aus Kradblatt 11/15 – Rechtstipp von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen, www.janschweers.de

Wer haftet bei Unfällen in der Gruppe?

Die Motorradsaison neigt sich dem Ende zu. Viele von euch denken sich: Jetzt schnell noch die letzten Sonnenstrahlen genießen und eine gemeinsame Motorradfahrt unternehmen.

Keine Frage, gemeinsam als Gruppe, dem so genannten Pulk, macht das Motorradfahren noch mehr Spaß. Das Gemeinschaftsgefühl wird gestärkt, es stehen tolle Stunden mit Freunden oder der Familie an. Doch der Spaß und die Freude können leider dann schnell gedämpft werden, wenn es innerhalb des Pulks zu einem Unfall kommt. Es stellen sich dann Fragen wie: Wer ist Schuld am Unfall? Von wem und auf welchem Wege erhalte ich evtl. Schadensersatzansprüche? Was muss ich nach dem Unfall tun?

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main (Urteil vom 18.08.2015, Az. 22 U 39/14) hat sich mit einem Fall auseinandergesetzt, bei dem ein Motorradfahrer, der in einer Gruppe von vier Motorradfahrern verunfallte und Schadensersatzansprüche gegen einen anderen Motorradfahrer aus der Gruppe geltend gemacht hat.

Die Gruppe war in einem Pulk unterwegs. Der erste Fahrer ist mit einem entgegenkommenden Fahrzeug zusammengestoßen. Der dahinter befindliche zweite Motorradfahrer stürzte auch und verletzte sich. Der zweite Motorradfahrer ging nun gegen den dritten Motorradfahrer vor und warf ihm vor, dass er nur deshalb gestürzt sei, weil dieser auf sein Heck aufgefahren sei. Dies sei dadurch bedingt, weil der dritte Motorradfahrer nicht genügend Sicherheitsabstand zu ihm, dem zweiten Motorradfahrer, eingehalten habe.
Nachdem das Landgericht Darmstadt die Klage des zweiten Motorradfahrers auf Schadensersatz gegen den dritten Motorradfahrer abgewiesen hatte, legte dieser Berufung beim Oberlandesgericht ein. Dies blieb jedoch erfolglos.

Das OLG wies die Berufung mit der Begründung zurück, dass eine Haftung des dritten Motorradfahrers nach § 7 StVG ausscheide, selbst wenn der dritte Motorradfahrer den Sicherheitsabstand unterschritten habe. Das OLG führte aus, dass bei Fahrten in einem Pulk grundsätzlich von einem sogenannten stillschweigenden Haftungsverzicht für Gefährdungshaftung und leichte Fahrlässigkeit auszugehen ist. Denn die Nichteinhaltung des Sicherheitsabstandes, beispielsweise als „typische“ gemeinsame Regelverletzung, führt nämlich dazu, dass ein Verzicht auf Schadensersatzansprüche damit einhergeht. Dies führt dazu, dass die Motorradfahrer untereinander im Falle eines Unfalls in der Gruppe, keinerlei Ansprüche gegeneinander stellen können. Andernfalls müssten die Motorradfahrer eine anderslautende, ausdrückliche, schriftliche Vereinbarung vor Antritt der Fahrt treffen. Solange dies aber nicht geschieht, gilt der stillschweigende Haftungsverzicht.

Mit anderen Worten: Solange ihr in einer Gruppe unterwegs seid wo z. B. die Unterschreitung des Sicherheitsabstands von jedem Motorradfahrer begangen und somit als Regelverletzung toleriert wird, wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass ihr einen stillschweigenden Haftungsverzicht eingeht und damit auf Ansprüche aus Gefährdungshaftung und leichter Fahrlässigkeit verzichtet. Das bedeutet, dass bei typischen Situationen, wie der Unterschreitung des Sicherheitsabstandes innerhalb des Pulks und eines daraufhin geschehen Unfalls, der verunfallte Motorradfahrer keine Schadensersatzansprüche gegen den vermeintlichen Unfallverursacher geltend machen kann. Nur wenn eine anderslautende schriftliche Vereinbarung vor Fahrtantritt vorliegt, liegt die Situation anders. Ebenfalls verhält es sich so bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz.

Bei sportlichen Wettbewerben mit nicht unerheblichem Gefahrenpotenzial, bei denen typischerweise auch bei Einhaltung der Regeln oder bei geringfügigen Regelverletzung die Gefahr gegenseitiger Schadenszufügung besteht, ist die Inanspruchnahme des Schädigers für solche Schäden des Mitbewerbers ausgeschlossen, die er ohne die gewichtige Regelverletzung im Sinne grober Fahrlässigkeit verursacht hat.

In diesem Sinne sollten Motorradfahrer untereinander Regeln aufstellen. Regeln betreffend der Fahrweise innerhalb des Pulks und der Einhaltung des Sicherheitsabstandes. Fahrt ihr regelmäßig mit den selben Personen in einem Pulk, so macht eine schriftliche Vereinbarung, über die im Pulk geltenden Regeln Sinn, um so, im Falle eines Unfalls, nicht wertvolle Schadensersatzansprüche gegen den Unfallverursacher zu verlieren. Ganz wichtig ist hierbei, dass die Vorschriften des Straßenverkehrs eingehalten werden!

Das Motorradfahren in der Gruppe ist zwar mit großer Freude verbunden, birgt aber leider auch Streitpotenzial im Schadenfall.