aus Kradblatt 10/22 von Marcus Lacroix

Der Multifunktionshelm …

Es ist uns immer eine Freude, wenn wir neue Produkte ausprobieren dürfen. Auf den Nolan N70-2 X habe ich mich dabei ganz besonders gefreut, denn ich bin ein Fan multifunktionaler Helme. Nolan nennt ihn einen „Crossover-Systemhelm“

Multifunktional? Ja, der Nolan lässt sich ganz einfach umbauen und ist damit quasi ein 4 in 1 Helm. Rechnet man das Visier dazu, kommt man auf acht Optionen. Nicht nur bei Urlaubstouren ist das eine praktische Sache, denn wer schleppt schon verschiedene, dem jeweiligen Einsatzzweck entsprechende Helme mit sich herum?

Nolan N70-2 X - Öffnen der Sonnenblende über Taster
Öffnen der Sonnenblende über Taster

Das Grunddesign des N70-2 X entspricht einem Endurohelm: langes, kantiges Kinnteil mit hochgezogenem Nasenschutz und Helmschild. Offroad macht ein Visier allerdings wenig Sinn, da bekommt man schnell Atemnot. Die Helmform ermöglicht aber auch die Verwendung einer Endurobrille. In Vollausstattung ist der N70 ein angenehmer Tourenhelm, der optisch gut zu Reiseenduros passt. Der Helmschild ist gerade bei tiefstehender Sonne eine klasse Sache, zumal ich die meisten Sonnenblenden aufgrund der Kontrast- und Farbverfälschung nicht besonders mag.  

Mit drei Handgriffen ist der Schild demontiert. Das empfiehlt sich speziell bei Autobahnetappen, denn er bietet dem Fahrtwind bei leichter Kopfdrehung eine recht ordentliche Angriffsfläche. Schaut man geradeaus, ist die Windlast kein Problem. Hier kommt es allerdings, je nach Verkleidungsscheibe bzw. Sitzposition, u. U. zu Verwirbelungen, die das Schild in Schwingungen versetzen. Achtet da bei einer Probefahrt drauf, die Konfiguration passt nicht immer!

Mit einem Handgriff ist das Kinnteil abgenommen. Die Verriegelung wirkt solide, das Einstecken klappt nach kurzer Übung auch ohne Spiegel. Der N70-2 X wird mit Schild zum Trial- und ohne Schild zum Jethelm. Wahlweise mit oder ohne Visier.

Nolan N70-2 X - Abdeckkappen für die Öffnungen
Abdeckkappen für die Öffnungen

Nolan liefert eine handvoll Kappen mit, mit denen man die jeweils entstehenden Öffnungen abdecken soll. In der Praxis bin ich dafür allerdings meist zu faul und hoffe, es verirren sich keine fetten Brummer in die Kinnteil-Löcher.

Von der Vielseitigkeit her ist der Nolan N70-2 X gerade für Motorradfahrer mit häufiger wechselndem Einsatzgebiet ein toller Helm. Mit ein paar Einschränkungen muss man allerdings leben. 

Auffällig ist zunächst das hohe Gewicht, obwohl der Helm noch nicht nach der neuen ECE 22.06 homologiert ist. Selbst ohne Intercom bringt der Nolan in Größe M in Vollausstattung gemessene 1762 Gramm auf die Waage. Im Alltagsgebrauch stört mich pers. das zwar nicht so sehr, leichter ist bei langen Touren und Offroad aber trotzdem angenehmer. Darüberhinaus ist die Polycarbonatschale des N70-2 X  bzw. die äußere Ausstattung aus recht vielen Kunststoffblenden zusammengesetzt. Das sorgt für ein „Knarzen“, das sich auch nach etlichen Kilometern nicht gelegt hat und das speziell beim Auf- und Absetzen etwas irritiert.

Die Kopfbelüftung wird über drei dünne Plastikschieber bedient. Einer davon sorgte beim Testhelm je nach Motorrad und Kopfhaltung immer wieder mal für leichte Schnarrgeräusche. Ein solider mittiger Schieber wäre praktischer, ich pers. fahre die Kopfbelüftung i.d.R. nur offen oder geschlossen und benötige keine Zwischenstufen. Das ist aber natürlich Geschmackssache, was auch für die Betätigung des integrierten Sonnenvisiers gilt. Es verfügt über 5 Stufen und wird federbelastet über einen Entriegelungsknopf immer komplett zurückgestellt. 

Beim Intercom setzt man am besten auf das hauseigene Nolan N-Com, das perfekt in den N70-2 X integriert ist. Der Versuch, ein Cardo Edge zu montieren, schlug aus verschiedenen Gründen (Bedienteil, Mikro, Lautsprecher) ebenso fehlt, wie die Montage des Dvision HUD.

Das Ratschenschloss liegt recht dicht am Hals an. Speziell Männer mit großem Kehlkopf könnten hier Probleme bekommen.

Damit sind die Kritikpunkte auch schon abgehakt. Der Helm punktet  neben seiner Vielseitigkeit mit einem komfortablen Innenfutter, einem großen Gesichtsfeld und seiner Brillentauglichkeit. Die Geräusch­entwicklung ist abhängig von der jeweiligen Ausbaustufe und geht für mich in Ordnung. Längere Strecken sollte man eh nicht ohne Gehörschutz fahren.

Fazit: der Nolan N70-2 X ist ein universeller Crossover-Helm, den es in 18 (!)  Dekorvarianten zum UVP ab 309,99 € (Pure White) gibt. Die von uns gefahrene Dekorvariante „Flat Lava Grey“ kostet 100 € mehr. Zwei Helmschalen decken die Größen XXS bis 3XL ab, fünf Jahre Garantie sorgen für ein gutes Gefühl. Wie immer gilt: schaut euch den Helm im Fachhandel an und fahrt ihn Probe. Meine Kritikpunkte müssen nicht eure sein …