aus bma 11/08

von Fred Klein & Peter Wilke

Norwegen im WinterEs war mal wieder soweit, die öde Winterzeit brach herein. Jens und Peters Gesichtsausdruck war anzusehen, daß sie eine Wintertour ausarbeiteten. Meine Frage nach dem wohin erübrigte sich, ich wußte, daß es dieses Mal richtig in den Schnee gehen sollte.

Die Tour stand also schon fest, es sollte für zwei Wochen nach Norwegen gehen. Nun gut sagte ich, aber die Solomopeds der Beiden verlangten noch etwas Vorbereitung. Zwar zierten schon Armaflex-Matten aus dem Heizungsbau als Wind- und Kälteschutz die Beine und als Lenkerstulpen die Hände, aber die Reifen sollten noch mit Spikes versehen werden. Das stellte sich als größere Schwierigkeit heraus, da eigentlich nur Rettungsfahrzeuge in Deutschland dementsprechend ausgerüstet fahren dürfen. Es fand sich aber ein Reifenhändler, der noch Spikes aus einem alten Lagerbestand hatte, mit denen dann die Reifen in Eigenregie bestückt wurden. Das hieß, Löcher in die Noppen bohren, und mit Hilfe einer Paßhülse, Schraubstock und Hammer die Spikes in den Reifen verankern. Das dauerte zwar, funktionierte aber sehr gut. Als problematische erwies sich nur der Hinweis, daß auf der Fähre Fahrzeuge auf eine Bestückung mit Spikes hin untersucht werden sollten. Also wurden die Spikes-Reifen gesondert mitgenommen und dann später auf die Felgen aufgezogen. Auf der Fähre wurde zwar letztendlich nicht kontrolliert, aber was macht das schon…

 

Norwegen im WinterIn Oslo nach einer etwa 20-stündigen Fährfahrt angekommen, fanden wir nach drei Anläufen schließlich einen Reifenhändler, der die mitgebrachten Reifen aufzog und gegen viel Geld (150 Euro) die normalen Reifen für zwei Wochen einlagerte.
Wir ließen Oslo schnell hinter uns in nördlicher Richtung auf schneebedeckten Nebenstrecken, die sehr gut mit den Spikes zu fahren waren. Für mich mit dem XT 600-Welling-Endurogespann eh kein Problem, aber selbst Peter und Jens mit ihren Solomopeds hatten keine Probleme.
Da wir nicht vorgebucht hatten, erwies sich die Suche nach geeigneten Hütten zur Übernachtung meist als schwierig, Touristeninformationen halfen  hier oft weiter, um vor Einbruch der Dunkelheit etwas zu finden. Schwerer wog da schon, daß die Hütten meist nicht vorgeheizt waren. Wenn draußen -18º sind, dauert es ein bißchen, bis man nicht mehr friert. Dank des ausliegenden Holzes hatten wir meist am nächsten Morgen über 30º, was zu spontanem Durchlüften per Türaufreißen führte.

Auch die Verpflegung war gesichert, da mein Beiwagen genug Lebensmittel für die zwei Wochen transportieren konnte. Wenn eine Dose Erbsen sechs Euro kostet, ist diese Vorbereitung auch dringend anzuraten. Schließlich verdienen wir nicht 3500 Euro netto, was uns hier als normales Gehalt eines Arbeiters verkauft wurde.
Jens mußte aus beruflichen Gründen schon nach einer Woche wieder zurück. Leider riß er sich beim Luftablassen am Hinterrad zur besseren Traktion das Ventil ab. Also mußte ein neuer Schlauch besorgt werden. Ich fuhr mit dem Gespann los und fand auch eine Reparaturwerksatt, die mit einem 18 Zoll-Schlauch dienen konnte. Eigentlich hätten wir einen 17-Zöller gebraucht. Gegen den üblichen Norwegen-Preisaufschlag trennte sich der Händler vom Schlauch, und Jens kam noch pünktlich auf die Fähre und dann zu Hause an.

