aus bma 3/13
von Markus Witt & Ingrid Berndsen
Endlose Highways, umzäunt von grandiosen Landschaften, von eintönigen monotonen Birken- und Kiefernwäldern bis hin zu emporsteigenden alpinen Berggipfeln, die von riesigen, massigen Furchen und tobenden Wasserfällen durchzogen werden. Auf den Spuren nordischer Götter- und Sagenwelten, schaurigen Heldengeschichten, mutigen Entdeckern und Seefahrern. Das ist der Lockruf des Nordens! Wer einmal dort gewesen, den zieht es magisch immer wieder dorthin. Der ist in den Bann urtümlicher, aber nie menschenfeindlicher Natur geraten. Einen Vergleich mit Kanada und Alaska braucht Norwegen nicht zu scheuen, und doch ist es ganz anders.
„I’m sorry! Ich kann euch nur ohne Motorrad mitnehmen, auch wenn ihr das gebucht habt!“ Mit diesem Wortgemisch versucht uns der Kapitän einer Schnellfähre, die uns von Narvik nach Svolvaer, also zu den Lofoten, übersetzen sollte, zu trösten.
Was war passiert? Endlich wieder einmal ein gemeinsamer vierwöchiger Jahresurlaub zur besten Urlaubszeit im Juni/Juli. Während die meisten wohl südliches Terrain mit zwei Rädern bereisen wollen, sind wir uns einig, den Teil Norwegens mit dem Motorrad zu bereisen, der uns noch fehlt: die Lofoten und Norwegens Küste bis nach Bergen!
Vor fünf Tagen waren wir an der deutsch-dänischen Grenze gestartet. Über Fünen und die imposante Beltbrücke und die Öresundbrücke erreichten wir Malmö/Südschweden. Von dort ging es über Jönköping nach Uppsala bis zur Küste. Dort befuhren wir den Highway E4 Richtung Norden und erreichten Skellefteå, von dort geht es schnurstracks nach Kiruna, jener Erzmetropole, die bis heute in keinem Erdkundeunterricht unerwähnt bleibt. Die Spuren der Vergangenheit sind nach wie vor lebendig und vor allem aktiv. Plattenbauten eines real existierenden schwedischen Sozialismus im Stadtkern, umgeben von riesigen Abbaubergen in der kargen Lapplandlandschaft erinnern intensiv an deutsche Sünden in West und Ost. Für uns eine dunkle, trübe Stadt, die man mit leichter Gänsehaut möglichst schnell wieder verlassen möchte. Kiruna wollten wir eigentlich nicht wieder sehen, doch jetzt sind wir schon zum zweiten Mal hier. Es ist aber die günstigste Möglichkeit schnell nach Narvik zu kommen. Kiruna empfehle ich Ihnen, wenn Sie die ganze Welt gesehen haben, zuviel Geld haben, nichts mit sich anzufangen wissen, nicht aus Not, sondern aus Langeweile suizidgefährdet sind, also alles erreicht haben, dann fahren sie hier hin!
Aber zum Glück ist unser Reiseziel ein anderes. Über die E 10 geht es weiter in Richtung Narvik. Norwegens bergige Schroffheit beginnt auf schwedischem Boden, zunächst unmerklich, dann aber umso markanter.
Serpentinenstraßen verlocken sofort zum Ausloten der Reifenhaftgrenze der GS, die hier ihre bayerische, bergige Herkunft in aller Ehre nicht verleugnen kann, doch sollte eine vorsichtige Gashand die Oberhand behalten, trotz der vergangenen Tage endloser monotoner Highways.
Nun stehen wir, wie gesagt, pardon, geschrieben, etwas ratlos am Narviker Kai. Immerhin hatten wir die Überfahrt nach Svolvær per Internet gebucht!
