aus bma 3/13
von Jörg „Jogi“ van Senden

Motorrad-ParkscheibeIch habe eine liebe Freundin, die mich regelmäßig an ihrem aufregenden Leben teilhaben lässt. So kam sie neulich recht übellaunig zu unserem Motorrad-Stammtisch und hielt mir demonstrativ ein frisch zugestelltes Schreiben vom Landespolizeiamt Schleswig-Holstein, Zentrale OWI-Stelle (OWI = Ordnungswidrigkeit) vor die Nase.

In diesem Schreiben wurde meiner Freundin, deren Namen ich nicht nennen soll, vorgeworfen, dass sie ohne Parkscheibe mit ihrer alten Yamaha auf einem Parkplatz gestanden habe, auf dem die Anbringung einer Parkscheibe vorgeschrieben sei. Diese schwere Sünde solle nun gegen einen Ablass von 5 Euro beglichen werden. 5 Euro. Das ist doch lächerlich, bemerke ich. Das ist die Aufregung wirklich nicht wert. Meine liebe Freundin sieht das jedoch anders. Hier geht es um das Prinzip. Schließlich parkt sie an drei Tagen in der Woche auf diesem Parkplatz, an dem neuerdings eine Parkscheibe gefordert wird, um im anliegenden Fitness-Center dem körperlichen Verfall präventiv entgegen zu wirken. Wenn nun jede Trainingseinheit wegen einer blöden, fehlenden Parkscheibe 5 Euro mehr kostet, so addiert sich das auf unakzeptable 60 Euro Mehrkosten im Monat oder gar 720 Euro im Jahr hoch! Und wo sollte man eine Parkscheibe am Motorrad anbringen ohne das sie entwendet oder von Spaßvögeln verstellt werden kann? Brauchen Motorräder überhaupt eine Parkscheibe? Aus Prinzip entschloss sich meine liebe Freundin, deren Namen ich nicht nennen soll, gegen diesen Ordnungswidrigkeitsbescheid wegen behördlicher Willkür und groben Unfugs über den Anhörungsbogen zu widersprechen. Das fand ich dann doch recht spannend und versprach mich auf Grund des hohen zu erwartenden Unterhaltungswertes ihres Problems anzunehmen.

Leider fand ich keine Ausnahmeregelungen die einspurige Fahrzeuge von Parkscheiben und Parkscheinen befreien könnten. Die in den Paragraphen 12 und 13 der Straßenverkehrsordnung aufgeführten Vorschriften über das Halten und Parken und über die Einrichtungen zur Überwachung der Parkzeit gelten für alle Fahrzeuge mit Zulassung und Nummernschild. In Ausnahmefällen gibt es sogar Parkplätze nur für PKW auf denen Motorräder überhaupt nicht abgestellt werden dürfen. So blieb in der Tat nur die Option übrig, eine Parkscheibe motorradgerecht umzurüsten oder zu verpacken. Wer einen Tankrucksack mit obenliegendem Klarsichtfach hat und dieses ausgestattet mit doppeltem Reißverschluss und Ösen an den Enden, der benötigt nur noch ein kleines Bügelschloss und schon ist die Parkscheibe gesichert gegen Diebstahl und Verstellung. Alternativ kann man auch eine kleine Klarsichttasche geschickt mit Löchern versehen, so dass sie mit einem kleinen Bügelschloss vor dem Öffnen geschützt und diebstahlsicher um einen Bowdenzug am Lenker befestigt werden kann. Einen Parkschein kann man so auch gut verpacken.

Motorrad-Parkscheibe frontMir persönlich ist das Gerödel mit Taschen und Rucksäcken jedoch zu lästig. Deshalb konzentrierte ich mich auf das Wesentliche, nämlich die Parkscheibe. Ich besorgte mir im Baumarkt gleich drei dieser Exemplare aus Hartplastik. Danach schnappte ich mir den Akkubohrer und begann mit der experimentellen Perforierung. Das wichtigste war zunächst das Loch zur Diebstahlsicherung mit einem Vorhängeschloss. Danach folgten zahlreiche Löcher durch die Zeitscheibe um das Verstellen der Ankunftszeit zu verhindern und ein weiteres Vorhängeschloss zur Sicherung. Leider hatte die Parkscheibe bedingt durch die multiplen Bohrungen schon vor der Fertigstellung nicht mehr viel Ähnlichkeit mit einer normgerechten Ausfertigung und begann bedrohlich an Stabilität zu verlieren.

