aus Kradblatt 7/24, von Günter Schiele
Von dieser Reise hatte ich schon lange geträumt und jetzt soll es endlich losgehen! Das Ziel: Oman, ein Märchen aus 1001-Nacht, der Weg: von Schneverdingen in der Lüneburger Heide durch die Schweiz bis Ancona in Italien und weiter mit der Fähre nach Griechenland, durch die Türkei und den Iran noch mal mit einer Fähre in die Vereinigten Arabischen Emirate und schließlich nach Oman. Wir werden eine Gruppe von acht Personen auf sieben Motorrädern sein. Meine Tochter Maiken fährt als Sozia bei mir mit. Sechs Wochen wird das Abenteuer dauern. Auf geht’s!
Es ist Anfang September, und das Wetter könnte ruhig ein wenig freundlicher sein. Finstere Wolken lassen nichts Gutes ahnen, als wir vollgepackt früh morgens aufbrechen. Mit uns, wenn auch an verschiedenen Orten, starten die anderen Reiseteilnehmer ihre Bikes. Gemeinsamer Treffpunkt ist Ancona, die alte Hafenstadt am Adriatischen Meer.
Unser Motorrad ist eine altehrwürdige BMW R 100 GS, die mich schon zu vielen Orten auf der Welt getragen hat. Reifen, Öl, Filter, Kerzen, alles neu und der 35 Liter-Tank bis obenhin gefüllt.
Die meiste Zeit kämpfen wir uns durch Regen und Sturm, und erst als wir die Alpen hinter uns lassen und Bella Italia erreichen, haben die Wettergötter ein Einsehen und schicken ein paar wärmende Sonnenstrahlen gen Erde. Wir ahnen noch nicht, wie sehr wir uns bald nach etwas niedrigeren Temperaturen und ein paar Regentropfen zurücksehnen werden.
Wir legen einen zweitägigen Zwischenstopp in Venedig ein. Ich habe ja schon viel über den Massentourismus gehört und gelesen, der diese Stadt jedes Jahr heimsucht, aber diesen Wahnsinn mit eigenen Augen zu sehen, ist doch etwas ganz anderes. Fluchtartig lösen wir uns aus dem Massenstrom und finden uns plötzlich in einem Venedig wieder, an dem sonst niemand interessiert zu sein scheint. Und so erleben wir die Stadt ruhig und beschaulich und von ihrer vielleicht schönsten Seite.
Noch eine lange Fahrt, und wir erreichen Ancona. Heute wird unsere Fähre in Richtung Griechenland ablegen. Bislang ist unsere Reise völlig störungsfrei verlaufen, aber heute, vielleicht liegt es am 13., beginnt der Tag mit einem dummen Missgeschick. Das Bike ist beladen, der Helm sitzt und mit einem beherzten Schwung wuchte ich die Maschine vom Hauptständer. Doch dann geschieht es. Langsam neigt sich das Bike nach rechts. Wer einmal in einer solchen Situation gewesen ist, weiß, dass jetzt nichts mehr zu halten ist, es sei denn, auf der anderen Seite steht jemand, der das Bike auffangen kann. Aber da stand nur ein alter Fiat, und gegen den kracht meine Emma (so habe ich mein Motorrad getauft) mit ihrem vollen Gewicht.
Da der Schaden an dem armen Fiat nicht unerheblich ist, lasse ich die Polizei rufen. Die kommt dann auch nach etwa einer Stunde, und die gesamte Abwicklung nimmt weitere gute zwei Stunden in Anspruch. Ich werde langsam nervös, weil an der Fähre wahrscheinlich schon alle auf mich warten. Als ich dort endlich eintreffe, bin ich noch immer der Erste. Nach und nach trudeln die Mitreisenden ein. Eile ist nicht geboten, da auch von unserer Fähre weit und breit nichts zu sehen ist. Mit über drei Stunden Verspätung trifft sie endlich ein. Aber auch jetzt ist noch Warten angesagt. Unzählige LKW rollen aus der schwarzen Öffnung. Irgendwann ist es so weit. Wir dürfen auf das Schiff, die Bikes werden sicher verzurrt, und wir stechen in See. Der offizielle Teil der Reise kann beginnen.