Doch Pech gehabt! Während der Kapitän durchaus bereit ist uns mitsamt Maschine an Bord zu nehmen, hat sein 1. Offizier schwere Bedenken. Problematisch sei der Transport wegen der Kraftstoffe. Ingrids Überzeugungskunst in bestem Norwegisch wirkt bei den Nachfahren der Wikinger leider nicht. Uns bleibt nichts anderes übrig, als die Fährverbindung in Skutvig ca. 130 Kilometer weiter südlich zu nutzen, die uns der Kapitän mit einem gewissen funkelnden Leuchten in den Augen empfiehlt.
Und das nicht zu unrecht. Bestes norwegisches Wetter und eine kurvenreiche Anreise sorgen für gute Stimmung. Zwar ist der größte Teil der E 6 auf 60 km/h reglementiert, die Einheimischen garantiert trotz polizeilicher Überwachung schneller unterwegs, für uns genügt es aber vollkommen im Cruiser-Tempo genüsslich den zum Teil verwinkelten und auch schmalen Straßenläufen zu folgen.
Angekommen in Skutvik blicken wir auf den verschachtelten Vestfjord und auf zwei riesige Autokolonnen, die alle mit wollen. Schnell eingeschifft und nach rund dreistündiger Überfahrt erreichen wir die Lofoten.
In Svolvær, obwohl es nur ein kleines Fischerstädtchen ist, herrscht reger Betrieb. Weniger verursacht durch die heimischen Fischer, als vielmehr durch enormen touristischen Besucherströme, die aus allen Ecken dieser Welt zu kommen scheinen! Busladung um Busladung, Wohnmobile um Wohnmobile, Autos um Autos quälen sich im strömenden Regen durch die kleinen Gassen! Motorräder begegnen uns nur wenige!
„Herzlich willkommen!“ begrüßt uns sehr freundlich die Angestellte eines kleinen Hotels, das sich in einer Seitengasse zentral gelegen in Svolvær befindet. Weniger willkommen scheinen wir für eine zwanzigköpfige Wandergruppe aus der Schweiz zu sein, die skandinavisches Anretning diniert. Misstrauische Blicke, Getuschel, plötzliches Verstummen der Stimmen. Was soll’s! Jeder Mopped-Fahrer kennt das! Klar sehen wir heiß aus: volle Montur, nass durchtränkt und wir kommen auch noch zu einer unchristlichen Zeit an!
Schwarze Gardinen! Sie haben richtig gelesen! Unser kleines Zimmer mit Küchenzeile, das wir weit entfernt von der Schweizer Wandergruppe beziehen, besitzt solche! In den nächsten Nächten genießen wir das dann auch, denn die Mitternachtssonne, besser die Helligkeit, wird wirkungsvoll abgeschirmt.
Der schwarze Gummikörper presst sich permanent gegen den Poller. Zwölf Männer und Frauen stülpen sich wortlos gelbe Schwimmwesten über. Zaghaft besteigen sie das hin und her schlingernde Schlauchboot. Zwei Instruktoren weisen sie ein. Begleitet wird die Gruppe von unzähligen Augenpaaren, teils belustigen, teils voller Ehrfurcht vor dem Kommenden! Heja Wal! Heja Safari! Dumpfes, drohendes Erwachen des Außenborders lässt den Bootskörper erzittern. Die Tampen lösen sich und pfeilschnell jagt das Boot von der Pier in Richtung Hafenmole und von dort hinaus in die Weite, um Wale zu beobachten!
Da es permanent weiter regnet, suchen wir uns schließlich eine Nische in einem völlig überfüllten Café. Serviert wird der (umgerechnet) 7,- Euro teure Cappuccino in großen Tassen und schmeckt hervorragend.
