aus bma 5/12
von Jochen Müller
Es ist Sommer und ein neues Abenteuer wartet auf uns 30 Biker und Bikerinnen. Die wenigsten kennen sich schon, haben aber dennoch ein gemeinsames Ziel: Norwegen.
Die Reise beginnt in Chemnitz. Die Fahrt geht über die A14 an Leipzig vorbei, nach Magdeburg und dann auf die A2 in Richtung Hannover. Während der Fahrt reihen sich immer mehr lebenslustige Menschen mit ihren Maschinen in den Konvoi ein. Kurz hinter Leipzig ist die Gruppe komplett.
Auch diesmal fährt wieder die Chopperfraktion an der Spitze des Konvois und gibt das Tempo an. Ca. alle 150 bis 200 km werden die Tanks gefüllt. Bei den Tankstopps werden schon die ersten Kontakte geknüpft. Da wir genügend Zeit haben, verlassen wir die Autobahn bei Soltau und nehmen die Bundesstraße 209 durch die Lüneburger-Heide. Über die B 404, die A21 und wieder die B404 erreichen wir am späten Nachmittag die freie Hansestadt Kiel. Wir nächtigen in einer Jugendherberge direkt am Hafen. Die Nacht in der Jugendherberge am Hafen verläuft ruhig, obwohl es für Einige von uns doch schon ungewohnt ist im Doppelstockbett zu schlafen.
Nach dem gemeinsamen Frühstück haben wir genügend Zeit für eine erste Vorstellungsrunde. Gegen Mittag heißt es dann satteln, wir müssen pünktlich am Hafen sein, weil die Motorräder zuerst eingeschifft werden. Nach dem Check-in fahren wir in den Bauch der etwas betagten Fähre „Kronprinz Harald“. In der obersten Etage werden uns Plätze zugewiesen, dort befinden sich Stricke und Möglichkeiten die Maschinen festzumachen. Mit dem persönlichen Gepäck geht es dann auf die Suche nach den Kabinen. Diese sind sehr eng, verfügen aber dennoch über genügend Platz, so dass 4 Personen darin schlafen können. Die Überfahrt dauert ca. 18 Stunden. Pünktlich um 14 Uhr legt die Fähre in Kiel ab.
Jetzt erkundet jeder das große Schiff auf seine Weise, oder steht einfach nur an der Rehling und beobachtet das Geschehen auf dem Wasser und die Landschaft, welche vorüberzieht. Am Abend erreichen wir die Storebaelt-Brücke, die Hängebrücke über den großen Belt. Dieses Bauwerk mit seiner Gesamtlänge von 6790 m (Ostteil), 6611 m (Westteil) und einer Höhe von 65 m ist schon sehr bestaunenswert. Die Brücke verbindet die dänischen Inseln Fünen (Nyborg) und Seeland (Korsør). Gastronomische Einrichtungen gibt es an Bord reichlich, so dass jeder etwas für seinen Geldbeutel und sein leibliches Wohl findet. Um 6 Uhr fahren wir in den Oslo-Fjord. Dort passieren wir eine kleine Insel mit der Festung Oscarsborg. Trotz deutscher Übermacht gelang es im 2. Weltkrieg (9. April 1940), mit den Kanonen und den Torpedos der Festung Oscarsborg das deutsche Kriegsschiff „Blücher“ an der engsten Stelle des Oslofjords zu versenken. Dabei fanden 830 Besatzungsmitglieder und Heeressoldaten des Landungskommandos im eiskalten Wasser des Fjords den Tod. Das Wrack liegt immer noch an der Untergangsstelle in 90 Metern Tiefe. Die Kanonen stehen noch auf der Insel, von dem Schiff sieht man aber keine Spur. Gegen 9.30 Uhr legt die Fähre in Oslo an. Nachdem wir die Fähre verlassen haben, fahren wir stadtauswärts in Richtung Bergen. Immer wieder sehen wir stationäre Blitzer, welche aber schon vorher von Verkehrsschildern angekündigt werden.