In Griechenland wollen wir uns nicht aufhalten und entscheiden uns für eine schnelle Fahrt über die Autobahn. Nach zwei Tagen erreichen wir Istanbul, das Tor zum Orient. Aber auch hier wollen wir nicht verweilen, sondern setzen schon am nächsten Morgen mit der Fähre auf den asiatischen Teil der Türkei über. Wer glaubt, dass wir uns nun in beschaulicher Natur befinden, kennt Istanbul nicht. Weitere gut 40 Kilometer lässt uns die Mega-Metropole nicht los, und erst dann dürfen wir nach und nach die Türkei von ihrer schönsten Seite erleben.
Auf halber Strecke bremst uns ein böser Zwischenfall aus. Da ich der Gruppe vorausfahre, ist mein Blick immer wieder auf den Rückspiegel gerichtet, und plötzlich sehe ich nur noch zwei Bikes folgen. Wo ist der Rest? Ich fahre rechts ran, aber keinem ist aufgefallen, wo die übrigen Reisemitglieder geblieben sind. Also lasse ich Maiken absteigen, wende und fahre vorsichtig auf dem Seitenstreifen gegen den Verkehr zurück. Nach einigen Kilometern sehe ich sie an einem der Bikes basteln. Was war passiert? An einem Bike hat sich die Kofferhalterung gelöst, und der vollgeladene Koffer war abgerissen. Das hätte böse enden können. Zum Glück konnte der Hintermann ausweichen, und auch die folgenden Autos sind nicht mit dem Koffer kollidiert. Mit Spanngurten konnten wir das Teil notdürftig befestigen, aber bei nächster Gelegenheit muss hier eine stabilere Lösung gefunden werden.
Mudurnu, unser heutiges Ziel, ist eine alte Osmanische Stadt. Die meisten Häuser stammen aus der Blütezeit des Osmanischen Reichs. Einige sind zu schönen kleinen Hotels und Gästehäusern umgebaut, und in einem von ihnen werden wir die Nacht verbringen. Das Haus gehört einer jungen Familie, die viel Arbeit, Geld und Liebe in die Renovierung des Hauses gesteckt hat. Der Empfang ist so herzlich, als gehörten wir alle mit zur Familie. Die Hausherrin kocht selbst und zaubert ein köstliches Menü zum Abendessen. Und auch das Frühstück am nächsten Morgen entlässt uns gestärkt zur nächsten Etappe.
In dem Städtchen scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Kleine Restaurants, in denen die Männerwelt des Orts ihren Tee schlürft und über die Geschehnisse des Tages debattiert, Handwerksgeschäfte, in denen nach Jahrhunderte alter Tradition gewerkelt wird, Obst- und Gemüsestände, in denen farbenfroh alle Leckereien des Landes frisch angeboten werden – es ist wie eine Reise in die „Gute Alte Zeit“. Was unsere Aufmerksamkeit aber besonders fesselt, ist ein Ungetüm von Motorradgespann, das ein pfiffiger Tüftler gerade entstehen lässt. Stolz präsentiert er sein halb fertiges Werk und staunend betrachten wir jedes Detail.
In den nächsten Tagen zeigt sich die Türkei landschaftlich von ihrer schönsten Seite und menschlich von ihrer freundlichsten. Wir cruisen gerade gemächlich durchs Land, als uns ein PKW überholt und der Beifahrer uns zu verstehen gibt, anzuhalten. Zwei junge Männer steigen aus, und es handelt sich nicht, wie ängstliche Zeitgenossen nun argwöhnen mögen, um einen Überfall, sondern die beiden wollen uns in ihrer Hütte zum Tee einladen. Über einen Feldweg geht es ein paar Kilometer ab von der Teerstraße, und bald sitzen wir zusammen und genießen einen frisch aufgebrühten Tee. Die beiden sind Saisonarbeiter, deren Aufgabe es ist, ein paar Kühe und Schafe zu hüten, und Besucher aus dem Westen mit ihren dicken Maschinen sind da eine willkommene Abwechslung.
Ein paar Stunden später erreichen wir das erste große Highlight unserer Reise, Kappadokien. Wir quartieren uns in einer kleinen Pension ein, die ich schon von früheren Reisen in guter Erinnerung habe. Der Besitzer kocht selbst, und das Abendessen ist großartig.
Am nächsten Morgen geht es früh aus den Federn. Um 05:30 Uhr werden wir abgeholt, und wenig später schweben wir in luftigen Höhen über der mystischen Welt Kappadokiens. Eine Ballonfahrt ist ein absolutes Muss für jeden Kappadokien-Besucher, nicht ganz billig, aber jeder Euro ist hier gut angelegt.