Dann fassen wir den Entschluss, trotz des Regens zu fahren. Svolvær per pedes zu erobern lohnt sich, aber wir wollen mehr von der Insel-Gruppe sehen! Einmal bis nach Å, den südlichsten Zipfel der Lofoten! Eine kurvige, abwechslungsreiche Strecke, gespickt mit Radarfallen, ist nur zu empfehlen! Unterwegs begegnen wir tollen, aufwendigen Brückenkonstruktionen. Herrliche Ausblicke auf’s Meer bleiben uns – leider – verwehrt! Regen, Regen und nochmals Regen. Diesig wird es. Unsere heimliche Hoffnung, dass es hinter den einzelnen Bergen aufhören könnte zu regnen, geht nicht in Erfüllung! Nach nur rund 100 Kilometern unweit von Ramberg meutert Ingrid! Nicht, weil die sündhaft teuren GORE-TEX Klamotten undicht sind, sondern es macht keinen Spaß mehr! Also: zurück, im Regen!
Der nächste Tag beschert uns keinen Regen, sondern aufgelockerte Bewölkung mit Sonnenschein! Dennoch: Das Thermometer zeigt wie tags zuvor nicht mehr als 10° Grad an! Diesmal aber geht es in nördliche Richtung nach Fiskebøl! Gut geteerter Asphalt, mit Kurven gespickt, die bergigen Straßen rauf und runter lassen nach Tagen des Entzugs endlich wieder Motorrad-Feeling aufkommen. Vorbei an traumhaften türkis bis hellblau leuchtenden, sandigen Stränden und Meeresbuchten, die zum Fantasieren verleiten: Reggae-Musik, Bambusröcke, Zuckerrohr und Palmen! Ein Blick auf’s Thermometer wirkt genauso ernüchternd, wie auch der Blick auf die menschenleeren Traumstrände! Es ist halt doch eine Polarkaribik, anders – nicht nur kälter – aber genauso schön!
Vor Fiskebøl nehmen wir die Abzweigung nach Liland und fahren wieder in südlicher Richtung an der Küste entlang. Irgendwann wechselt der geteerte Belag zu erstklassigem Schotter. Das macht richtig Laune: Mit rund 50 km/h und schöner Staubwolke kündigen wir uns jedem Auto rechtzeitig an! Vorbei geht es solange an einzelnen Häusern und klitzekleinen Dörfern, bis wir an der Südspitze parallel zu Svolvær stehen. Nischen, um zu pausieren gibt es reichlich, und – ganz wichtig – Sonnenschein!
Einen Tag bevor wir die Lofoten wieder verlassen werden, wollen wir es noch einmal wissen! Å, der südlichste Punkt der Lofoten und wahrscheinlich der Ort weltweit mit dem kürzesten Namen! Misstrauische Blicke auf die Wolkendecke, aber zumindest trocken! Los geht’s! Unterwegs reißt nach einigen Passagen endlich die Wolkendecke auf und sofort spüren wir die warmen Sonnenstrahlen auf unseren Kombis. Über Leknes erreichen wir Ramberg (E 10). Zwischen Ramberg und Moskenes, vor einer Brücke, direkt am Wasser gelegen, entdecken wir ein kleines Fischrestaurant mit Außenterrasse. Etwas zugig, aber Mopped-Klamotten sind vielseitig. Dort speisen wir fangfrische Seezungen, und zwar satt! Seezungen, bei uns unbezahlbar, gibt es dort für ein Butterbrot und ein Ei! Da frischer Salat fast genauso teuer ist, relativiert sich wieder alles! Gut gestärkt, Sonnenschein und blauer Himmel, fast werden wir übermütig, um nach Å zu kommen.
Endlich erreichen wir Å und werden enttäuscht. Außer einem riesigen Wendehammer mit unzähligen Parkplätzen können wir noch nicht mal das Meer sehen. Schade eigentlich! Die kurvenreiche Rückfahrt nach Svolvær sorgt aber wieder für gute Laune.
Am nächsten Tag brechen wir von Svolvær mit der Fähre wieder nach Skutvik auf. Dort angekommen, fahren zunächst in nördlicher Richtung nach Narvik, um auf die E 6 bei Vassmo zu stoßen. Von dort fahren wir über Fauske bis nach Mo i Rana. Ca. 50 km nach Lønsdal halten wir auf einem steinigen und kargen Parkplatz vor einem großen runden Gebäude. Dies ist so ziemlich der einzige Hinweis darauf, dass wir dabei sind, den Polarkreis zu überqueren. Ein paar Fotos geschossen und weiter in Richtung Mo i Rana.
