aus Kradblatt 2/24 von Marcus Lacroix
Neuer Flip-back Helm aus Italien
Nachdem Klapphelme (engl. flip up) ja bereits seit Jahren etabliert sind, nehmen immer mehr Helm-Hersteller sogenannte Flip-back Helme ins Sortiment auf. Bei denen wird das Kinnteil nicht nach oben sondern nach hinten geklappt und sie lassen sich so aufgrund guter Balance auch komfortabel als Jethelm fahren. Für Sportfahrer mit Rennkringel-Ambitionen keine Option, für Tourenfahrer aber eine praktische Sache und meine aktuell bevorzugte Helmbauart.
Die italienische Marke Nolan hat im Herbst 2023 mit dem N120-1 seinen ersten Flip-back Helm vorgestellt und Anfang Dezember bekamen wir mit Lieferstart zum Ausprobieren ein Testmuster sowie das Kommunikationssystem N-Com B602R zum Selbsteinbau.
Der N120-1 erfüllt natürlich die neue ECE 22-06 Norm, durch die viele Helme sicherer aber auch etwas schwerer werden. So bringt unser Testmuster in Gr. M ohne N-Com 1709 Gramm auf die Waage und mit N-Com sind es stattliche 1813. Mich pers. stört das Gewicht im Alltag nicht, bei zierlichen Halsmuskeln dürfte Gewicht aber ein Kriterium sein.
Durch die Homologation P/J darf der N120-1 legal auch offen als Jethelm gefahren werden. Über einen gut erreichbaren Schieber an der linken Helmseite kann das Kinnteil a. W. arretiert werden.
Klassenüblich ist die Ausstattung mit Pinlock-Antibeschlag-Visier, herausnehm- und waschbarem Innenfutter. Bei den verwendeten Textilien betont Nolan, dass es sich um ökologisch nachhaltige Stoffe handelt. Das integrierte Sonnenvisier wird über einen Schieber in fünf Stufen ausgefahren und per Tastendruck zurückgestellt. Das System konnte ich schon im Nolan N70-2X fahren (siehe kradblatt.de). Einen echten Vorteil gegenüber einem herkömmlichen Schieber sehe ich nicht darin, andererseits hat die Mechanik bisher aber auch keine Probleme bereitet – Geschmacksache also.
Ungewohnt ist auch die Kinnteilentriegelung des N120-1. Wo andere Hersteller mit einer Taste auskommen, setzt Nolan auf zwei, „Dual Action“ genannt. Der Daumen aktiviert dabei die Entriegelung und der Zeigefinger entriegelt dann das Kinnteil. Den Dreh hat man sehr schnell raus.
Die Belüftung wird über zwei, auch mit Handschuhen sehr gut zu betätigenden Schiebern am Kinnteil und der Helmoberseite eingestellt – von Nolan „Airbooster Technology“ genannt. An kalten Wintertagen empfiehlt sich zugluftempfindlichen Menschen das Tragen einer Sturmhaube, denn auch bei geschlossenen Schiebern spürt man durch die wirkungsvolle Zwangsentlüftung am Hinterkopf einen deutlichen Luftstrom im Bereich der Schläfen/Ohren.
Beim Kinngurt setzt Nolan auf das bei Tourenfahrern beliebte und bewährte Rastenschloss.
Der Visierwechsel bzw. der Ausbau zum Reinigen geht sehr einfach und ohne Werkzeug.
Empfehlenswert ist übrigens ein Blick in die Bedienungsanleitung (nicht nur beim N120-1), wenn man nicht gerade an engagiertes, erklärfreudiges Verkaufspersonal gerät. Über das von Nolan als „LPC = Liner Positioning Control“bezeichnete Feature lässt sich z. B. der Sitz des Helms auf dem Kopf feinjustieren. Und die Kennzeichnung „EA – Eyewear Adaptive“ bedeutet, dass man aus der Wangenpolsterung vorbereitete Schaumstoffstücke entfernen kann, um einen besseren Sitz von (Sonnen) Brillen zu ermöglichen. Meine schmalen Brillenbügel bereiteten aber auch so keine Probleme.