Nach einem opulenten Frühstück satteln wir unsere Bikes und erkunden die Gegend. Zuerst besuchen wir Derinkuyu, eine der vielen unterirdischen Städte. In diesen Städten fanden in politisch kritischen Zeiten bis zu 30.000 Menschen Schutz vor ihren Verfolgern. Bis 120 Meter tief reichten diese Wohnanlagen in die Erde und enthielten alles, was man für mehrere Monate zum Überleben braucht.
Kappadokien ist ein Paradies für Fotografen und Wanderer. White Valley, Black Valley, Pigeon Valley, Love Valley und überall großartige Aussichtspunkte lassen einen stundenlang umherstreifen und die Zeit vergessen, und so mahnte auch uns nur die anbrechende Dunkelheit, zurück zum Hotel zu eilen.
Die nächsten Tage bedeuten viel Kilometerfressen. Wir haben den ursprünglichen Plan, über Esendere in den Iran zu reisen, verworfen und fahren jetzt nach Doğubeyazıt. Wir erleben die Vielfalt türkischer Landschaft. Seen und Felder, aber auch karge felsige Schluchten und weite Ebenen. Ab Erzurum bewegen wir uns konstant auf einer Höhe von etwa 2.000 Metern über dem Meeresspiegel. Der höchste Pass liegt auf über 2.300 Meter. Kurz vor Doğubeyazıt entdecken wir im Dunst das Wahrzeichen der Region, den Berg Ararat. Im Näherkommen werden seine Umrisse klarer und die Wolken, die ihn umgeben, erzeugen ein dramatisches Stimmungsbild. Da wir recht früh unser Hotel erreichen, haben wir noch Zeit, den Ishak Pascha Palast zu besuchen. Und Morgen geht es in den Iran …
Hier endete Im Kradblatt 7/24 Teil 1 des Reiseberichts. Aus Platzgründen haben wir auf unsere Website verwiesen und per QR-Code verlinkt. Hier gehts jetzt weiter mit Teil 2 des Reiseberichts
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Je weiter man gen Osten kommt, desto komplizierter und zeitaufwändiger werden die Grenzübergänge. Die Ausreise aus der Türkei ging schnell vonstatten, bei der Einreise in den Iran war mehr Geduld gefragt. Eine Besonderheit an dieser Grenze ist, dass man nicht erkennen kann, wer Beamter ist und wer Zivilist. Die Zollbeamten stehen und sitzen irgendwo völlig unbeteiligt herum, und nur durch Zufall erkennt man, dass dieser oder jener genau der ist, von dem man die nächste Unterschrift braucht. Aber auch dieses Erlebnis bringen wir erfolgreich hinter uns, und schon rollen wir auf iranischen Asphalt.
Wir haben noch eine gute Strecke vor uns, und so kommt uns ein unangenehmer Zwischenfall sehr ungelegen. An einem weiteren Bike bricht die Kofferhalterung. Mit Gummis und Bändern wird der Koffer provisorisch befestigt, aber so kann es nicht weitergehen. Wir schaffen es noch bis zu einer metallverarbeitenden Werkstatt irgendwo in einem kleinen Städtchen. Die Mitarbeiter lassen sofort alles stehen und liegen, holen ihr Schweißgerät, und wenige Minuten später ist der Schaden behoben.
Iraner und auch Iranerinnen sind sehr kontaktfreudig. Kaum bleiben wir irgendwo stehen, halten auch die ersten Autos und Motorräder an oder eilen die Menschen aus Häusern und Geschäften herbei, und es ergeben sich immer spannende und aufschlussreiche Gespräche. Die Menschen wollen wissen, was wirklich los ist in der Welt, von der sie nur politisch gefilterte Informationen bekommen. Und immer wieder werden wir eingeladen, zum Tee, zum Essen und sogar zum Übernachten. Natürlich können wir auf einer durchstrukturierten Reise wie der unseren nur die wenigsten dieser Angebote annehmen, aber schnell wird uns klar, das Bild, das man uns zuhause über den Iran vorgaukelt, hat mit der Wirklichkeit nichts zu tun. Die Iranerinnen und Iraner sind die freundlichsten, weltoffensten und hilfsbereitesten Menschen, die man sich vorstellen kann. Es ist ein wahrer Genuss, durch dieses Land zu reisen. Nur die Regierung, die sich vor 40 Jahren an die Macht geputscht hat und nun alles daransetzt, das Land zurück in die Steinzeit zu katapultieren, ist ein schreckliches Übel, unter dem vor allem die Menschen des Landes leiden.