Breite Straßen, Baustelle an Baustelle, graue Arbeiterhäuser, aufbäumende dunkle Industrietürme. Mo i Rana gleicht einer Stadt aus dem Ruhrpott. Wir beziehen ein Hotel mit Steak-House und genießen nach tagelanger fischreicher Kost ein erstklassiges Steak zu einem ebenso erstklassigen Preis (zwei Steaks für 700 Kronen!). Ein deutsches Pärchen, ebenfalls auf BMW R 1150 GS unterwegs, vom Nordkap kommend, treffen wir dort. Ein paar „Mopped-Geschichten“ müssen sein! Irritiert nehmen wir zur Kenntnis, dass der junge Fahrer plötzlich erzählt, die Norweger seien ja recht freundlich und würden ihn auch immer ansprechen. Er würde dann immer antworten, er könnte sie nicht verstehen, sie sollten doch deutsch sprechen.
Am nächsten Morgen beim Aufsatteln zückt der Fahrer plötzlich eine kleine Fahnenstange mit Deutschlandflagge hervor (war noch keine WM!) und setzt sie auf einen Adapter an der Gepäckbrücke. Zu zweit und mit fliegender Deutschlandfahne düsen beide auf Norwegens Straßen los! Nachdenklich über diese Geste setzen wir uns in Bewegung und folgen der E 6 in Richtung Grong. Anstatt nach Namsos auf die 17 abzubiegen, fahren wir nach Steinkjer (E 6). Dort beginnt der Trondheimfjord, der unser nächstes Etappenziel Trondheim vorwegnimmt.
Trondheim, eine der größten Metropolen Norwegens mit rund 145.000 Einwohnern, kündigt sich bereits hinter Stjørdal mit einer Autobahn an. Bevor man aber in die Stadt gelangen kann, muss (geschickter Weise) nach Benutzung der Autobahn eine Maut entrichtet werden. Löblicherweise sind Motorradfahrer davon ausgenommen!
Erzbischofssitz und Universitätsstadt zugleich. Dort findet ein anderes, ein pulsierendes Leben statt. Unzählige junge Menschen bevölkern nicht nur abends die vielen Kneipen und Restaurants, sondern auch tagsüber die niedlichen kleinen Gassen mit ihren alten Fischerhäusern und dem Charme der mittelalterlichen Stadtarchitektur. Der Dom stammt aus dem 11. Jahrhundert und wurde zu Ehren König Olafs II. errichtet. Übrigens ist König Olaf II. der heilige Schutzpatron Norwegens. Ein Besuch des Doms ist mehr als empfehlenswert. Die Krönungskirche gehört zu den prächtigsten Kirchenbauten Skandinaviens! Aber auch hier fielen unzählige Stadtteile Trondheims Großbränden zum Opfer. Der letzte Anfang Dezember 2002!
Ålesund steht als Ziel an. Über Orkanger (E 39) fahren wir nach Halsa. Mit einer Fähre setzen wir über, fahren zunächst in Richtung Kristianssund (70), biegen aber über eine Brücke nach Høgset (E 39) ab und von dort nach Molde. Eine Fähre über den Moldefjord bringt uns nach Vestnes.
Bereits am Fähranleger treffen wir auf eine Motorradgruppe, die mit funkelnagelneuen BMW R 1200 GS ausgerüstet ist. Es ist eine geführte Gruppe eines bekannten Reiseveranstalters, der sich mit dem Logo einer seltenen weißen Blume aus der Alpenwelt tituliert. So selten diese Pflanze zu sein scheint, so seltsam ist das Verhalten dieser Gruppe. Ob sie die nordische norwegische Stille bemannt hat, bleibt uns ein Rätsel. Sprachlosigkeit scheint das Gebot der Stunde!
