rechtsmittel der Berufung ein.
Das Oberlandesgericht Celle hatte folglich über diesen Fall zu entscheiden und holte das erstinstanzlich nicht eingeholte Sachverständigengutachten zum Unfallverlauf ein. Der Sachverständige sollte dazu Stellung nehmen, ob der Unfall für den Kläger sowie die Beklagte unabwendbar war. Der Sachverständige konnte die Unabwendbarkeit, d. h. dass sich beide oder einer von beiden jeweils wie eine Idealfahrer/Idealfahrerin verhalten hat, nicht ermitteln. Folglich konnte keiner der beiden dies beweisen. Der Kläger konnte zudem nicht beweisen, dass ihm ein rechtzeitiges Abbremsen nicht möglich war. Der Sachverständige schloss nämlich aus, dass der Kläger durch den Fahrspurwechsel eine Bremswegverkürzung hatte. Der Kläger konnte auch nicht durch das Sachverständigengutachten beweisen, dass der Spurwechsel der Beklagten in einem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Unfall erfolgt war.
Letztendlich urteilte das Oberlandesgericht Celle, dass die Beklagte Mithaftung i.H.v. 33% tragen müsse, die die Beklagte auch akzeptierte.
Ihr solltet immer den erforderlichen Abstand halten und diesen auch den Straßenverkehrsverhältnissen sowie den Wetterverhältnissen anpassen. Ein Fahrspurwechsel sollte nur vorgenommen werden, wenn dies ohne Gefährdung eines Dritten auch möglich ist. Reinquetschen in zu kleinen Lücken führt zur Mithaftung und kostet Geld.
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