Wir sind in Isfahan angekommen. Es ist kaum möglich, sich dem betörenden Flair dieser Stadt entziehen. Schon vor Jahrhunderten besangen Dichter dieses Juwel: „Kennst Du Isfahan, so kennt Du die halbe Welt.“ Wir nehmen uns viel Zeit und machen uns zu Fuß auf den Weg. Unser Hotel liegt gleich am Zayandeh-Fluss, was übersetzt in etwa „Lebenspendender Fluss“ heißt. Leider ist er, wie so oft, völlig ausgetrocknet. Trotzdem nehmen wir die Si-o-See-Pol, eine der sechs historischen Brücken, die über den Fluss führen, und wandern nicht, wie es auch möglich gewesen wäre, einfach durch das Flussbett.
Der Maidan-e Naqsh-e Jahan, seit der Machtübernahme der Mullahs auch Imam-Platz genannt, ist das Zentrum Isfahans. Hier findet man die bedeutendsten Sehenswürdigkeiten der Stadt. Die Lotfallah-Moschee, die Imam-Moschee, den Ali Qapu Palast und den Eingang zum königlichen Bazar. Aber auch der Platz selbst, neben dem Platz des himmlischen Friedens in Peking einer der größten Stadtplätze der Welt, erregt unsere Aufmerksamkeit. Überall sitzen Gruppen von Menschen, grillen, chillen, zeichnen und musizieren. Letzteres ist in der strengen Mullah-Diktatur ungern gesehen, und so müssen die Musikanten aufpassen, nicht von den Sittenhütern erwischt zu werden und sich rechtzeitig aus dem Staub zu machen.
Der lange Marsch durch den Basar führt uns zu einer weiteren bedeutenden Moschee, der Freitags-Moschee. Danach haben wir aber auch genug, und es beginnt schon zu dämmern, als wir an unserem Hotel ankommen. Ein Tag für Isfahan ist viel zu wenig, aber unser eigentliches Ziel haben wir ja noch nicht erreicht, und wir sind ja nur auf der Durchreise.
Früh am nächsten Tag brechen wir auf, denn zwei lange Fahrtage liegen noch vor uns. Zuerst nach Shiraz, die Stadt der Dichter und Denker, und schließlich nach Bandar Abbas, wo die Fähre nach Sharja auf uns wartet. Aber bevor wir Shiraz wieder verlassen, steht noch ein Highlight auf dem Programm, der Besuch der alten Kaiserstadt Persepolis. Persepolis wurde von Darius I., einem Herrscher der Achämeniden-Dynastie, im Jahr 520 vor Chr. erbaut und im Jahre 330 v. Chr. von den Truppen Alexanders des Großen als Racheakt für die Zerstörung der Akropolis in Athen durch die Perserheere 150 Jahre zuvor zerstört und nie wieder aufgebaut. Die heute noch existierenden Überreste lassen erahnen, welche immensen Ausmaße und welche Pracht die Anlage einst besaß.
Der letzte Fahrtag im Iran bringt uns nach Bandar Abbas am Persischen Golf. Die Hitze ist unerträglich. Wir wussten, dass es warm werden würde, aber so warm…
Pünktlich um 08:00 am nächsten Morgen stehen wir am Hafen. Man hatte uns eingebläut, dass wir unbedingt pünktlich hier sein müssten, da die Zollbüros um 14:00 Uhr schließen und das gesamte Prozedere einige Stunden in Anspruch nehmen würde. Sollte wir nicht rechtzeitig mit allem fertig werden, müssten wir auf das nächste Schiff, das erst in zwei oder drei Tagen abfährt, warten. Als Unterstützung habe ich einen iranischen Freund aus Oroumieh mitgebracht. Ich weiß aus Erfahrung, dass hier niemand Englisch spricht und niemand großes Interesse hat, uns zügig zu bedienen. Wir übergeben Hossein alle unsere Papiere, und er zieht los. Nur hin und wieder kommt er angelaufen, wenn er eine Unterschrift braucht oder Geld für Kopien oder Gebühren. Wir sitzen nur dumm rum, schwitzen und hoffen, dass Hossein einen guten Job macht. Mein Versuch, ihm zu folgen und die Vorgänge zu verstehen, scheitert kläglich. Wenige Minuten vor 14:00 Uhr erscheint er freudestrahlend und mit stolz geschwellter Brust. In seinen Händen alle korrekt abgestempelten Carnets de Passages und die erforderlichen Passierscheine. Ein herzlicher Abschied, und schon rollen wir auf die Fähre. Bye, bye Iran.