Uns interessiert dann doch der gigantische Blick auf die schneebedeckte Bergwelt bei Vestnes. Es riecht nach Kurven und Serpentinen! Der Weg nach Ålesund enttäuscht uns nicht (E 39). Für jeden zu empfehlen!
Ålesund – die Stadt, die komplett im Jugendstil 1904 nach einem verheerenden Großbrand wieder aufgebaut wurde, liegt auf drei Inseln. Ein geglücktes Ensemble. Und damit nicht genug: Drei Tage Aufenthalt und drei Tage Sommerwetter vom feinsten. 24 Grad, blauer Himmel, Sonne pur, leichte Brise – skandinavischer Sommer – unser Ausgleich für die verregneten Lofoten. Per pedes erkunden wir die Stadt. Und gut zu Fuß sollte man auch sein, wenn man die über 400 Treppenstufen zum Aksala-Berg besteigt. Keuchend nehmen wir die Strapazen auf uns. Dafür werden wir aber auch mit grandiosen Ausblicken auf das „Nizza“ des Nordens entschädigt. Unterwegs begegnen wir einem Standbild des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II. In Deutschland undenkbar, ihm zu Ehren eine Statue zu errichten. Kurz zur Erinnerung: Nach dem militärischen und politischen Zusammenbruch des Deutschen Reiches im November 1918 wurde Wilhelm II., deutscher Kaiser und König von Preußen, durch Prinz Max von Baden am 9. November zur Abdankung gezwungen. Wilhelm ging ins Exil (Niederlande) und verblieb dort bis zu seinem Tode am 4. Juni 1941.
Innen- und außenpolitisch betrieb Wilhelm eine imperialistische Politik (für Deutschland: „Ein Platz an der Sonne!“) und sorgte für eine Militarisierung der Gesellschaft (Wilhelminische Ära). Der irritierte Leser wird sich zu Recht fragen, warum ausgerechnet Ålesund Wilhelm II. ein Denkmal geschaffen hat. Wenig bekannt ist die Tatsache, dass Wilhelm II. regelmäßig im Sommer und Winter in Ålesund ein gerngesehener Gast gewesen ist. Nach dem Großbrand von 1904 hat Wilhelm mit erheblichen finanziellen Mitteln dazu beigetragen, die Stadt im Jugendstil neu aufzubauen. Das führte schließlich 1909 zu seinem Denkmal.
Auf der Spitze des Aksala-Berges genießen wir einen traumhaften Ausblick auf Ålesund und den Storfjord.
„Trau dich oder nicht!“ preist ein Schild des dortigen Restaurants Walfleisch an. Bevor uns der Leser nun verdammen wird und uns mit Vorwürfen überschütten sollte, wir gestehen: Wir haben uns getraut! Gewissensbisse hin oder her, die Neugierde des menschlichen Daseins hat gesiegt! Und noch etwas: Walfleisch schmeckt ausgezeichnet! Fast wie Wild!
Von Ålesund fahren wir weiter zum Geirangerfjord. Wiederum grandiose Ausblicke und vor allem Serpentinen allererster Güte! Leider auch Menschenmassen und Busse an allen erdenklichen Parkmöglichkeiten. Aus den geteerten Straßen werden mit der Zeit Geröllpisten. An den Rändern türmen sich schneebedeckte Steinklötze auf, die auf den Reisenden bedrohlich wirken. Wir reihen uns in eine riesige Karawane bestehend aus Autos, Bussen, Wohnmobilen und einigen Motorrädern ein. So kraxeln wir den Dalsnibba – kostet ein paar wenige Kronen – im zweiten Gang hinauf. Auf der Spitze des Dalsnibba herrscht ein eisiger Wind. Busse um Busse, Menschen um Menschen, ein Massentourismus, wie er nicht schlimmer sein kann. Auch der fantastische Blick entschädigt diesmal nicht!