Schnell wir uns klar, dass wir hier die Geschwindigkeitsbegrenzungen ernst nehmen sollten. Wir müssen aber auch sehr schnell feststellen, dass die Straßen mit ihren vielen Kurven auch kaum höhere Geschwindigkeiten zulassen. Bevor wir unser heutiges Etappenziel erreichen verlassen wir unsere Route noch mal. In Nes biegen wir von der E16 auf die Rv243 ab, so gelangen wir ins Hedalen. Am Ende der Straße steht, in landschaftlich schöner Umgebung, die Stabkirche von Hedal. Schriftlich erwähnt wurde diese Kirche erstmals im Jahre 1327. Sie gilt als die älteste Kirche im Valdres-Gebiet. Stabkirchen sind Kirchen in Holzkonstruktion, die hauptsächlich in Norwegen und Schweden und vereinzelt in England gebaut wurden. Diese eigenartige Bauweise hat wenig mit dem kontinentalen Steinbau gemeinsam, sie ist eine eigenständige Entwicklung mit deutlichen Anlehnungen an den Schiffbau. Ihre Statik ähnelt der von Fachwerk- bzw. Skelettbauten. Nach einer kurzen Besichtigung dieser Kirche fahren wir wieder zurück auf die E16 und erreichen am späten Nachmittag unser heutiges Etappenziel, ein Wanderheim in Leira. Wanderheime, oder zu Deutsch Jugendherbergen, sind in Norwegen auf einem relativ hohen Niveau. Heute wird selbst gekocht. Tische und Stühle bekommen wir vom Heim, das Essen haben wir mit unserem Begleitfahrzeug selbst mitgebracht. Nach dem Essen, gibt es Wissenswertes über Norwegen. Wir machen ein Quiz, die Fragen stellt Roberto und dem Sieger winkt ein Eis. Von der Herberge aus sehen wir einen Wasserfall. Einige versuche den Weg dahin zu finden, doch dies stellt sich eher schwierig dar, da es keinen offiziellen Weg dahin gibt. Aber wir sollten noch genug Wasserfälle zu sehen bekommen, denn Norwegen ist das Land der Fjorde, Berge, Seen und Wasserfälle. Eigentlich müssten wir heute zeitig schlafen gehen, weil morgen eine große und anstrengende Etappe auf uns wartet, aber es will nicht so richtig dunkel werden. Daran können auch die Regenwolken, welche gerade aufziehen nichts ändern.
Die Nacht ist vorbei und es hat geregnet. Nach dem Frühstück heißt es wieder packen. Den grauen Wolken am Himmel wollen wir trotzen. Wir fahren los, ohne die Regenkombis anzuziehen, in der Hoffnung, dass die Sonne sich bald wieder sehen lässt. Doch daraus wird nichts. Nur wenige Kilometer nach unserem heutigen Start kommt der große Regen und wir brauchen die Regenkombis. Es geht weiter auf der E16 bis Fagernes, dort biegen wir auf die Rv51 und fahren in Richtung Beitostølen.
In Beitostølen gibt es zwei große Skigebiete. Die Höhe von 900 m über dem Meer und die benachbarte Bergkette von Jotunheimen sichern sehr frühen Schneefall und eine Skisaison, die bis in den Mai hinein andauert. Nun lässt sich die Sonne schon immer wieder mal sehen, schafft es aber noch nicht die Wolken zu vertreiben. Bei einem Fotostopp kommt plötzlich eine Ziegenherde vom Berg. Diese Ziegen sind sehr zutraulich, laufen um uns her, beschnuppern unsere Maschinen und lassen sich auch nicht von den Motorengeräuschen vertreiben, als wir wieder starten wollen. Leider hängen die Wolken hier oben sehr tief und wir können nur erahnen welch wundervolle Landschaft sich hinter diesem Nebel verbirgt.
Aber irgendwann schafft es die Sonne doch und wir können die ersten Eindrücke von diesem Hochland sammeln. Es ist unbeschreiblich schön. Unsere Regenkombis dienen uns aber immer noch, denn bei Außentemperaturen um die 6 Grad sind diese auch angenehm warm. Wir fahren sehr lange auf einer Straße, welche nur allmählich ansteigt und wieder abfällt und irgendwie an die Highways in Amerika erinnert. Zu beiden Seiten weite Flächen, Seen, Berge und Schnee.
Wir fahren weiter talwärts, über die Rv51 und die Rv15 nach Otta. Nach einem Tankstopp fahren wir weiter auf der E6 und die E136 in Richtung Ålesund. Da tun sich plötzlich steile Felswände vor uns auf und immer wieder Wasserfälle, welche mehrere hundert Meter hoch sind. Es ist unbeschreiblich. Nach weiteren 150 km erreichen wir unseren nächsten Tankstopp in Åndalsnes.