Auf der anderen Seit, in Sharja, wo unsere Fähre anlegt, geht alles relativ schnell. Ein indischer Mitarbeiter der Fährgesellschaft begleitet uns, bringt uns von Büro zu Büro, und wir wären schon nach knapp zwei Stunden fertig gewesen, wenn es da nicht doch noch ein kleines Problem gegeben hätte. Bei meinem letzten Besuch in der VAE hatte der Zollbeamte vergessen, meine Ausreise im Computer zu vermerken. Offiziell war ich also noch immer in der VAE. Zum Glück war aber mein Pass korrekt gestempelt. Trotzdem dauerte es eine gefühlte Ewigkeit, bis man eine Lösung für dieses Problem gefunden hatte.
Nun konnten wir los. Doch weit kamen wir nicht. An einem Kreisverkehr, der gleich am Ausgang des Zollgeländes lag, fuhr einer unserer Mitreisenden etwas zu forsch in den Kreis und wurde von einem heranrasenden PKW auf die Hörner genommen. Das sah nicht gut aus. Das Bike war in einem traurigen Zustand, und der Fahrer spürte starke Schmerzen im Brustkorb. An Weiterfahrt war nicht zu denken. Er quartierte sich in einem Hotel in Dubai ein in der Hoffnung sein Bike hier reparieren lassen zu können, und wir mussten weiter nach Mussandam, wo wir gegen Mitternacht unser Hotel erreichten. Später teilte uns der Unglücksrabe mit, dass an eine Reparatur seines Motorrads in Dubai nicht zu denken sei und er deshalb beschlossen habe, die Reise abzubrechen und nach Hause zu fahren.
Mussandam ist eine Exklave, die keine Landverbindung zum Mutterland hat. Es ist ein einziges riesiges Felsengebirge. Durch die Lage an der Straße von Hormus kommt ihm strategische Bedeutung zu, was zur Folge hat, dass große Teile der Halbinsel militärisch genutzt werden. Trotzdem sind wir am nächsten Tag mit unseren Bikes tief ins Innere vorgedrungen, nicht immer ganz legal, aber es hat großen Spaß gemacht.
Um uns zwei weitere Grenzüberschreitungen zu ersparen, nutzen wir die Fähre, die uns direkt nach Muscat, der Hauptstadt Omans bringt. Papierkram? Fehlanzeige. Man lässt uns einfach so vom Schiff rollen, und endlich sind wir am Ziel unseres Abenteuers, im Oman.
Unser erstes Ziel ist der Strand von Yiti, wo wir uns in die Fluten des Persischen Golfs stürzen. Das hat gutgetan. Die Temperaturen sind in diesem Jahr selbst für omanische Verhältnisse zu hoch, immer um die 40° C, 30° bis maximal 35° wären für diese Jahreszeit normal, und da kommt uns eine Erfrischung gerade recht.
Abends, es ist jetzt nicht mehr so warm, bewundern wir den Palast des Sultans, leider nur von außen, aber das ist schon eindrucksvoll genug. Dieser Palast ist nur einer von vielen, die übers ganze Land verstreut sind. Wo sich der Sultan gerade aufhält, wissen nur eine Handvoll Eingeweihter.
Oman ist das Land der Wadis. Wadis sind Täler, die die meiste Zeit des Jahres staubtrocken sind. Viele von ihnen sind befahrbar, einige streckenweise sogar asphaltiert. Aber in allen schlummert eine tödliche Gefahr. Wenn es nämlich in den Bergen regnet, verwandeln sich diese friedlichen Täler innerhalb von Minuten in wilde, gewaltige Flüsse, die alles mit sich reißen, was nicht fest verankert ist.