Ziemlich schnell verlassen wir den Dalsnibba zunächst wieder in Richtung Geiranger, biegen dann in Richtung Erdal ab (E 15). Wir folgen dem kurvenreichen Streckenverlauf über Oden (E 60) nach Byrkjelo. Von dort bis nach Skei und biegen schließlich ab in Richtung Sogndal (E 5). Dunkelgraue, grobkörnige Asphaltsteine weisen den Weg in das riesige schwarze Loch, das alles zu verschlucken droht. Tunnel fahren, vor allem mit dem Motorrad, hat es in sich, besonders in Norwegen. Wir tauchen in eine dunkle Röhre ein. Kein Licht, keine Markierungen, stattdessen fühle ich eine glitschige mit Aufbrüchen übersäte Fahrbahn. Einzige Hoffnung ruht auf dem Lichtkegel der GS. Hoppla, was ist das? Blitzschneller Lenkimpuls und links vorbei. Soeben überhole ich einen Radfahrer mit Hänger – ohne Licht! Wo einer ist, sind noch mehrere. Locker bleiben. Tief durchatmen, Bauchdecke fallen lassen. Endlich! Ich sehe das Ende des Tunnels. Schemenhaft entdecke ich vor mir einen zweiten Radler. Ohne Licht! Kaum an ihm vorbei, begrüßt uns mit Sonnenschein die alte Welt.
In Sogndal quartieren wir uns in einem alten Hotel ein, mit traumhafter Aussicht auf den Sognefjord.
„Endlich mal wieder Motorradfahrer!“ begrüßt uns mit breitem Grinsen der Besitzer. Er sieht tatsächlich wie einer der typischen Wikinger aus, die in zahlreichen Schulbüchern illustriert werden. Kennen Sie aus Ihrer Kindheit noch „Was ist was – Die Wikinger“? Dort könnte er entsprungen sein! Dann erzählt er uns, dass er jahrelang als Koch auf vielen Schiffen auf den Weltmeeren unterwegs gewesen war und einer Schildkröte sein Leben zu verdanken hätte. Aus dieser Dankbarkeit heraus hat er, als er nach Sogndal kam, ein Haus in Schildkrötenform gebaut, welches sich hinter dem Hotel befindet. Tatsächlich fügen sich dort einzelne Bausegmente in Schildkrötenform zusammen!
25 Kilometer, ein endloser Schlauch in blauviolettes Licht gehüllt, wollen bewältigt werden! Zwischen Borgund und Gudvangen (E 16) befindet sich wohl der längste Tunnel der Welt: der Lærdalstunnel. Um den Reisenden in der Röhre ihre Ängste zu nehmen, wird künstliches UV-Licht zur Beruhigung der Nerven erzeugt. Und tatsächlich ist es ein atemberaubendes Gefühl mit dem Bike durch diesen Tunnel zu fahren! Plötzlich bin ich auf mich allein gestellt, ein wenig Gänsehaut kribbelt meinen Rücken rauf und runter, kaum andere Fahrzeuge begegnen uns und trotzdem bin ich hellwach! Nach zehn Minuten müssten wir doch durch sein! Natürlich dauert es eine halbe Ewigkeit, das wissen wir und diese 30 Minuten werden zur Ewigkeit! Einfach aufregend! Zum Nachahmen dringend empfohlen!
Von Sogndal fahren wir schließlich entlang des Sognefjords bis nach Lavik, um von dort mit der Fähre nach Oppedal überzusetzen (E 39). Kaum in Oppedal angelangt, folgen wir der kurvenreichen Straße bis nach Knapvik und erreichen so Bergen vom Norden aus. Seit Knapvik schüttet es aus allen Kübeln und Bergen begrüßt uns, wie es in vielen Reiseführen beschrieben ist, mit Regen satt!
Zum Glück ist uns der norwegische Wettergott gnädig gestimmt und gönnt uns am nächsten Tag Sonnenschein und blauen Himmel.