Danach beginnt für diesen Tag unsere letzte Etappe. Wir fahren weiter auf der E136 am Innfjord und Romsdalfjord entlang und dann auf die E36 in Richtung Ålesund. Über die Rv661 und Rv659 erreichen wir am Abend endlich Skjelten. Die Sonne hat inzwischen auch die Wolken besiegt und belohnt uns mit einem strahlend blauen Himmel. Nun müssen wir noch auf die Fähre warten, welche uns zur Insel Løvsøya bringt.
Auf der Insel werden wir schon von einem jungen Mann erwartet, er heißt Matthias, stammt aus Deutschland und arbeitet auf den Inseln Løvsøya, Haramsøya und Skuløya als Pfarrer.
Hier lernen wir auch die Gastfreundschaft der norwegischen Inselbewohner kennen, welche uns ganz spontan eine große Schüssel Makrelen schenken, weil wir ihren Pfarrer gut kennen. Vermutlich hat die Insel noch niemals so viele Motorräder gesehen, denn wir werden dort noch mehrfach als Gruppe fotografiert, sogar die einheimische Presse lässt sich dies nicht entgehen. Pfarrer Matthias begleitet uns zu unserer Unterkunft, ein altes Holzhaus, welches der Kirche gehört. Dieses Haus hat auf zwei Etagen mehrere Zimmer mit Übernachtungsmöglichkeiten, so dass jeder sein Bett findet. Eine große Küche ist auch vorhanden. Zum Abendessen hat Matthias eine Überraschung für uns, es gibt Walgulasch, selbst gekocht. Für manche von uns etwas gewöhnungsbedürftig, aber lecker. Verwundert blicken wir auf die Uhr, als wir nach dem Essen noch auf der Terrasse sitzen. Die Sonne scheint, dabei es ist schon 21.30 Uhr! Man könnte jetzt Zeitung lesen, ohne Licht. Dort wird es im Sommer nie richtig dunkel, selbst nach Mitternacht, als wir dann doch ins Bett gehen ist es noch so, als hätte die Dämmerung gerade eingesetzt.
Als wir am nächsten Morgen aufwachen scheint die Sonne wieder. In Norwegen ist das nicht so selbstverständlich, denn die letzten Wochen hat es hier nur geregnet, wir haben quasi das schöne Wetter mitgebracht. Heute wollen wir nach Ålesund. Dazu müssen wir natürlich wieder auf die Fähre, welche uns zum Festland bringt. Immer wieder fahren wir am Wasser entlang, wobei wir uns nie so richtig sicher sind, ob es sich hier um das offene Meer oder einen der vielen Fjorde handelt. Bei einem Fotostopp sehen wir am anderen Ufer die Stadt Ålesund, aber es gibt weit und breit keine Brücke, welche uns in die Stadt bringen könnte, dafür liegt vor uns aber eine Mautstelle. Also passieren wir die Mautstelle und die Straße führt uns in einen Tunnel, welcher sich korkenzieherförmig in die Tiefe bohrt. Dieser Tunnel bringt uns unter dem Meer hindurch auf die andere Seite, genau ins Zentrum von Ålesund. Die Stadt liegt etwa 236 km nordnordöstlich von Bergen auf mehreren Inseln direkt am Meer. Nach einer kurzen Stadtrunde fahren wir an den Stadtrand von Ålesund, ins Sunnmøre Museum. Das Sunnmøre Museum ist ein Freilichtmuseum. Es liegt ca. 4 km östlich vom Ålesunder Zentrum im Gebiet des historischen Handelsplatzes Borgundkaupangen und dokumentiert die Küstenkultur der Region Sunnmøre. Das Freilichtmuseum umfasst in einem schönen Naturpark 55 alte, zum Teil grasbedachte Häuser, eine größere Bootssammlung, das Wikingerschiff Borgundknarren und ein Mittelaltermuseum. Bevor wir wieder zur Insel zurück fahren, wollen wir noch etwas ganz Besonderes genießen. Wir fahren durch ein Wohngebiet immer weiter nach oben auf den Hausberg von Ålesund. Auch heute sitzen wir bei herrlichem Sonnenschein bis zum späten Abend auf der Terrasse. Gegen 22.30 Uhr fahren wir zum nördlichsten Punkt der Insel, um auf den Sonnenuntergang zu warten. Es ist keine Wolke am Himmel zu sehen und das Meer ist ganz ruhig.
