aus Kradblatt 10/19 von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
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Ist das rechtens?
Führerscheinentzug bei nicht verkehrsbezogener Straftat?

Dieses Mal soll es um eine noch recht „junge“ Vorschrift gehen, die zunächst den Anschein erwecken kann, dass sie gegen uns motorisierte Verkehrsteilnehmer wäre. Eine aktuelle Entscheidung hierzu zeigt aber, dass sie für den Betroffenen durchaus Positives bewirken kann.

Am 24. August 2017 trat eine geänderte Fassung des Fahrverbots nach § 44 Strafgesetzbuch in Kraft. 

Bislang sah die Regelung vor, dass das Gericht jemandem, der wegen einer Straftat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, neben Freiheits- oder Geldstrafe für eine bestimmte Dauer verbieten kann, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge zu führen. Dabei wurde der geforderte Zusammenhang teilweise derart ausgedehnt, dass dieser vereinzelt auch bejaht wurde, wenn für die Fahrt zum Tatort ein Fahrzeug benutzt worden war. 

Die Neuregelung verzichtet nunmehr auf diesen Zusammenhang, indem in Satz 1 nur noch von der Verurteilung wegen einer Straftat die Rede ist. Satz 2 führt dazu noch ergänzend aus, dass auch wenn die Straftat nicht bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen wurde, die Verhängung eines Fahrverbots besonders unter drei möglichen Bedingungen in Betracht kommen kann: Die Verhängung muss zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung erforderlich erscheinen oder hierdurch die Verhängung einer Freiheitsstrafe oder deren Vollstreckung vermieden werden können. 

Gerade Letzteres kam in dem oben angesprochenen Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 03.05.2019 (Aktenzeichen 767 Ls-800 Js 1003/18 -15/19) dem Verurteilten zugute. Der Angeklagte hatte in Dortmund einen Kiosk betrieben, aus dem heraus er neben normalem Getränke- und Reisebedarfsverkauf auch mit Marihuana handelte. Die Drogen wurden ihm in nicht geringer Menge angeliefert, vom Kiosk aus belieferte er seinerseits einen anderen Weiterverkäufer. Die Polizei observierte den Kiosk und fertigte Lichtbilder von einigen der „geschäftlichen“ Vorgänge an. Schließlich folgte eine Anklage. 

Der Angeklagte war vollauf geständig und stimmte zu, dass die Betäubungsmittel eingezogen werden. Weiter wertete das Gericht es als strafmildernd, dass der Angeklagte strafrechtlich nicht vorbelastet gewesen ist und es sich bei der „Ware“ um sogenannte weiche Drogen gehandelt hatte. Dagegen musste strafschärfend berücksichtigt werden, dass es um eine doch erhebliche Mehrzahl an Taten ging und die „nicht geringe Menge“ im Sinne von § 29 a Betäubungsmittelgesetz deutlich überschritten worden war. 

Nach Abwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände kam das Gericht zu einer Freiheitsstrafe von unter zwei Jahren, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzen konnte. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Freiheitsstrafe knapp über zwei Jahren gefordert, deren Vollstreckung nicht mehr nach § 56 Strafgesetzbuch zur Bewährung hätte ausgesetzt werden können. Das Gericht hielt aber vielmehr gemäß § 44 Strafgesetzbuch die Verhängung eines unmittelbar wirkenden Fahrverbotes von drei Monaten zur Einwirkung auf den Täter für erforderlich, wodurch die Voraussetzungen des § 44 Absatz 1 Satz 2 für gegeben erachtet wurden. 

Durch die Anordnung des Fahrverbots neben der zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe, konnte nach Auffassung des Gerichts die Vollstreckung der Freiheitsstrafe in jedem Falle vermieden werden. Die Länge des Fahrverbots bemaß das Gericht dabei anhand der hier gegebenen strafmildernden und strafschärfenden Gesichtspunkte, wobei es die günstige Prognose im Sinne des § 56 Absatz 1 Strafgesetzbuch, dass der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen werde, bejahte. Zugleich nahm es die besonderen tat- und täterbezogenen Umstände nach § 56 Absatz 2 Strafgesetzbuch an, sodass es auch die Vollstreckung der Freiheitsstrafe von über einem Jahr, aber unter zwei Jahren, noch zur Bewährung aussetzen konnte.

Viele Jahre war darüber debattiert worden, ob das Fahrverbot auch auf Straftaten erstreckt werden könne bzw. solle, die mit dem Führen von Kraftfahrzeugen nichts zu tun haben. Gegen die Erweiterung wurde vor allem der fehlende Sachzusammenhang von Straftat und dem Fahrverbot eingewandt (der aber ja auch bei Geld- oder Freiheitsstrafen vielfach nicht besteht), daneben wurde eine „Privilegierung“ des Fahrzeugführers beklagt, da ein Nichtfahrer nicht in den „Genuss“ der Abwendungsmöglichkeit einer Freiheitsstrafe mittels Fahrverbots kommen könne. 

Durchgesetzt haben sich dann aber die Argumente, dass zum einen durch die Ausdehnung zusätzlich zielgenau, spürbar und schuldangemessen auf den (motorisierten) Täter eingewirkt und zugleich die Vollstreckung von kurzen Freiheitsstrafen eingeschränkt werden könne.

Bislang liegen nur sehr wenige veröffentlichte Entscheidungen vor, bei denen für nicht verkehrsbezogene Straftaten ein Fahrverbot verhängt worden ist. Dies könnte sich mit dem hier angesprochenen Urteil des Amtsgerichts Dortmund ändern.

Ein Fahrverbot kommt uns im ersten Moment sicher wie ein ausgesprochen schwerwiegendes Übel vor. Wir werden dadurch massiv in unserer Mobilität und Lebensführung eingeschränkt, wir büßen ein erhebliches Stück Freiheit ein. Andererseits wird dadurch aber eine Freiheitsstrafe verhindert, die nochmal deutlich schwerer wiegt und – der Name sagt es – die Freiheit wesentlich umfänglicher einschränkt. 

Solange Gerichte das von Verkehrsstraftaten unabhängige Fahrverbot wie im vorliegenden Fall mit Augenmaß und gutem Gespür für den jeweils Betroffenen verhängen, kann die Neuregelung durchaus begrüßt werden.

Am besten ist es natürlich, überhaupt keine Straftaten zu begehen. Wenn es dann aber doch mal geschieht, sollte der Verteidiger vor einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe die Möglichkeit eines Fahrverbots erwägen und in Rücksprache mit seinem Mandanten anregen.