aus bma 9/12
Text: Jens Riedel 
Fotos: Riedel/MSA

Quadro 350D Quadro – da denkt man irgendwie automatisch an die Zahl Vier. Doch die heißt im Italienischen nun einmal Quattro und ist damit auch schon von einem namhaften deutschen Automobilhersteller zur Typenbezeichnung seiner Allradfahrzeuge auserkoren worden. Und auch nicht mit vier, sondern mit drei Rädern rollt der Quadro 350 D von Quadro Technologies, so die offizielle Firmenbezeichnung, nun auch über die deutschen Straßen. Der Kraftroller will sich in die Erfolgsspur des Piaggio MP3 einreihen und sich dennoch von ihm abheben.

Der Unterschied beginnt schon im Design. Und das ist kein Zufall, ist das noch junge Unternehmen doch eine Tochter von Marabese Design, einem gefragten Spezialisten auf dem Gebiet der Motorradgestaltung. Mit Quadro Technologies sollen die über 25 Jahre Erfahrung und Arbeit für Moto Guzzi, Aprilia, Piaggio (sic!), Triumph, Yamaha und andere nun auch in eigenen Fahrzeugen zur Geltung kommen.

Der Quadro 350 D tritt optisch deutlich dynamischer auf als der Platzhirsch aus Pontedera. Vor allem vorne gibt sich der Herausforderer wesentlich motorradhafter. Verantwortlich ist dafür vor allem die nicht so weit nach unten gezogene Frontschürze. Lediglich eine schmale vertikale schwarze Plastikabdeckung schließt sich wie ein Kühlergrill an. Sie deckt ein wesentliches Bauteil des Kraftrollers – den Ausgleichsbehälter – ab, gewährt ansonsten aber freie Sicht auf die Vorderradkonstruktion. Das kommt nicht von ungefähr, denn die Entwickler, von denen einige auch zuvor in Piaggio-Diensten gestanden haben sollen, sind stolz auf die Weiterentwicklung des vom MP3 bekannten Systems.

Quadro 350D Statt auf klassische Federbeine setzt Quadro nämlich auf eine hydraulisch gedämpfte Vorderradaufhängung. Sie besteht aus drei miteinander verbundenen öl- und gasgefüllten Zylindern – je einem pro Rad, sowie einem Behälter dazwischen, der nach dem Prinzip der Luftfederung wirkt. Damit hat der Quadro 350 D eine besonders hohe Stabilität. Das HTS (Hydraulic Tilting System) genannte Sys­tem sorgt zudem für einen Druckausgleich und damit dafür, dass bei Schräglage auch das kurvenäußere 14-Zoll-Rad noch ordentlich Anpressdruck hat. Und mit etwas Übung gelingt es auch beim Ampelstopp mit gezogenen Bremsen und etwas Ausbalancieren den 350 D in der Waagerechten zu halten, ohne die Feststellbremse ziehen zu müssen, die auch den Neigungsmechanismus sperrt.

Bei der Typenbezeichnung stapelt das Dreirad recht hoch. Doch spätestens seit den Kapriolen von BMW mit der F 650 GS oder dem C 600 Sport wissen wir, dass man die ohnehin nicht mehr so ernst nehmen darf. Im vorliegenden Fall sind es 313 Kubikzentimeter. Der Antrieb kommt aus Taiwan, vom ATV- und Quad-Hersteller Aeon, der auch die Montage des in Italien entworfenen Quadro übernimmt. Teile wie die Neigungskonstruktion oder die Bremsen kommen ebenfalls aus Europa. Um den Vertrieb in Deutschland, Österreich und der Schweiz kümmert sich Kymco- und Hyosung-Importeur MSA aus Weiden in der Oberpfalz.

Quadro 350D DämpferDas Temperament der 21 einzylindrigen Pferde reicht für den flotten Ritt über die Landstraße allemal aus, zumal weder Gullydeckel noch Frostfurchen den Roller aus der Ruhe bringen. Dank des dritten Rads hält er auch bei Unebenheiten oder feuchtem Asphalt stoisch die Spur und ist deshalb meist schneller unterwegs als es ein gleich stark motorisierter Kraftroller mit zwei Rädern wäre. Auch beim Bremsen kann beherzter und damit später, zugegriffen werden. Nur beim Anfahren muss der Fahrer etwas Geduld aufbringen, ehe die nicht einmal 1 PS pro Kilogramm Leergewicht das Dreirad in Schwung bringen. Ansonsten fühlt sich der kleine Einzylinder zwischen 4000 und 6500 Umdrehungen in der Minute am wohlsten. Dann überschreitet der Quadro das Tempolimit auf der Landstraße allenfalls um ein paar unrelevante Stundenkilometerchen, so dass der Reiter so gut wie nie Gefahr läuft, ein paar Euro abdrücken zu müssen oder gar in Flensburg aufzufallen. Oberhalb von 6500 Touren geht dem schrägen Taiwan-Italiener ohnehin die Luft aus und mehr als 120 km/h sind eh nicht drin. Da will auch so mancher Überholvorgang vorher wohlüberlegt sein. Die Leistung reiht sich aber nahezu nahtlos in das Niveau der etablierten Konkurrenz ein. Gleiches gilt für den Preis von 7295 Euro.