Heute ist Sonntag, dennoch müssen wir wieder einmal sehr zeitig aufstehen, denn heute fahren die Fähren in größeren Zeitabständen, das heißt, Wartezeiten von bis zu 2 Stunden, wenn man eine Fähre verpasst. Obwohl der Himmel voller dunkler Wolken hängt, sind wir dennoch optimistisch. Am Festland angekommen, fahren wir wieder über Skodje und dann auf die Rv650 entlang des Norddalsfjord bis kurz vor die kleine Ortschaft Linge. Dort geht es auf die Fähre nach Eidsdal. Die Überfahrt dauert ungefähr 30 Minuten. Als wir weiterfahren, sehen wir wieder unbeschreiblich schöne Landschaftsbilder. Ein unendlich scheinendes Hochland mit weiten Tälern und breiten Flüssen gesäumt von diesen wahnsinnigen Bergen. Wir erreichen einen Parkplatz und müssen uns nicht lange wundern, weshalb hier so viele Autos stehen. Ein paar Schritte bis zum Abgrund und wir sehen den Geirangerfjord und Geiranger von oben. Weiter fahren wir die Adlerstraße abwärts. In elf Serpentinen schlängelt sie sich von 624 Meter auf Meereshöhe hinab, wobei immer wieder überwältigende Ausblicke auf den Geirangerfjord mit seinen Wasserfällen, sowie den Ort Geiranger möglich sind. Die Straße führt am Fluss entlang bis nach Stryn. In Stryn verlassen wir die Rv15 und fahren auf der Rv60 weiter. Diese Straße führt uns um den ganzen See herum und wir glauben bald wieder in Stryn an zu kommen. Doch wir sollten uns arg täuschen, denn dieser See ist der Innviksfjord und es gibt nur diese eine Straße, die um den Fjord herum führt. Nach einer doch nicht zu langen, aber sehr anstrengenden Etappe erreichen wir Sogndal.
Unsere Unterkunft ist eine Jugendherberge in Songdal. Allerdings müssen wir feststellen, dass es bei diesen Herbergen auch gewaltige Unterschiede gibt. Hier nimmt man es anscheinend auch mit der Sauberkeit nicht so ernst. Dafür gibt es aber einen großen hölzernen Pavillon. Dieser bietet genügend Platz zum Zusammensitzen im Regen und die Möglichkeit zum Grillen.
Heute hängt der Himmel voller Geigen, es regnet. Wir gehen gemeinsam frühstücken, in der Hoffnung, dass dieser Regen bald aufhört und wir doch noch unsere Tagestour machen können. Es bildet sich ziemlich schnell eine Gruppe, um eine kleine Tour mit Besichtigung einer Kirche in einem kleinen Tal zu unternehmen. Die anderen gehen shoppen oder nutzen die Freizeit einfach zum Relaxen.
Sogndal liegt am Ende des Sogndalfjords. Dieser ist der längste (204 km) Fjord Europas und gleichzeitig der tiefste (1.308 Meter) der Welt. Die Ausflügler des heutigen Tages sind sehr schnell wieder zurück, denn der Regen hat sie zum Umkehren gezwungen. So bleibt genügend Zeit zu Gesprächen und gemütlichem Beisammensein im Pavillon. Dabei stellen wir uns zum ersten Mal die Frage, ob es hier überhaupt Polizei gibt, denn bisher haben wir noch keine gesehen.
