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Auf das richtige Timing kommt es an …

Wer hätte geglaubt, dass das Lutschen eines Bonbons eine polizeiliche Atemalkoholmessung ungültig machen kann? Das Oberlandesgericht Dresden hatte unlängst über einen solchen Fall zu entscheiden.

Ein Autofahrer war vom Amtsgericht Dippoldiswalde wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss zu einer Geldbuße in Höhe von EUR 1.000,00 verurteilt und ein Fahrverbot für die Dauer von drei Monaten gegen ihn verhängt worden. Dabei wurde festgestellt, dass der Betroffene einen Pkw mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,26 mg/I – das sind 0,52 Promille – geführt habe. Das Amtsgericht führte aus, dass es nicht ausgeschlossen werden konnte, dass der Betroffene während der Kontrollzeit von zehn Minuten vor Beginn der Messung ein Lutschbonbon  der Marke „Fisherman’s Friend“ im Mund hatte. Dieses hatte er zu Beginn der Messung verschluckt. Durch ein eingeholtes Gutachten sei überzeugend nachgewiesen worden, dass das Lutschen des Bonbons in der Kontrollzeit keinen Einfluss auf die Messung hatte.

Diese Entscheidung konnte das Oberlandesgericht Dresden in seinem Beschluss vom 28.04.2021 (Aktenzeichen: 22 Ss 672/20 (B)) nicht halten und sprach den Autofahrer frei. Bei der Bestimmung der Atemalkoholkonzentration handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren, bei dem nur Messgeräte eingesetzt und Messmethoden angewendet werden dürfen, die den im Gutachten des Bundesgesundheitsamtes gestellten Anforderungen genügen. Damit ist ein Gutachten von Günter Schoknecht „Beweissicherheit der Atemalkoholanalyse“ aus dem Jahr 1992 gemeint. Für das Messverfahren ist eine Kontrollzeit von zehn Minuten vor der Messung vorgeschrieben. Diese Kontrollzeit von zehn Minuten dient dazu, die Gefahr der Verfälschung der Messwerte durch Mundrestalkohol auf das Messergebnis auszuschließen. In der  Kontrollzeit muss gewährleistet sein, dass der Betroffene keinerlei Substanzen durch Mund oder Nase zu sich genommen hat, d.h. der zu Kontrollierende darf nichts mehr gegessen, getrunken oder geschnupft haben. Wird diese Kontrollzeit von zehn Minuten nicht eingehalten, muss dies zumindest in den Fällen, in denen der Grenzwert gerade erreicht oder nur ganz geringfügig überschritten worden ist, zur Unverwertbarkeit der Messung führen. Die Hinzuziehung eines Sachverständigen kann nichts daran ändern, dass die Messung unverwertbar ist. Daher konnte im zugrunde liegenden Fall nicht nachgewiesen werden, dass der Betroffene unter Alkoholeinfluss gefahren war und sich damit ordnungswidrig verhalten hätte. Das Oberlandesgericht Dresden sprach den Autofahrer frei, weil der Senat es für ausgeschlossen hielt, dass nach einer Zurückverweisung der Sache in einer neuen Hauptverhandlung zusätzliche Erkenntnisse hervortreten könnten, nach denen der Betroffene zu verurteilen wäre.

Die Frage der zehnminütigen Kontrollzeit wird allerdings von Gerichten durchaus unterschiedlich behandelt. Das Oberlandesgericht Hamm spricht sich in seinem Beschluss vom 24.01.2008 (Aktenzeichen: 2 Ss OWi 37/08) für eine generelle Unverwertbarkeit aus, wenn der Grenzwert der Atemalkoholkonzentration gerade erreicht oder nur geringfügig überschritten wurde. Das Oberlandesgericht Stuttgart nimmt dagegen im Beschluss vom 02.07.2010 (Aktenzeichen: 4 Ss 369/10) an, dass eine Verwertbarkeit nicht generell ausgeschlossen sei. Es müsse mit Hilfe eines Sachverständigen ein angemessener Sicherheitsabschlag vom Messergebnis vorgenommen werden, jedenfalls dann, wenn das Messergebnis um mindestens 20 Prozent oberhalb des Grenzwerts von 0,25 mg/l liege. Das Oberlandesgericht Karlsruhe entschied im Beschluss vom 15.10.2015 (Aktenzeichen: 2 (7) SSBs 499/15 – AK 151/15), dass die Nichteinhaltung der Kontrollzeit bei einer Atemalkoholmessung zu keinem Verwertungsverbot führe, wenn der Grenzwert nicht nur gerade erreicht oder nur geringfügig überschritten wurde.

Rechtmäßig dürfte allein eine generelle Nichtverwertbarkeit sein, weil von einem standardisierten Messverfahren nur gesprochen werden kann, wenn dessen sämtliche Anforderungen strikt eingehalten werden. Dies schließt die genannte konsumfreie Kontrollzeit von zehn Minuten vor der Messung ein.

Diese Ausführungen sollen mitnichten zu einem Fahren unter Alkoholeinfluss bei  Mitführen und anlassbezogener Einnahme von Lutschbonbons der Marke „Fisherman’s Friend“ verleiten. Geschulte Polizeibeamte sollten über die Kontrollzeit informiert sein, den Mund- und Rachenraum eines Betroffenen kontrollieren und die Zeit abwarten können. Vor Gericht ist die Handhabung der Kontrollzeit – wie beschrieben – verschieden. Einem ärgerlichen Bußgeld und Fahrverbot wegen einer Alkoholfahrt entgeht man deshalb am besten, wenn man gänzlich ohne Alkohol fährt.