Quadro 350D HelmfachTrotz seines Zusatzbeins ist der Quadro ein echter Kurvenversteher. Nur eine ganz leichte Tendenz zum Untersteuern wird spürbar, die man vom klassischen Zweirad nicht kennt. Immerhin beträgt die vordere Spurweite ja auch mehr als einen halben Meter. Dass da nicht ein, sondern gleich zwei Räder arbeiten, merkt der Quadro-Pilot aber eigentlich nur an den beiden leicht spürbaren Druckpunkten in den Lenkerenden. Die Neigungstechnik funktioniert bis zu einem Winkel von 40 Grad, auch wenn wegen der 5 bar Gasdruck in den Teleskopbeinen und der 13,5 bar im zentralen Ausgleichsbehälter etwas Kraft dafür aufgewendet werden muss. Dafür ist die Kraft aber auch bei langsamerer Geschwindigkeit oder etwa beim Wenden durch das Trägheitsmoment relativ stabil. Recht straff ist die Federung hinten.

Die Windschutzscheibe entlastet den Oberkörper gut; wer mehr braucht, kann eine höhere Variante als Zubehör ordern. Gleiches gilt übrigens für die Sitzbank. Sie soll dann unter sich Platz für gleich zwei Helme bieten. Aber selbst im normalen Auslieferungszustand geizt der Quadro unter dem Popo-Polster nicht mit (beleuchtetem) Stauraum. Ein Integralhelm findet dort im hinteren Teil allemal Unterschlupf und lässt noch immer ausreichend Luft für einen kleinen Rucksack oder andere Dinge. Etwas knauseriger gibt sich da das mittige Handschuhfach. Es beherbergt zwar auch eine 12-Volt-Steckdose, aber mehr als das daran anzuschließende Handy oder iPhone geht nicht hinein. Zudem missfällt die wenig wertige Klappe. Ein weiteres, ebenfalls nicht abschließbares Fach mit wiederum recht tiefem Schlund findet sich noch rechtsseitig in der Verkleidung.

Quadro 350D CockpitDie Sitzbank mit integrierter Stütze ist bequem und für den Sozius sogar im Beinbereich ein wenig ausgeformt. Ausklappbare Fußrasten sind ebenso an Bord wie LED-Rücklicht und Gepäckbrücke. Der Quadro bringt trotz seiner drei Räder sogar noch einen Hauptständer mit.

Der Tank fasst 13 Liter. Das sollte für etwa 250 Kilometer reichen. Die Instrumentierung mit dem analogen Drehzahlmesser links und dem Digitaltacho nebst Uhr und Kilometerzähler ist wunderschön blau illuminiert. Allerdings wird das Display von der Seite beleuchtet und hat daher keine ganz gleichmäßige Lichtverteilung. Die Rückspiegel bieten gute Sicht, ergonomisch nicht ganz perfekt fällt der etwas klobige Blinkerschalter aus, der relativ weit absteht. Im Zuge einer Modellpflege sollte Quadro auch noch einmal Hand an das Display legen: Der digitale Entfernungszähler weist als Maßeinheit nicht km sondern km/h aus.

Quadro 350D Motorradfahrer werden sich etwas an der Fußbremse stören, da sie aus Sicherheitsgründen vor unbeabsichtigtem Kontakt viel „Leerlauf“ aufweist, ehe sie sich überhaupt meldet und auch dann nur den Druckpunkt eher erahnen lässt. Aber sie kann ja geflissentlich ignoriert werden, auch wenn sie noch anderweitig auf sich aufmerksam macht: Sie schränkt den ohnehin nicht üppigen Fußraum rechts noch weiter ein. Dafür funktioniert die negative Beschleunigung mit den beiden Bremshebeln am Lenker umso besser. Sie packen schnell zu, wobei der linke auch gleich noch die hintere Scheibe mit in die Zange nimmt. Die Verzögerungswerte gehen voll und ganz in Ordnung. Auf ABS muss allerdings verzichtet werden, wird aber nicht wirklich vermisst.

Bleibt zu hoffen, dass Gefährte wie der Quadro oder der Piaggio MP3 LT auch Autofahrer für’s Zwei-, pardon Dreirad begeis­tern. Man bekommt auf jeden Fall ein nach wie vor seltenes Fortbewegungsmittel, dass beim Fahrspaß anderen Kraftrollern in nichts nachsteht, in Sachen Sicherheit aber einen deutlichen Vorteil bietet.