aus Kradblatt 6/16, von: Michael Praschak, www.asphalt-süchtig.de

Fahrspaß in Frankreich

 

Die Dunlop Testmotorradflotte haette man so auch auf jedem anderen Tourenparkplatz finden koennenUnter Motorradfahrern gibt es wohl kaum ein Thema, das so häufig und so emotional diskutiert wird wie Motorradreifen. Das Mitteilungsbedürfnis kommt hier natürlich nicht von ungefähr. Schließlich sind die schwarzen Dinger – neben Kaffee und Zigaretten – das beim Durchschnittsfahrer wohl am häufigsten gekaufte Verschleißteil. Dabei soll ein moderner Reifen natürlich mehr können, als nur Grip auf der letzten Rille.
Die bedrohte Art des ambitionierten Sportfahrers (Homo Asphalt-Brennensis) ist da bei den Anforderungen wohl noch am einfachsten gestrickt. Sie sucht naturgemäß nach maximaler Haftung und hat sich entsprechend spezialisiert. Bei Temperaturen unter 15 Grad setzt sich auf öffentlichen Straßen kaum ein Männchen im perforierten Prachtkleid aus Rinds- oder Känguruleder aufs Brenneisen.

Da ist der moderne, in Textil gewandete, Homo Sport-Tourensis schon aus einem anderen Holz geschnitzt. Häufig ist er zwar immer noch recht wasserscheu und kälteempfindlich, dank Sympathex-Membran im Tourer-Ornat und Heizgriffen an der bajuwarischen Rennkuh, ist er aber schon etwas besser an die rauen Bedingungen des mitteleuropäischen Sommerhalbjahres angepasst.

Mit dem RoadSmart 3 schickt sich Dunlop 2016 nun an, der immer weiter wachsenden Gruppe des Homo Sport-Tourensis ein neues, sehr potentes Werkzeug an die Hand – oder besser – auf die Felge zu geben.
Denn während die Zulassungszahlen bei den Sportmotorrädern in den letzten Jahren ständig zurückgegangen sind und ihr Anteil aktuell unter 10 Prozent liegt, ist das Sport-Touring-Segment in den vergangenen 20 Jahre um das Dreifache gewachsen und führt inzwischen die Statistik der Neuzulassungen an. Kein Wunder also, dass sich die Hersteller vermehrt auf diesen Bereich konzentrieren.

Die einfache Trockenhaftung beherrschen dabei alle auf vergleichbarem Niveau. Da die schnell wachsende Art des Homo Sport-Tourensis auch noch andere Ansprüche hat, fokussierten sich die Dunlop-Ingenieure bei der Entwicklung auf die Bereiche Handling/Fahrbarkeit, Laufleistung und Nasshaftung. So soll zum Beispiel das komplett neu designte Profil (genannt Interconnecting Groove Tread Design – IGT) durch verbundene Profilbereiche nicht nur die Nassperformance verbessern, sondern in Kombination mit einer steiferen Karkasse auch die Laufleistung erhöhen. Darüber hinaus sorgt es laut Dunlop für eine sehr konstante Performance über die gesamte Lebensdauer.

Da unsere neue Art aber nicht nur weniger wasserscheu als der Homo Asphalt-Brennensis ist, sondern auch bei niedrigeren Temperaturen die heimische Höhle – ähh – Garage verlässt, schenkte man auch der Gummimischung viel Aufmerksamkeit. Um die Abriebfestigkeit zu erhöhen und den Nass- sowie Kaltgrip zu verbessern, setzt Dunlop auf eine 2-Komponenten-Lauffläche, die auch bei niedrigen Temperaturen zu einer besseren Verzahnung mit dem Asphalt führen soll.

„Abgerundet“ wird das Gesamtkonzept durch eine, sowohl am Vorder- als auch am Hinterreifen, geänderte Reifenkontur. Das so erreichte harmonischere Zusammenspiel von Front und Heck soll die Lenkkräfte verringern, die Präzision erhöhen und in Summe zu einem ermüdungsfreieren Fahren führen.

