aus Kradblatt 10/17
von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
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MPU bei erster Trunkenheitsfahrt unter 1,6 Promille

Wer betrunken ein Kraftfahrzeug führt, ist zu Recht schnell die Fahrerlaubnis los. Das dürfte jedem bekannt sein. Doch in der Vergangenheit bestand Streit darüber, ob nach einer strafgerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis, die auf der Teilnahme am Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss beruhte, im Wiedererteilungsverfahren – unabhängig von der BAK (Blutalkoholkonzentration) – die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (MPU) ohne Ermessensspielraum erforderlich ist oder nicht.

Hierüber hatte nun das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 06.04.2017, 3 C 24.15 und 3 C 13.16) zu entscheiden.

Der Fall:

Zwei Autofahrer wurden mit 1,28 und 1,13 Promille wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr nach § 316 StGB durch ein Strafgericht verurteilt, eine Geldstrafe zu zahlen. Ihnen wurde zusätzlich nach § 69 StGB die Fahrerlaubnis entzogen. Als die beiden Autofahrer später die Neuerteilung der Fahrerlaubnis beantragen wollten, erhielten sie von der Fahrerlaubnisbehörde die Aufforderung, ein Gutachten über ihre Fahreignung vorzulegen, die sog. MPU. Die Autofahrer weigerten sich, diese Gutachten beizubringen und erhoben Klage. In beiden Fällen ist die Klage auf Erteilung der Fahrerlaubnis ohne vorherige MPU in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Die Kläger legten Revision gegen das Urteil der Vorinstanzen ein. So ging der Fall bis nach Leipzig zum Bundesverwaltungsgericht (BVerwG).

Das Bundesverwaltungsgericht entschied – als letzte Instanz in Deutschland – dass die Behörde bei der Neuerteilung nicht ohne Weiteres auf eine MPU bestehen darf, wenn man mit weniger als 1,6 Promille ein Fahrzeug führte. Den beiden Klägern sei die Fahrerlaubnis auch ohne Gutachten zu erteilen, so das Gericht. Eine einmalige Trunkenheitsfahrt rechtfertige, ohne das Hinzutreten weiterer aussagekräftiger Tatsachen für eine zukünftige Trunkenheitsfahrt, erst ab einer BAK von 1,6 Promille die Anforderung eines Gutachtens. Die strafgerichtliche Entziehung einer Fahrerlaubnis wegen einer Trunkenheitsfahrt sei somit kein eigenständiger, von der 1,6 Promille-Grenze unabhängiger Sachgrund für die Anforderung eines Gutachtens.

Die Entscheidung aus Leipzig bringt nun Klarheit und Rechtssicherheit. Sie verhindert zudem, dass zweierlei Recht in Deutschland gilt.

Für die Praxis bedeutet das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes, dass eine Anordnung einer MPU nur dann erfolgen darf, wenn konkrete Tatsachen vorliegen, die darauf schließen lassen, dass es zukünftig zu weiteren Trunkenheitsfahrten durch den Fahrzeugführer kommen könnte. Dies könnten z.B. Erkenntnisse der Behörde sein, dass eine Person regelmäßig trinkt. Jedoch sind diese Tatsachen nicht allein in der strafgerichtlichen Entziehung zu sehen.

Mit anderen Worten: Wird die Fahrerlaubnis unter Anwendung des § 316 StGB entzogen, liegt der BAK-Wert zur Tatzeit jedoch unter 1,6 Promille, kann im Regelfall somit keine MPU im Neuerteilungsverfahren durch die Fahrerlaubnisbehörde verlangt werden. Anders ist es jedoch dann, wenn konkrete Tatsachen vorliegen, die zukünftige Trunkenheitsfahrten befürchten lassen. Wegen der aktuellen Entscheidung des BVerwG lohnt es sich also nun für die Betroffenen, gegen die bis dahin ausgeübte Praxis der Fahrerlaubnisbehörde vorzugehen, um im Rahmen der Wiedererteilung bzw. Neuerteilung der Fahrerlaubnis keine MPU vorlegen zu müssen, soweit die BAK zum Tatzeitpunkt unter 1,6 Promille lag und keine weiteren konkreten Tatsachen auf eine zukünftige Trunkenheitsfahrt schließen lassen.

Der Weg der Wieder-/Neuerteilung der Fahrerlaubnis ist mühsam. Aber es lohnt sich auf jeden Fall für den Betroffenen gegen die pauschalen Anordnungen der Fahrerlaubnisbehörden zur Beibringung einer MPU vorzugehen.

Auch wenn es müßig ist, bedarf es offenbar der ständigen Wiederholung: „Bei Alkohol Hände weg vom Steuer!“