aus bma 6/11 – Fahrbericht
Text: Mathias Thomaschek (www.zweirad-online.de)
Fotos: Werk
Mit dem e-vivacity startet Peugeot einen durchaus ernst zu nehmenden Angriff auf die Fünfziger-Rollerklasse mit Verbrennungsmotor. Angesichts ständig verbesserter Akkus ist diese neue E-Klasse zumindest bei den Cityflitzern in der Realität angekommen und kann sich mit Reichweiten um die 60 Kilometer als handfeste Alternative zum Zwei- oder Viertakter zählen.
In St. Tropez konnten wir bereits die ersten Fahrzeuge testen – und waren vor allem angesichts der absolut simplen Technik positiv erschüttert. Denn an dem äußerlich völlig normalen Roller fehlt so ziemlich alles. Kein Geräusch, kein Geruch, keine Vibrationen. Und richtig interessant wird es unterm Plastik: Alle Nebenaggregate vom Luftfilter bis zur Ölwanne – nicht vorhanden; es gibt weder einen Auspuff, noch eine Kupplung, keinen Kickstarter, also fast nichts.
Der 3 kW starke bürstenlose Elektromotor entwickelt 14 Newtonmeter – und zwar gleich von der ersten Umdrehung an. Eine Elektronik verhindert, dass es den Fahrer bei schlagartigem Aufreißen des Gas– pardon hier wohl Stromgriffes gleich rückwärts vom Roller reißt. Und weil wir gerade beim Umdenken sind: Einen „Zündschlüssel“ benötigt bei e-vivacity kein Mensch, denn gezündet wird ja nicht mehr. So dient der Schlüssel zum sicheren Unterbrechen des Stromkreises.
Der ab Juni lieferbare E-Roller verfügt über vier Fahrmodi: Mit 2 km/h geht es ausschließlich rückwärts, was aber angesichts von 115 Kilo Lebendgewicht niemand wirklich braucht. Dann hätten wir noch zulassungsfreie 6 km/h im herrlich bunten Display, deren Sinn einem ebenfalls verborgen bleibt. Die beiden anderen wählbaren Fahrmodi mit 25 und 45 km/h sind dagegen praxisorientiert. Wie ein 50er oder als Mofa wird hier die Geschwindigkeit elektronisch begrenzt. Und das bunte Mausekino im Cockpit zeigt natürlich nicht nur Batterieladezustand und Restreichweite, sondern auch Temperatur und mancherlei andere mehr oder weniger nützliche Sachen an.
Neben dem absolut simplen Antrieb über einen Zahnriemen ohne Variomatik fällt natürlich das Hauptaugenmerk auf den Batteriesatz. Lithium-Ionen lautet hier das aktuelle Zauberwort. 16 Kilo sind die Energiespeicher beim e-vivacity schwer und damit vom Gewicht her durchaus konkurrenzfähig zum Tank eines Benziners. Das Energiepack sitzt schwerpunktgünstig unter der Abstellfläche für die Füße.
Ein kompaktes Ladegerät ist im Fahrzeug eingebaut, Platz ist ja durch die fehlenden Komponenten ausnahmsweise genug vorhanden. Wer jetzt noch das Spiralkabel unter die Sitzbank packt, kann überall nachladen, wo eine Steckdose vorhanden ist. Dies dauert bei einer Volladung dann zwar noch 5 – 8 Stunden, aber genau hier werden wohl die nächsten großen Entwicklungsschritte folgen.
Bei der Präsentation haben die Peugeot-Techniker vorgerechnet, dass der Roller pro 100 Kilometer für gerade einmal 40 Cent Strom verbraucht. Ein Wert, der angesichts der aktuellen Benzinpreise durchaus zum Nachdenken anregt.
Und wenn die Akkus irgendwann in die Knie gehen? Dann passiert die ersten vier Jahre finanziell gar nichts. Denn die 1.500 Euro teuren Energiespeicher werden bis zum Ende dieses Zeitraums oder Erreichen von 40.000 Kilometer Fahrleistung auf Garantie ersetzt. Die Fachwerkstatt wird der e-vivacity auch nicht so recht glücklich machen. Denn deren Wartungs- und Reparaturarbeiten dürften sich allein auf das Fahrwerk beschränken. Der Motor benötigt vielleicht irgendwann einmal ein paar neue Lager, was mit ein paar Euro erledigt ist. Sonst kann nichts kaputt gehen, weil nichts dran ist. Kein gammelnder Auspuff, keine ausgelutschte Variomatik, vielleicht einmal ein Zahnriemen, okay.
Ach so, wie fährt er sich eigentlich, der neue e-vivacity? Ganz normal, sieht man einmal vom fehlenden Geräusch ab. Das irritiert anfänglich beim Ampelstopp, aber man gewöhnt sich schnell daran. Auch ans Hupen, wenn schläfrige Passanten auf die Straße springen, weil kein Geräusch sie warnt.
Wem das zu gefährlich ist, der erinnere sich an eine Vorrichtung aus meinen Kindertagen: Ein Eisstiel mit einem Einmachgummi an die Gabel geklemmt, gibt beim Fahren an den Speichen ein nettes Geräusch. Hat früher schon am Fahrrad funktioniert.
Was der e-vivacity kosten wird, ist final für Deutschland noch nicht entschieden, weltweit will Peugeot bis 2020 allerdings 40.000 E-Scooter absetzen.
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