aus Kradblatt 11/24 von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
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Alkohol am Steuer wird meistens teuer …

Fahren unter Alkoholeinwirkung ist so was von „out“ – trotzdem können es manche Menschen nicht lassen. Mit entsprechenden Folgen … 

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hatte mit Urteil vom 25.01.2024 (Aktenzeichen: 26 U 11/23) über einen Fall zu entscheiden, in dem ein „ganz erheblich“ alkoholisierter Autofahrer – i.d.F. 0,96 Promille – eine Fußgängerin anfuhr, die bei ausgeschalteter Ampel die Straße überquerte, obwohl sie den Pkw vorher hätte sehen müssen. Die Fußgängerin wurde schwer verletzt. 

Das Landgericht  Gießen hatte den Autofahrer bei einer Haftungsquote in Höhe von 50 Prozent zur Zahlung  von Schadensersatz und Schmerzensgeld verurteilt. Beide Parteien legten dagegen Berufung ein.

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main stufte das Verschulden des Autofahrers deutlich höher ein und verurteilte ihn zu einer Haftungsquote von 75 Prozent. 

Gegen den angetrunkenen Pkw-Fahrer wendete das Gericht einen so genannten Anscheinsbeweis an, bei dem der von diesem Getroffene – hier: der Beklagte – beweisen muss, dass der erste Anschein des Geschehens nicht zutrifft. 

Wenn sich ein Unfall ereignet, bei dem ein alkoholisierter Beteiligter ohne die Trunkenheit die Verkehrslage hätte meistern können, spricht der Anscheinsbeweis für die Unfallursächlichkeit des Alkoholkonsums. Der beklagte Autofahrer konnte diesen Beweis des ersten Anscheins nicht erschüttern. Ihm wurde zur Last gelegt, dass er gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot des § 1 Absatz 2 Straßenverkehrsordnung verstoßen hatte, weil er die Fußgängerin beim Betreten der Fahrbahn gesehen und trotzdem nicht gebremst hatte. Zudem wurde seine wesentliche Alkoholisierung gegen ihn gewichtet. Dabei stellte das Gericht klar, dass sich der Beklagte nicht auf den Vertrauensgrundsatz berufen konnte, nach dem ein Verkehrsteilnehmer, der sich verkehrsgerecht verhält, darauf vertrauen darf, dass sich andere am Straßenverkehr Teilnehmende ebenfalls an die Verkehrsregeln halten. 

Im vorliegenden Fall wurde dem Autofahrer dieser Vertrauensgrundsatz abgesprochen, da er zum einen die Klägerin in einer Fußgängergruppe wahrnehmen und ihr Verhalten hätte sehen können, zum anderen, da er alkoholisiert ein Fahrzeug geführt hatte, was als einer der schwersten Verkehrsverstöße überhaupt angesehen wird. Wer wie der Beklagte angetrunken ein Kraftfahrzeug führt, handelt danach grob pflichtwidrig und kann deshalb nicht den Vertrauensgrundsatz für sich in Anspruch nehmen.

Der als Fußgängerin am Verkehr teilnehmenden Klägerin wurde ein Mitverschulden in Höhe von 25 Prozent angerechnet. Sie hätte sich bei ausgeschalteter Ampel vor dem Betreten der Fahrbahn vergewissern müssen, dass sich kein Fahrzeug nähert. Da der Pkw des Beklagten für die Klägerin vor dem Ansetzen zum Überqueren der Straße zu erkennen gewesen wäre, trifft sie eine Mitverantwortlichkeit.

Bei der notwendigen Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensbeiträge fiel das  überwiegende Gewicht dem Beklagten zu. Seine durch den Alkoholkonsum erheblich eingeschränkte Fahruntüchtigkeit und das Kollidieren mit der sich erkennbar auf der Fahrbahn befindlichen Klägerin wurden als entscheidende Ursachen des Unfalls gewertet, gegen die das Fehlverhalten der Fußgängerin ein deutlich geringeres Gewicht hat.

Die bekannte Formel „don’t drink and drive!“ ist danach sehr ernst zu nehmen. Das vorliegende Urteil zeigt, dass Trunkenheitsfahrten im Zweifels- bzw. Streitfall stets zum Nachteil des Ange- oder Betrunkenen führen. Also vor dem Führen eines Fahrzeugs: Hände und Mund weg vom Alkohol und auch den Restalkohol der letzten Partynacht nicht unterschätzen!