Doch ist dem wirklich so? Oder ist das alles nur vollmundiges Marketingversprechen, das sich in freier Wildbahn in nichts als Wohlgefallen auflösen? Da hilft nur der artübergreifende Erstkontakt. Also rein ins perforierte Sportleder und ran an die touristische Wuchtbrumme.

Der RoadSmart 3 animiert auch im Nassen zum aktiven WettsreitAls Testmotorräder hatte Dunlop eine bunte Mischung an tourensportlichen Motorrädern an die südfranzösische Mittelmeerküste geordert und auch die Location selbst war wohl gewählt. Ein Teil der Präsentation fand zwar direkt auf dem Dunlop Testgelände in Mireval statt – mit der 3,3 Kilometer langen Rennstrecke eher das Habitat eines Homo Asphalt-Brennensis – das südfranzösische Hinterland, wo die Straßenpräsentation stattfand, hatte es aber in sich. Von Serpentinensträßchen mit Traumasphalt bis zur pockennarbigen und welligen Kreisstraßen der Kategorie „C“ war hier alles geboten. Als i-Tüpfelchen schickte Petrus noch ein abwechslungsreiches Wetterprogramm und ließ den Testtag unterkühlt bei 10 °C und leichtem Regen beginnen.

Zwar ist der neue RoadSmart 3 in der Standardversion auf schwere Sporttourer wie die Yamaha FJR 1300 oder die BMW K-Reihe ausgelegt, da Dunlop aber auch die Fraktion der Brot-und-Butter-Mopped-Fahrer als Kunden für den Road­Smart im Auge hat, gibt es den Reifen auch in der Ausführung SP (für Sport). Dieser zeichnet sich durch eine etwas weichere Karkasse aus und kann so auch auf normalgewichtigen Motorrädern seine Qualitäten voll ausspielen. Da die Kombination aus engen Nebenstraßen und nassem Belag auf kleineren, etwas leichtungsschwächeren Motorrädern einfacher zu handhaben ist, entschied ich mich auf der Landstraßenetappe für die Yamaha MT-07 sowie FZ8.

Um das gegenueber dem Vorgaenger verbesserte Handling zu verdeutlichen, gab es einen Handling ParcoursDie Straßen waren anfangs zwar feucht bis nass, unseren Guide Lluis auf seinem Touring-Bomber vom Typ FJR 1300 schien das aber nicht zu stören. Die Dunlops auch nicht. Genauso beeindruckend, wie der Spanier vor mir sein 300-Kilo-Trumm leichtfüßig und beherzt um die Ecke peitschte, verrichtete der RoadSmart seinen Dienst. Der Pneu ließ sich von Nässe und zügiger Gangart nicht beeindrucken und lediglich auf Abschnitten, die mehr aus Bitumen denn aus Belag bestanden, keilte das Heck aus.

Auch knapp 1300 Rennstrecken Kilometer auf der 1290er Superduke konnten dem RoadSmart 3 nicht viel anhabenAm Vorderrad findet sich an der FZ8 zwar das inzwischen obligate ABS, machte sich aber trotz feuchten Geläufs nicht bemerkbar. Aber geht das nur aufs Konto des Reifens? Ein kurzer Asphalt-Check mit der Stiefelsohle während der Fahrt attestierte dem Belag, trotz feuchter Oberfläche, ein sehr beachtliches Grip-Niveau. Ob die Schwarzengelben für die Tour wohl die Strecke mit dem griffigsten Asphalt ausgewählt hatten?
Der kleine Spanier auf dem großen Reisehobel gaste weiter kräftig an und da inzwischen nicht nur der Rest der Gruppe aus den Rückspiegeln verschwunden, sondern auch das Serpentinensträßchen komplett trocken war, legte er sogar noch eine Schippe nach. Nun ließ der RoadSmart auch seine sportlichen Gene spüren. Die Yamaha wechselte leichtfüßig und präzise die Richtung und auch auf der Bremse boten die Dunlops keinen Grund für Kritik. Ist man einen Tick zu schnell für die angepeilte Linie, lässt es sich auch entspannt in Schräglage in die Kurve hineinbremsen – ein nennenswertes Aufstellmoment kennt der Reifen nicht. Und auch das ABS an der Front ließ sich nur ein einziges Mal zum Regeln überreden, die Situation ist aber schon in der Kategorie „Ausnahmezustand“ zu verorten.