Es sieht heute nicht nach Regen aus, und so brechen wir auf zu unserer ersten Wadi-Tour. Wir verlassen Muscat auf einer kleinen Nebenstraße, die sich in unzähligen Kurven und einem steten Auf und Ab durchs Gebirge windet. Kurz bevor sie sich zum Meer wendet, geht es rechts ab ins Wadi Mayh. Ab hier gibt es nur noch Schotter und Staub. Viel Staub. Wir müssen weit auseinanderfahren, um nicht den aufgewirbelten Staub unseres Vordermanns schlucken zu müssen. Kommt uns ein LKW oder Pickup entgegen, sind wir einen Moment völlig blind. Hier und da liegen kleine Ortschaften etwas erhöht am Rand des Wadis. Hier findet man dann auch das einzige Grün. Ansonsten ist die Landschaft von Sand, Schotter und Felsen geprägt.
Für Wasser sorgen die sogenannten Faladsche. Es handelt sich dabei um Kanalsysteme, in denen das Wasser durch das natürliche Gefälle von Ort zu Ort gebracht wird. Abgeschaut haben sich die Omanis das von den Iranern, wo dieses System schon vor Jahrhunderten erfunden wurde und unter dem Namen Quanat bekannt ist. Das Wissen und die Fertigkeiten um die omanischen Faladsche wurden 2020 in die UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen.
Wir haben nun schon einige Facetten des Landes kennengelernt. Heute sollen weitere hinzukommen. Wir beginnen mit dem Fischmarkt in Barka. Es ist einer der größten des Landes, und das besondere ist die Fischauktion. Die Fischer legen ihre besten Fänge auf die Auktionsfläche, und nun wird geboten. Kommt es zum Abschluss, wird die Transaktion vom Auktionator in sein „goldenes“ Buch eingetragen. Ein paar Meter weiter werden die Fische ausgenommen und zerlegt, ein blutiges und übelriechendes Spektakel. Nach einiger Zeit können wir den Gestank nicht mehr ertragen und fahren in die Berge in den kleinen Ort Nakhal. Schon allein wegen der Bergtour ist diese Fahr lohnenswert. Aber auch das Ziel hat es in sich. In Nakhal befindet sich eine der am schönsten restaurierten Festungen Omans, die wir nun in Augenschein nehmen.
Wenn ich vorhin behauptet habe, Oman sei das Land der Wadis, so könnte man gegenhalten, es sei das Land der Festungen. Beides ist richtig. Oman war schon immer ein sehr reiches Land. Vor Jahrhunderten war es Weihrauch, der den Reichtum des Landes begründete, ebenso wir die Schifffahrt, die omanische Händler bis an die Gestade Indiens und Chinas brachte. In jedem Fall erregte der Reichtum Omans die Begehrlichkeit der Nachbarn, und so musste immer in die Landesverteidigung investiert werden, deren Zeugen die gut erhaltenen oder restaurierten Festungsanlagen sind. Einige von ihnen werden auch noch heute militärisch genutzt. Zurzeit ist es Öl, das die Geldquellen sprudeln lässt, aber in weiser Voraussicht hat Sultan Qaboos begonnen, das Land auf die Nach-Öl-Zeit vorzubereiten und zu einem globalen Handelszentrum auszubauen. So entstehen überall an der Küste große Hafenanlagen, und im Innern durchzieht ein Netz perfekt ausgebauter Schnellstraßen das Land.
Wir verlassen Muscat nach Süden in Richtung Sur. Die Schnellstraße wollen wir aber vermeiden, und stattdessen suchen wir uns einen Weg über kleine Nebenstraßen und holprige Wadis. Auf halber Strecke erreichen wir den Wadi Dhaygah Damm Park, einen Stausee vor unglaublicher Bergkulisse. Im kleinen Café füllen wir uns und unsere Wasserflaschen wieder auf, und weiter geht es über eine nunmehr nicht ganz einfach zu befahrene Wadi-Strecke. Und dann passiert es.
