aus Kradblatt 1/23 von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
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BGH stärkt die Rechte von Fahrzeugkäufern

 

In moderneren Fahrzeugen sind immer mehr elektronische Elemente verbaut. Ein technischer Defekt der Elektronik, ist aber häufig schwierig festzustellen. Die Fehlerdiagnose ist problematisch denn bei gleichen Symptomen können dennoch verschiedene Ursachen bestehen. Unlängst hatte sich der Bundesgerichtshof (Beschluss vom 06.09.2022, Aktenzeichen: VIII ZR 352/21) mit einem solchen Fall zu befassen.

Der Käufer eines Gebrauchtfahrzeugs erlebte nach dem Kauf wiederkehrende Fehleranzeigen, die ihn zum Aufsuchen einer vom Verkäufer ausgesuchten Werkstatt brachten. Nach Austausch eines Relais musste der Käufer sein Fahrzeug erneut aufgrund von Problemen in die Werkstatt bringen. Da die Werkstatt die Ursache nicht finden konnte, führte sie einen „Reset“ durch. Durch diese Maßnahme wurde der Fehler aus dem Fehlerspeicher gelöscht, wodurch das Fahrzeug lediglich für wenige Tage fehlerfrei genutzt werden konnte. Der Käufer erklärte deshalb den Rücktritt vom Kaufvertrag, weil ihm weitere Nachbesserungsversuche nicht zugemutet werden könnten. Er klagte dann auf Rückzahlung des Kaufpreises und bekam vor dem Landgericht Recht. 

Das Oberlandesgericht Zweibrücken gab jedoch der Berufung statt und wies die Klage ab. Der Bundesgerichtshof wies die Sache dann an das Oberlandesgericht zurück, weil ein wesentlicher Vortrag des Klägers nicht ausreichend beachtet worden war. Das Oberlandesgericht sprach aus, der Kläger hätte noch einen weiteren Nachbesserungsversuch einräumen müssen. Für einen Rücktritt vom Kaufvertrag wegen Sachmangels muss der Käufer grundsätzlich nach § 437 Nummer 2 in Verbindung mit § 323 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch eine angemessene Frist zur Nacherfüllung setzen. Einer Fristsetzung bedarf es gemäß § 440 Bürgerliches Gesetzbuch aber nicht, wenn die Nacherfüllung fehlgeschlagen ist, was prinzipiell nach dem erfolglosen zweiten Versuch gilt, wenn nicht besondere Umstände vorliegen. Das Oberlandesgericht erklärte, der Käufer habe gewusst, dass die Werkstatt die Ursache der Funktionsstörung nicht gefunden hatte und der „Reset“ rein vorsorglich vorgenommen wurde. Ein dritter Versuch sei ihm deshalb zumutbar gewesen.

Der Bundesgerichtshof bemängelte, das Oberlandesgericht habe die Darlegungen des Klägers zu den Mängeln nicht berücksichtigt und nicht vollständig gewürdigt. Es hatte sich nicht mit den Ausführungen des Klägers zu den Mängelerscheinungen nach dem zweiten Nachbesserungsversuch befasst, obwohl es darauf für die Beurteilung, ob es einer Fristsetzung gebraucht hätte, gerade angekommen wäre. Zudem hatte der Verkäufer das erneute Vorliegen des Fehlers – aber mit anderer Ursache – eingeräumt. Der Kläger hatte die Mangelsymptome nach dem zweiten Nachbesserungsversuch mitgeteilt, was der Bundesgerichtshof genügen ließ. Ob eine andere Ursache vorliege, sei unerheblich.

Vor allem rügt der Bundesgerichtshof, dass das Oberlandesgericht auf das zentrale Vorbringen des Klägers, die Sachmängel am Fahrzeug hätten die Fahrsicherheit derart beeinträchtigt, dass es nicht mehr genutzt werden konnte, nicht eingegangen war. Die Werkstatt hatte den Fehler nicht ermitteln können. Die fehlende Verkehrssicherheit des Fahrzeugs, zusammen mit der Unfähigkeit der Werkstatt zur Ursachenermittlung, hätte dazu führen müssen, dass eine weitere Benutzung des Fahrzeugs und ein erneuter Versuch der Nachbesserung dem Käufer nicht zuzumuten war. Das Oberlandesgericht muss daher die Sache unter Beachtung der Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs neu behandeln.

Der Bundesgerichtshof stärkt damit die Rechte von Käufern bei Vorliegen von Sachmängeln. Dass nunmehr die Schwierigkeiten beim Ermitteln von Fehlern dem Verkäufer und nicht dem Käufer auferlegt werden, ist zu begrüßen.