Peter und ich beschlossen jetzt Richtung Lillehammer zu fahren und dort ein wenig auf Kultur zu machen. Schließlich gab es dort ja mal die Olympischen Winterspiele…

Norwegen im WinterDas Wetter änderte sich zum Positiven, wir hatten kaum noch Schneefall, der Himmel leuchtete dafür umso blauer. Wunderbar zum Mopedfahren im Winter, selbst Steigungen mit 16% schaftten unsere Kräder mit den Spikes so ohne Probleme. Das allmorgendliche Raten, wie viel Neuschnee die Nacht gebracht hatte, konnte entfallen. Vorher waren es maximal 50 cm, da ging am Morgen nichts mehr, und es mußte auf die Schneefräse gewartet werden. Erst dann konnte weiter gefahren werden. Aber hier oben schneite es nicht mehr, die Schneedecke war fest auf den gefrästen Straßen. Um sein Umfeld zu sehen, mußte man sich allerdings auf die Fußrasten stellen, da der Schnee an den Seiten zu hoch lag. Das war schon beeindruckend, und mit Temperaturen um -10º waren die Tage auch angenehm, bei angepaßter Kleidung und den eingangs erwähnten Umbauten an den Motorrädern. Unsere Tagesetappen lagen bei etwa 110-160 km, wobei wir oft stoppten, um das grandiose Umfeld auf Fotos zu bannen um zu Hause für Eindruck zu sorgen.

Manchmal bezogen wir auch eine Hütte für zwei Tage um von dort aus am nächsten Tag Touren zu unternehmen. Zudem besuchten wir noch das Savalen-Hotel mit dem gleichnamigen Treffen auf. Dort kam sofort der Besitzer heraus, der uns in gebrochenem Deutsch sagte, daß wir eine Woche zu spät kämen, die Savalenrallye sei letztes Wochenende gewesen. Wir beruhigten ihn und erklärten ihm unsere Situation, dann war alles klar. Wir fuhren noch um den Savalensee und bezogen am späten Nachmittag wieder unsere Hütte auf einem Berg mit wunderbarem Blick auf die Jotunheimer Berge und einem der schönsten Sonnenuntergänge, den wir jemals in winterlicher Kulisse sahen.
Für uns hieß es jetzt Abschied nehmen, und so fuhren wir langsam, mit Zwischenübernachtung in Lillehammer, gen Süden nach Oslo. Dabei haben wir nur einmal in freier Wildbahn einen Elch gesehen. Uns wunderte, daß selbst die Einheimischen stoppten um ein Foto zu schießen, was auf die Seltenheit dieser außergewöhnlichen Begegnung hindeutet.

Norwegen im WinterLeider zeichnete sich schon ab, daß das Wetter umschlagen würde. Es fing wieder an zu schneien, was beim Fahren sehr hinderlich ist, da man ständig den Schnee, der auf dem Visier festpappt, wegwischen muß. Wir hatten keine heizbaren Visiere. Peter hatte sich ein kleines Heizkissen gebaut, was er bei Bedarf in den Helm im Kinnbereich schob um so das Zufrieren des Visiers zu verhindern. Meine Eigenkonstruktion fing irgendwann Feuer und verschmorte. Ich hatte wohl die Heizdrähte zu nah beieinander verlegt, so daß sie in der Socke verschmorten. Ich konnte gerade noch alles aus dem Visier- und Halsbereich herausreißen um Schlimmeres zu verhindern.
Je näher wir Oslo kamen, desto mehr fing es an zu tauen, es waren um die null Grad. Das machte das Fahren nicht eben leichter, da durch die Last der Kräder die Eis-/Schneedecke einbrach, und man keine saubere Spur fahren konnte. Peter hatte es mit der Solo-Maschine schwer, immer die Füße unten und aufpassen, daß man nicht auf den Arsch fiel. Es ging aber gut, die Spikes sorgten noch für etwas Führung am Vorderrad.

Wir beschlossen, noch eine Übernachtung in Oslo zu machen, um am anderen Tage einen Stadtbummel zu unternehmen, passend zum Abschluß der zwei Wochen. Man bestaunte uns mit den Motorradklamotten. Viele Einheimische, die auch Motorrad fuhren, verstanden nicht, daß wir auch im Winter fahren. Aber wir aus dem Norden Deutschland haben ja nie richtig Winter, geschweige denn Schnee, deshalb zieht es uns alle paar Jahre mal raus in ein Land, wo dies ganz natürlich ist, auch wenn wir dann wie Menschen von einem anderen Stern angesehen werden, der Thermoklamotten wegen.

Letztendlich sind wir etwa 3000 km unter extremsten Bedingungen gefahren. Die Mopeds hatten damit keine Probleme, da wir sie zu Hause sehr gut vorbereitet hatten mit dünnem Winteröl und den erwähnten Spikes. Abends deckten wir die Motorräder mit einer großen Plane ab, so froren auch die Bowdenzüge nicht ein. Die extra mitgenommene Hawker Gel-Batterie mußten wir nicht einmal zur Starthilfe benutzen. Mein XT-Gespann hatte ich vorne fast komplett zugehangen, damit kein Fahrtwind dran kam um die Betriebstemperatur von ca. 80 Grad auch zu erreichen. Alles in allem ein Kurzurlaub, den wir so schnell nicht vergessen werden.