Imposant hebt sich die Hauptattraktion Bergens von der Hafenkulisse empor: alte Hansegebäude. Die Insignien sind auf Deutsch, die mittelalterliche Baustruktur hervorragend erhalten! Vergleiche mit Lübeck oder Lüneburg braucht Bergen nicht zu scheuen! Das wissen natürlich auch die Touristen, die Heerscharen gleich über Bergen einfallen. Eine ganz besondere Attraktion stellt zweifellos der Fischmarkt dar. Wenn man sich an das touristische Gewühle gewöhnt hat, seine eigene Taktik entwickelt hat, um ganz nah an das Fischgeschehen heranzukommen, kann man kulinarische Meeresgenüsse aller Art bewundern. Spezialitäten wie Seezungen, Seeteufel, Schwertfisch, Langusten und Hummer usw. präsentieren sich dem wahren Connaisseur. Unweit vom Fischmarkt laden diverse Lokalitäten zum fischigen Dinner ein.
Am nächsten Tag treten wir unsere Rückreise per Schiff nach Hanstholm/DK an. Zurück bleiben rund 7000 aufregende Fahrkilometer, erlebnisreiche Begegnungen und Sehenswürdigkeiten und die Sehnsucht so schnell wie möglich wieder in den Norden zu fahren!
Einige Reisetipps:
1. Hotelübernachtungen
Norwegen ist nach wie vor Europas teuerstes Reiseland. 1,- Euro hat umgerechnet nur den Gegenwert von ca. 0,68 Euro. Dennoch bestehen aber genügend Möglichkeiten in anderen Bereichen sparen zu können, ohne „Qualitätsverluste“ hinnehmen zu müssen. Wer die Möglichkeit besitzt, seinen Urlaub zeitig zu planen, kann, wenn er Hotelübernachtungen bevorzugt, durch Frühbucherrabatte 30 % bis 40 % sparen. Hotelketten wie Scandic, Best Western und Scanlines bieten diese vergünstigten Tarife besonders auch in Verbindung mit den Fährlinien an!
2. Essen und Trinken
In Norwegen – unserer Meinung nach – ohne System! Während ein Bündel Petersilie durchaus 3,- Euro kosten kann, erhält man dafür ebenfalls ein großes gutes Stück frischen Lachs! Dagens rätt ist nach wie vor zu empfehlen. Für alle, die das nicht kennen: Dagens rätt ist so etwas wie „Tagesmahlzeit oder Tagesgericht“ und beinhaltet in aller Regel Vor- und Hauptgericht oder Dessert, manchmal auch ein Getränk. Kaffee anschließend sowieso und nicht mengenbegrenzt. Dagens rätt bekommt man für ca. 75,- bis 120,- Kronen pro Person.
3. Anreise
Es gibt viele Wege nach Skandinavien. Am angenehmsten ist die Fahrt über die Brücken über den Großen Belt nach Seeland hinüber, weiter bis Kopenhagen und dann Richtung Malmö in Schweden mittels der Öresundbrücke. Die Brückenmaut ist für Motorräder erschwinglich. Großer Belt 105 Dänische Kronen, Öresund 130 Dänische Kronen jeweils einfache Fahrt.
Natürlich schließt sich dann eine Fahrt auf der E4 an Schwedens Küste entlang immer in Richtung Norden an (Einige Tage einplanen!). Bei Tore biegt man nach Westen in Richtung Narvik/ Kiruna ab. Sollte man die Fährverbindungen vorziehen, so gibt es auch hier mehrere Möglichkeiten. Hanstholm/DK bis Bergen (oder Egersund) in Norwegen eignen sich vorzüglich, werden betrieben von Fjordlines (0047/81533500). Vorherige Buchung mit Übernachtung in einer Doppelkabine (nicht sehr groß mit all dem Motorrad-Gepäck!) ist angeraten. Kosten ca. 2860 Norwegische Kronen eine Strecke, Zeit: 15,5 Stunden.
Na dann: god tur!
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