Auch am nächsten Morgen, als wir weiterfahren wollen regnet es. Wir starten also gleich in der Regenkombi. Auf der Rv13 fahren wir bis zur Fähre, welche uns über den Sognefjord nach Vangsnes bringt. Auf der Fähre steht ein Reisebus aus Thüringen neben uns. Schnell kommt man ins Gespräch, denn die Reisegäste können es kaum fassen, dass wir mit dem Motorrad so weit gereist sind. Es regnet nicht mehr und wir können unsere Regenbekleidung wieder ausziehen und verpacken. Wir verlassen die Rv13 kurz vor Granvin, bevor diese in einem dieser vielen langen Tunnel verschwindet und fahren auf der Rv7 weiter bis Kvanndal. Dort warten wir auf die nächste Fähre, welche uns über den Eidfjord, einen Ausläufer des Hardangerfjords, nach Kinsarvik bringt. An dieser Stelle ist der Eidfjord 725 m tief. Auf der Überfahrt bleibt genügend Zeit, um ein Käffchen zu trinken oder einfach für ein kleines Schläfchen an Bord. Nach ca. 30 Minuten legt die Fähre zu einem Zwischenhalt an. Einige Autos verlassen die Fähre, andere wollen mit uns nach Kinsarvik. Nun sind es nur noch wenige Kilometer bis zu unserer nächsten Unterkunft, die Jugendherberge in Lofthus. Diese Jugendherberge ist die komfortabelste, die wir bisher kennen gelernt haben. Das Personal ist sehr freundlich und hilfsbereit. Kaffee gibt es ganztägig kostenlos.
Am nächsten Tag wollen wir zum Hardangerfjord fahren. Wir fahren auf der Rv13 nach Odda und dort durch den 11 km langen Folgefonntunnel, welcher unter dem Folgefonnagletscher hindurch führt, direkt zum Hardangerfjord. Der Hardangerfjord ist etwa 170 km lang. Ein gefüllter Parkplatz lässt darauf schließen, dass es wieder etwas zu sehen gibt – es ist ein Wasserfall. Es ist ein sehr imposantes Schauspiel dem Wasser zuzusehen, wie es über die ausgewaschenen Felsen ins Tal und unter einer schmalen Brücke hindurch in den Fjord stürzt. Die Fahrt geht weiter immer am Hardangerfjord entlang nach Utåkar. Von hier bringt uns eine Fähre über den Skånevikfjord nach Skånevik. Jetzt führt uns die Rv48 über die Berge wieder auf die E138 in Richtung Odda. Die Straße verschwindet hier im 7,4 km langen Åkrafjordtunnel und weitere Tunnel folgen. Bei so vielen Tunneln darf eine Mautstelle aber nicht fehlen, jedoch haben wir schon Verständnis dafür, denn ohne Tunnel oder Fähre ist das Erreichen eines Zieles kaum möglich. Weiter fahren wir auf der Rv13 über Odda zurück, nach Lofthus. Während der Fahrt am Sørfjord entlang, sehen wir immer wieder kleine Stände mit handgemalten Schildern „Morellen“. Hier stehen kleine mit Kirschen gefüllte Körbchen und daneben eine offene Geldkassette, die „Kasse des Vertrauens“.
Nach dem gemeinsamen Frühstück beginnt heute die letzte Etappe. Wir packen unsere Sachen und starten mit dem Ziel Oslo. Wir fahren über Odda auf die E134 und tauchen noch mal ab in die imposante Bergwelt. Ein Ortsausgangsschild weist auf den folgenden Ort hin, der 52 km entfernt ist. Sicher ein Druckfehler, oder? Wir kommen nicht sehr weit und werden plötzlich durch einen Stau am Weiterfahren gehindert. Die großen rot leuchtenden Hinweistafeln, mit norwegischem Text, haben wir zwar gesehen, konnten sie aber nicht lesen. Wegen umfangreicher Erweiterungs- und Sanierungsarbeiten sind der Røldalstunnel nur von 12.00 Uhr bis 20.00 Uhr geöffnet und der Haukelitunnel komplett gesperrt. Der Verkehr wird mit Lotsen einspurig über die alte sehr enge Passstraße geführt. Nach dieser Baustelle fahren wir weiter durch dieses Hochland auf einer relativ ebenen Straße, welche auf ca. 15 km mit Straßenlampen gesäumt ist. Den Sinn dieser Beleuchtung verstehen wir allerdings nicht – liegt vielleicht daran, dass hier im Winter mehrere Wintersportgebiete sind. Wir folgen weiter der E134 und die dunklen Wolken über uns lassen ein Fahren