Schon seit einigen Tagen macht mein Bike komische Geräusche. Da die Maschine aber normal läuft, kümmere ich mich nicht darum, und das war keine gute Idee, wie sich jetzt herausstellt. Mit einem lauten Kreischen und einem heftigen Ruck bleibt mein Motorrad stehen, und das war‘s. Der Motor läuft zwar, aber das Bike bewegt sich keinen Millimeter vorwärts. Was tun? Einer der Gäste nimmt mich hinten drauf mit, und wir fahren zum nächsten Dorf, das zum Glück nicht weit entfernt liegt. Hier fragen wir uns durch, bis wir jemanden gefunden haben, der bereit ist, mich und mein Bike mit seinem Pickup für einen akzeptablen Preis nach Sur zu bringen. Am nächsten Tag besorge ich mir einen Mietwagen, denn irgendwie muss es ja weitergehen. Beim Smalltalk erwähne ich gegenüber dem Vermieter das Problem mit meinem Bike. Kein Problem, sagt er, ich kenne jemanden, der kennt sich mit Motorrädern gut aus. Er ruft seinen Bekannten an, und am Nachmittag erscheint der an unserem Hotel. Er ist Ägypter und hat in seiner Heimat bei BMW gearbeitet und Motorräder repariert. Er nimmt meine Emma in seinem Pickup mit und verspricht, sie mir in ein paar Tagen repariert zurückzubringen.
Wir suchen derweil die einzige verbliebene Werft auf, in der bis heute die traditionellen Dhows gebaut werden. Mit diesen Schiffen reisten die omanischen Händler einst in die Welt hinaus, und Sur war das Zentrum, in dem diese Schiffe hergestellt wurden. Heute sind es reiche Scheichs, die sich ein solches Boot zum Vergnügen bauen lassen.
Wir müssen weiter. Wir wollen in die Wüste. Doch vorher ist Abkühlung angesagt. Im Wadi Bani Khalid hat ein steter Wasserfluss aus den Bergen über Jahrmillionen Wasserbecken aus dem Felsen gespült, die nun zu einem erfrischenden Bad einladen. Maiken ist, ohne darüber nachzudenken, in ihrem Bikini ins Wasser gesprungen und wird von einem streng dreinblickenden vollbärtigen Mann ermahnt. Sie muss sich ein T-Shirt überziehen. Aber auch so ist das Bad in dem kristallklaren Nass das pure Vergnügen.
Gegen Mittag treffen wir an einer Tankstelle den Chef des Wüstencamps, in dem wir die nächsten beiden Tage verbringen werden. Mit meinem Wagen ist die Fahrt durch den Wüstensand unmöglich, aber auch die anderen nehmen das Angebot gerne an, sich mit dem Pickup ins Camp chauffieren zu lassen. Nur zwei unserer Reisenden wollen es mit dem eigenen Bike versuchen, und schaffen es tatsächlich, kurz nach uns anzukommen.
Das Camp ist komfortabel, ohne jedoch durch übertriebenen Luxus das Wüstenfeeling zu zerstören. Nach wenigen Minuten spüren wir alle, wie aller Stress von uns abfällt. Wir schweigen und genießen die absolute Stille. Der besonderen Atmosphäre der Wüste kann sich niemand entziehen. Einige brechen zu einer Dünenwanderung auf, andere liegen einfach auf einem der Teppiche im Restaurant und schlürfen ihren Tee oder Kaffee. Zum Abendessen sind wir erstaunt, was das Küchenteam auftischt. Da ist für jeden etwas dabei und auch Maiken, die als Vegetarierin in Oman einen eher schweren Stand hat, kommt voll auf ihre Kosten.
Unser nächstes Ziel ist Nizwa. Hier werden wir uns für einige Tage einquartieren und die Stadt und Umgebung erkunden. Nizwa verfügt über ein großes Fort und eine schöne Altstadt, in der zahlreiche Restaurants und Cafés zum Verweilen einladen. Aber das besondere Ereignis ist der Ziegenmarkt, der jeden Freitag früh am Morgen Händler, Käufer und unzählige Schaulustige aus aller Welt anzieht. Und auch wir sind gegen sechs Uhr vor Ort und bestaunen das lebhafte Treiben. Um eine Plattform in der Mitte führen die Händler die Ziegen im Kreis herum und preisen lautstark die Vorzüge ihres Tiers an. Außen und innen stehen und sitzen Kaufinteressenten und prüfen fachmännisch jedes Tier, und wenn es zum Geschäftsabschluss kommt, ist es die Aufgabe der Frauen, die bis dahin abseits im Hintergrund standen, Geld aus ihrem Gewand zu zaubern und den Deal abzuschließen.
