aus Kradblatt 1/22 von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
Telefon 0421-696 44 880 – www.janschweers.de

Und wie sieht es mit Motorradlärm aus?

Ende Juli diesen Jahres ist eine Änderung des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) in Kraft getreten – im Wortlaut nachzulesen im Bundesgesetzblatt Teil I 2021, Seite 3091 ff. Im Vorfeld war in Teilen der Motorradfahrerschaft befürchtet worden, das dadurch eine neue Rechtsgrundlage für Fahrverbote für uns geschaffen würde. Dies ist aber nicht so.

Kernstück der Gesetzesänderung ist eine Neufassung des § 6 StVG, der schon bislang eine zentrale Rolle in diesem Gesetz spielte. Die Vorschrift stellt eine Ermächtigungsgrundlage für viele Verordnungen dar, die im Straßenverkehrsrecht von Bedeutung sind. Die Regelung sollte geändert werden, weil sie durch vielfache vorherige Änderungen und Ergänzungen unübersichtlich geworden war. Die jetzige Verkürzung und Vereinfachung dient der Vermeidung einer falschen Rechtsanwendung und soll die Norm transparenter machen.

Die Neuregelung ist deutlich weniger umfangreich ausgefallen, weil sie nicht mehr detaillierte Normierungen sondern Beschreibungen der in den Verordnungen in Betracht kommenden Regelungsgegenstände enthält. 

Rechtsverordnungen sind aufgrund der Neufassung aus drei Gründen zulässig: 1. zur Abwehr von Gefahren, die vom Verkehr auf öffentlichen Straßen ausgehen, 2. zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen, die von Fahrzeugen ausgehen, oder 3. zum Schutz der Verbraucher. Genannt werden zudem Verordnungen zum Schutz von Wohnbevölkerung oder Erholungssuchenden vor Emissionen, die vom Verkehr auf öffentlichen Straßen ausgehen, insbesondere zum Schutz vor Lärm oder Abgasen. Auch Sonderregelungen an Sonn- und Feiertagen können zulässig sein.

Gerade wegen der beiden letzten Formulierungen könnte man annehmen, dass durch die Änderung eine neue rechtliche Grundlage für Fahrverbote für Motorradfahrer entstanden sei. In der alten Fassung des § 6 StVG stand aber schon, dass das Bundesverkehrsministerium ermächtigt wird, mit Zustimmung des Bundesrates Rechtsverordnungen über den Schutz der Wohnbevölkerung und Erholungssuchenden gegen Lärm und Abgas durch Kraftfahrzeugverkehr und über Beschränkungen des Verkehrs an Sonn- und Feiertagen zu erlassen. Eine Neuerung in diesem Bereich sieht § 6 StVG daher nicht vor. Das zuletzt viel diskutierte Thema Motorradlärm wird nicht gesondert hervorgehoben oder behandelt, u.a. deshalb, weil es eher zum Bundes-Immissionsschutzgesetz gehört und in diesem Fahrverbote und Verkehrseinschränkungen bereits geregelt sind.  

Möglicherweise haben die Proteste doch eine gewisse gesetzgeberische Zurückhaltung bewirkt oder es sind einfach genügend Motorradfahrer unter den Abgeordneten.

Das neue StVG enthält zudem reichlich, uns Zweiradfahrer aber weniger unmittelbar betreffende,  Änderungen so z.B. zur Gültigkeit einer ausländischen Fahrerlaubnis nach vorheriger Entziehung oder zur Untersagung des Führens von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen besonders nach Alkohol- und Drogenfahrten.

In § 2 Absatz 8 StVG, der die Wiederherstellung der Fahreignung nach deren Aberkennung regelt, sind nunmehr auch Kurse zur Wiederherstellung genannt, wonach unter Zustimmung der Fahrerlaubnisbehörde nach Teilnahme an einem solchen Kurs ein erneutes medizinisch-psychologisches Gutachten (umgangssprachlich „Idiotentest“) nicht mehr notwendig ist. Bei schweren Fällen wird aber weiterhin ein positives Gutachten benötigt.

Eine weitere Norm, § 63 e Straßenverkehrsgesetz, erlaubt es den für die Straßenverkehrsorganisation zuständigen Behörden, Daten zu erheben, zu speichern und zu verwenden, wenn sie von Kraftfahrzeugen regelmäßig oder ereignisbezogen auf elektronischem Weg erhoben werden, soweit die Daten aus diesen Fahrzeugen an andere Kraftfahrzeuge oder an die informationstechnische Straßeninfrastruktur automatisiert versendet werden. Die Informationen, die weitergegeben werden dürfen, sind aufgelistet. Nach jetzigem technischen Stand sammeln Motorräder derartige Daten nicht und senden diese automatisiert an andere Fahrzeuge oder an die informationstechnische Straßeninfrastruktur weiter. Diese Regelung ist daher eher als vorausschauend anzusehen, „Big Brother“ hat (noch) keine Chance!

Insgesamt ist die umfassende Änderung des StVG somit durchaus als vernünftig anzusehen. Die Gefahr von vermehrten Fahrverboten auf dieser Rechtsgrundlage ist damit zumindest aufgeschoben.