Beim Erfinden von Normen sind unsere hoheitlichen Sesselpupser bekanntlich einsame Spitze. Eine Parkscheibe muss genau 11 cm breit und 15 cm hoch sein. Kleinere Scheiben aus dem europäischen Ausland werden nicht akzeptiert. Vermutlich weil kurzsichtige Politessen sie weder finden noch ablesen können. Die Farbe ist zwingend blau mit weißer Drehskala zur Zeiteinstellung. Die Größe der Ziffern und der Abstand zum Drehpunkt sind genau festgelegt.

Motorrad-Parkscheibe hintenAngefangen hat das Übel mit den Parkscheiben bereits 1957 in Paris, gefolgt von Wien 1959. Der Kasseler Bürgermeister Heinz Hille importierte die Parkscheibe 1961 nach Deutschland. Und mit deutscher Gründlichkeit wurde 1979 eine einheitliche EG Parkscheibenregelung verabschiedet. Seit dem werden wir diese Dinger nicht mehr los und wir müssen auf Anweisung des Zusatzzeichens 1040-33 eine Parkscheibe gut sichtbar am Fahrzeug befestigen. Dabei ist die Ankunftszeit strichgenau einzustellen. Wichtig ist das die Einstellung wirklich strichgenau ist und die Skala nicht auf den weißen Zwischenraum gedreht wird, sonst droht Ungemach. Die Uhrzeit darf zu Gunsten des Parkenden aufgerundet werden. Die Zeitabstände auf der Parkscheibe müssen halbstündig sein. So ist es legal im Idealfall 2 Std. und 29 min. auf einem Parkplatz zu stehen, für welchen eine Höchstparkdauer von 2 Std. ausgeschildert wurde. Die Parkscheibe ist auch zwingend anzuwenden wenn der Parkscheinautomat keine Scheine mehr ausspucken will, weil er defekt ist oder von einem frustrierten Bürger zerlegt wurde. Man beachte stets die Maximalparkdauer. Je nach Überschreitung der Parkdauer kostet es 5 bis 25 Euro, wenn man erwischt wird. Punkte in Flensburg gibt es dafür noch nicht. Wird durch den Parkverstoß jedoch ein Rettungs- oder Einsatzfahrzeug behindert können 40 bis 50 Euro fällig werden. Da prinzipiell alle Untaten ab 40 Euro Bußgeld zusätzlich mit Punkten belohnt werden, kommt es in diesem seltenen Fall zur Eintragung eines Punktes.

Aber zurück zur Herstellung einer motorradgerechten Parkscheibe. Mein zweites Exemplar sah versehen mit wesentlich kleineren Löchern schon recht gut aus. Im dritten Entwurf kombinierte ich das Loch zur Diebstahlsicherung mit den Löchern der Verstellsicherung, so dass jetzt nur noch ein Bügelschloss notwendig ist.

Ich war von meiner Parkscheibe so begeistert, dass ich beschloss sie meiner lieben Freundin zu schenken, deren Namen ich nicht nennen soll. Zu meiner Verwunderung wollte sie meine Motorradparkscheibe jedoch nicht annehmen. Sie hatte inzwischen im Internethandel eine wesentlich schönere und besser gefertigte Scheibe gefunden. Unter www.fehse.org/parkscheibe/ vertreibt Horst Fehse seine patentrechtlich geschützte und abschließbare Parkscheibe für Motorräder (Preis 2,49 Euro zzgl. Versand, Stand 2/2013).
Diese ist vom Prinzip her genau wie mein Eigenbau, möchte ich mit Stolz bemerken. Horst war nur einfach schneller als ich, oder hat sich einfach nur früher über das Thema geärgert. Und weil er seine Idee für wirklich kleines Geld anbietet werde ich den Verdacht nicht los, dass es ihm wie meiner lieben Freundin rein um das Prinzip geht sich gegen behördliche Abzocke zu wehren. Der Widerspruch meiner lieben Freundin gegen den Ordnungswidrigkeitsvorwurf einer fehlenden Parkscheibe wurde von der OWI-Stelle nicht akzeptiert. Sie musste das Bußgeld, nun zuzüglich einer Verwaltungsgebühr und den Postzustellungskosten, zähneknirschend bezahlen.