Alles in allem würde die Performance des RoadSmart 3 auch Vertreter der Art Homo Asphalt-Brennensis sehr glücklich machen, aber der wäre bei diesen Bedingungen sicher nicht aus seiner Höhle zu locken. Zur Erinnerung: Der Himmel war immer noch grau und das Thermometer kratzte gerade eben so am zweistelligen Bereich.

Kofferbomber im TiefflugDie zweite Tageshälfte fand dann direkt auf den Goodyear Prooving Grounds statt und es standen Nass-Teststrecke, Handling-Kurs und ein paar Runden auf dem Hochgeschwindigkeitskurs auf der Agenda. Nun konnte man die Ersteindrücke aus freier Wildbahn also verifizieren. Unter kontrollierten Laborbedingungen sozusagen.

Die große Frage: Ist der Nassgrip des Reifens tatsächlich so gut, wie es sich auf der Landstraße angedeutet hatte? Klärung verschaffte hier die Fahrt auf dem 1,7 km langen Nasskurs. Die Strecke wurde hierfür mit identischen Motorrädern (Suzuki GSR 750) auf unterschiedlichen Reifen aus dem Sport-Touring-Segment (Michelin ROAD 4, Pirelli Angel GT, Dunlop RoadSmart 3) jeweils vier Mal umrundet. Dabei bewegten sich Pirelli Angel GT und der neuer RoadSmart 3 gefühlt auf dem gleichen, sehr hohen Niveau. Nur der Michelin wirkt bei vergleichbarem Tempo etwas indifferent und schwammiger. Pluspunkt Dunlop: durch seine überarbeitete Gummimischung ist er deutlich langlebiger als alle aktuellen Mitbewerber, wie auch das Motorrad Test Center der Motor Presse Stuttgart bestätigt.

Einzig das Motorkonzept der R 1200 R bremste die Bajuwarin einEbenfalls bemerkenswert – das Handling. Für den Test gab es einen fahrschulähnlichen Handling-Parcours, der nacheinander auf identischen FJR 1300 einmal mit dem RoadSmart 2 und einmal mit dem neuen RoadSmart 3 bewältigt werden musste. Sowohl bei der Agilität, als auch beim Thema Neutralität konnte sich das neue Modell spürbar von seinem Vorgänger absetzen.

Bleibt noch das Thema Highspeedkurs und Trockengrip und damit der nischenübergreifende Kampf zwischen Homo Asphalt-Brennensis und dem sich rapide vermehrenden Homo Sport-Tourensis. Um es gleich vorweg zu nehmen: die Art der Generalisten kann mit dem RoadSmart 3 auch ohne Probleme in der Nische des Spezialisten wildern und auf Beutejagd gehen. Auch bei sehr ambitionierter Gangart kennt der Reifen fast keine Grenzen.
Für die schnellen Runden standen mit BMW R 1200 R, R 1200 GS und XR 1000 typische Vertreter aus der Gattung der Sporttourer zur Verfügung, doch mit viel Grip und Handlingeigenschaften, die sich fast auf Supersportreifenniveau bewegen, konnte der RoadSmart 3 auch hier überzeugen. Das einzige, was mehr Schräglage und mehr Tempo verhinderte, sind zu niedrig montierte Fußrasten und zu weit abstehende Zylinder.

Raser oder Reisender, Homo Brennensis oder Sport-Tourensis – das, was uns beim Thema Reifen alle zuerst interessiert, ist der Grip. Egal, wie und wo wir fahren, wir wollen uns immer auf den kleinen Punkt Gummi verlassen können, der unser Motorrad gerade mit der Straße verbindet.

Für all diejenigen, die nicht nur gelegentlich eine schnelle Runde nach Feierabend drehen wollen, sondern auch mal eben ans Meer oder in die Alpen fahren, hat Dunlop mit dem neuen RoadSmart 3 einen Kandidaten an den Start gerollt, der das Potential hat, viele Sporttouring-Liebhaber sehr glücklich zu machen.