auf trockenen Straßen kaum zu. Direkt an der E134 liegt Heddal. Hier gibt es noch mal Grund für einen kurzen Halt, eine Kirche. Die Stabkirche von Heddal ist mit rund 20 Metern Länge und 26 Metern Höhe die größte ihrer Art in Norwegen. Der Sage nach erbaute der Troll Finn, der im Svintruberg unweit Heddals wohnte, das Gotteshaus im Laufe von nur drei Tagen. Einzelne Kunsthistoriker datieren die ältesten Teile der Stabkirche, vor allem den Chor, auf das 12. Jahrhundert zurück. Diese Stabkirche ist durch ihre Größe und die Vielzahl der sich überlappenden Dächer beeindruckend. Sie wird gelegentlich als „gotische Kathedrale aus Holz“ bezeichnet. Die dreischiffige Langkirche mit erhöhtem Mittelraum ruht auf zwölf tragenden Masten, den so genannten „Stäben“. Für den Bau wurde harzreiches Kiefernholz verwendet, das zum Schutz gegen Fäulnis regelmäßig nach mittelalterlichem Vorbild geteert wird. Über Drammen fahren wir weiter auf die E18 nach Oslo. Die E18 ist hier eine der wenigen Autobahnen, welche es in Norwegen gibt. Erwähnenswert wäre, dass wir heute zum ersten Mal Polizei gesehen haben. Es gibt sie also doch in Norwegen. Obwohl die Polizei hier nicht so präsent ist, wie in Deutschland, haben wir während der gesamten Reise keine Unfälle, Raser oder betrunkene Autofahrer gesehen.
Unser Ziel in Oslo ist das Hostel Haraldsheim. Es befindet sich am Stadtrand von Oslo, mit Blick über die Stadt bis zum Hafen. Haraldsheim ist sehr modern eingerichtet und lässt kaum Wünsche offen, selbst eine Gästeküche ist vorhanden. Wie überall in Norwegen herrscht auch hier striktes Alkoholverbot, selbst in Supermärkten wird nach 20 Uhr kein Bier mehr verkauft.
Der letzte Tag in Norwegen beginnt. Nach dem Frühstück fahren wir zum Hafen. Während wir auf das Einschiffen warten, lernen wir andere deutsche Biker kennen. Während diese 23 Tage nur im Regen unterwegs waren, können wir uns über die paar Regenstunden wirklich nicht beklagen. Nachdem wir unsere Bikes mit Seilen und Spanngurten auf Deck 4 befestigt haben, sehen wir, wie Besatzungsmitglieder unsere Spanngurte nochmals nachziehen. An der Rezeption auf Deck 5 bemerken wir ein emsiges Treiben, es werden weiße Papiertüten an vielen Stellen positioniert. Dies lässt schon ahnen, was uns da auf See erwartet. Die Fähre legt pünktlich um 14 Uhr ab. Schon jetzt ist es auf dem Sonnendeck ziemlich ungemütlich. Als wir den Oslofjord verlassen und die offene See erreichen, wird es richtig ungemütlich. Trotz blauem Himmel herrscht hier sehr starker Wind, geschätzt auf Windstärke 9 mit Wellen zwischen 7 und 10 Metern hoch. Kaum zu glauben, dass ein so großes Schiff so sehr schaukeln kann. Immer wieder sind Geräusche zu hören, als wäre das Schiff über einen Bahnübergang gefahren. Sehr viele Passagiere verschwinden mit grünfarbigem Gesicht unter Deck und die Vorräte an Papiertüten nehmen sehr schnell ab. Da hilft nur, dem Magen etwas zum Arbeiten zu verschaffen und schnell irgendwo hin, wo der Horizont zu sehen ist. Erst gegen 22 Uhr, als wir in die Nähe der dänischen Küste gelangen wird die See wieder etwas ruhiger. Nach einer stürmischen und kurzen Nacht erreichen wir mit etwas Verspätung Kiel. Haben unsere Bikes diesen Sturm ohne Beschädigung überstanden? Ja, unsere Bikes stehen noch da, als wäre nichts gewesen.
Nachdem wir unser Gepäck ein letztes Mal verstaut haben, schnell noch ein Gruppenfoto im Hafen, mit unserer Fähre „Kronprins Harald“ im Hintergrund. Nun heißt es Abschiednehmen. Jeder startet jetzt auf seine Weise, auf den möglichst kürzesteten Weg nach Hause. Diese Reise hat uns sehr viele schöne Eindrücke vermittelt, neue Freundschaften wurden geschlossen und wir werden uns bestimmt sehr bald wieder sehen.
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