Nach zwei bis drei Stunden löst sich das Ganze auf, und es kehrt Ruhe ein. Wir sitzen da schon beim Frühstück und bereiten uns auf einen ereignisreichen Ausflug vor. Es erwartet uns ein dichtgedrängtes Programm. Zuerst geht es nach Al Hamra. Die Altstadt, deren Häuser ganz aus Lehm erbaut sind, wurde vor Jahren von ihren Einwohnern aufgegeben und zerfällt nun langsam. Wir können hier studieren, wie die Menschen vor unserer Zeit gelebt haben. Wir schlendern durch die engen Gassen und betreten vorsichtig die baufälligen Gebäude, deren offene Türen zum Eintreten einladen.
Das nächste Ziel ist das kleine, beschauliche Dorf Misfah Al Abriyyin, das sich tief in den Bergen versteckt. Auch hier sind die Häuser alt und aus Lehm gebaut, aber noch bewohnt. Es ist ein wenig beklemmend, durch ein Dorf wie durch ein Museum zu ziehen, in dem Menschen und ihre Lebensweise die Ausstellungsstücke sind. Und so brechen wir bald wieder auf. Nun geht es hoch hinauf, zum Jebel Shams, dem höchsten Berg in Oman. Die Straße, zunächst noch asphaltiert, später dann nur noch aus Schotter, windet sich in endlosen Kurven und Schleifen steil nach oben. Den Gipfel selbst können wir nicht erreichen, da sich hier das Militär breit gemacht hat, aber wir stehen staunend am Abgrund einer gigantischen Schlucht, der man den passenden Namen „Grand Canyon of Arabia“ verliehen hat.
Nun stehen noch zwei Highlights auf der Liste, die Forts in Bahla und Jabrin. Und damit reicht es aber auch für heute. Erschöpft suchen wir uns ein nettes Restaurant in der Altstadt und lassen den Tag bei einem köstlichen arabischen Buffet ausklingen.
Der letzte Fahrtag im Oman. Auf dem Weg nach Ibri machen wir in Al Ayn Station und besuchen die Behieve Tombs. Es handelt sich dabei um bienenkorbähnliche Grabstätten, in denen die Menschen vor ca. 4000 Jahren ihre Verstorbenen zur letzten Ruhe gebettet hatten. Wir verbringen die Nacht in einem netten Resort in Ibri und am nächsten Tag erreichen wir Dubai. Hier geben wir die Bikes bei der Spedition ab, die sie sicher in die Heimat transportieren wird, und wir selbst sitzen wenig später im Flieger auf dem Weg nach Hause.
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INFOS Oman Overland
- Gefahrene Kilometer: ca. 11.000
- Dauer: 45 Tage
- Teilnehmer: acht inkl. Guide
- Veranstalter: Wheel of India GmbH (www.wheelofindia.de)
Erforderliche Dokumente:
- Für den Iran und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) ist ein Carnet de Passages vorgeschrieben. Im Oman braucht man es offiziell nicht, aber auf der Fähre von Musandam nach Maskat wurde danach gefragt.
- Falls das Motorrad nicht auf den eigenen Namen zugelassen ist, braucht man für die Einreise in die Türkei eine Vollmacht auf Türkisch. Die bekommt man vom ADAC, wenn man das Carnet bestellt.
- Ein internationaler Führerschein ist empfehlenswert.
- Für Iran und Oman benötigt man ein Visum. In den VAE hängt das von der eigenen Staatsbürgerschaft ab. Deutsche brauchen kein Visum.
Gesundheit:
- Impfungen sind in keinem der besuchten Länder vorgeschrieben
- Im Iran sind Medikamente billig, aber meist nicht vorrätig (Sanktionen)
- In Dubai und im Oman bekommt man alles, teilweise auch verschreibungspflichtige Medikamente ohne Rezept.
- Krankenhäuser findet man in den großen Städten an jeder Ecke
Karten:
- Papierstraßenkarten haben wir keine benutzt, stattdessen die OSM-Karten fürs Garmin-Navi und sind damit sehr gut zurechtgekommen.
Die nächste Tour:
Aus politischen Gründen wird die Tour in der beschriebenen Form in nächster Zeit nicht stattfinden können (Stand Juni 2024).
Stattdessen bietet Wheel of India eine 17-tägige Rundreise durch den Oman an. Die Reise startet und endet in Dubai. Man kann das eigene Bike mitbringen oder vor Ort ein Motorrad (Yamaha Ténéré 700) mieten.
Alle Informationen zu dieser Reise gibts unter: www.wheelofindia.de/oman
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