Bei Helmvorstellungen tauchen immer wieder zwei Fragen auf: „Wie sitzt er denn und wie laut ist er?“
Zur Beantwortung der ersten Frage: probiert Helme im Fachhandel auf. Kein Kopf passt für alle Helme der Welt bzw. umgekehrt. Bei mir sitzt der Nolan sehr gut – vor allem drückt er nicht an der Stirn, was bei mir schnell Kopfschmerzen auslöst.
Und Lautstärke ist ein recht subjektives Thema. Bauartbedingt sind Klapphelme i.d.R. lauter als Integralhelme. Aufgesetzte Kommunikationsanlagen tragen ihren Teil dazu bei, ebenso Sitzposition und Verkleidungsscheiben. Den Nolan N120-1 stufe ich bei aufrechter Sitzposition und ohne Verkleidung für mein Empfinden als Mittelmaß ein. Sitze ich etwas sportlicher nach vorne gebeugt, wird er lauter. Ich bin – was Geräusche angeht – aber auch recht empfindlich und empfehle generell beim Helmkauf Probefahrten und auf längeren Strecken Gehörschutz.
Der Nolan N120-1 ist in 14 Farben bzw. Dekore und 8 Größen ab 369,99 € UVP erhältlich. Im abgebildeten „flat black yellow“ kostet er 469,99 €. Alle Infos findet ihr unter www.nolan-helmets.com.
Das auf Sena basierende Kommunikationssystem N-Com B602R verfügt über alle Funktionen, die man (bzw. ich) alleine oder zu zweit heutzutage so auf dem Motorrad nutzt – brauchen ist ja relativ, die ewige Diskussion müßig. Wer mehr will, wie z. B. Gruppenkommunikation, greift zum B902R. Unter www.n-com.it/de lassen sich die Funktionen der Systeme gut vergleichen.
Der Einbau des N-Com in den N120-1 ist „eigentlich“ recht schnell erledigt, da der Helm speziell dafür vorbeitet ist. Auch auf der Website wird der 120er als kompatibel ausgewiesen. Mein erster Einbauversuch schlug allerdings fehl. Auf der Verpackung meines B602 war der N120-1 noch nicht erwähnt. Ok, macht ja nichts. Auch die Bedienungsanleitung und die an sich guten Video-Tutorials gingen noch nicht auf den Neuling ein. Egal – den Helm zerlegt, der Klapphelm N100-5 ist ja ähnlich aufgebaut. Etwas nervig sind zwei kleine Plastikabdeckungen, die man heraushebeln muss um an darunterliegende Schrauben zu kommen. Das Werkzeug dafür liegt aber bei. Nachdem der Helm halb zerlegt vor mir lag dann die Ernüchterung: keiner der Adapter vom Bedienteil zum Helm passt. Mist – die Verpackung hatte also recht. So baute ich den Helm für erste Ausfahrten ohne N-Com wieder zusammen. Eine kurze E-Mail an Nolan reichte und der passende Adapter kam postwendend.
Dank erster Erfahrung war der anschließende Einbau schnell erledigt. Das N-Com Bedienteil schmiegt sich eng an die Helmschale und erhöht das Geräuschniveau nur gering. Positiv zu vermerken ist auch, dass das Schwanenhals-Mikro in der Länge verstellbar ist. So bleibt auch bei einem „langen Gesicht“ wohl für die meisten Nutzer vorne im Kinnteil genug Platz.
Achtet beim Kauf eines N-Com für den N120-1 also darauf, dass der passende Adapter dabei ist! Oder noch besser: lasst den Einbau vom Fachhändler erledigen, die haben ein geübtes Händchen.
Die Verbindung zur kostenlos verfügbaren „N-Com EASYSET“ App klappt einwandfrei, Einstellungen lassen sich dort komfortabler als über die Menüführung vornehmen.
Der UVP des N-Com B602R beträgt 199,99 € für das Single-Set und 349,99 € für den Doppelpack.
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Kommentare
2 Kommentare zu “Nolan N120-1 mit N-Com B602”
Hallo Markus
Ich habe eine Frage zum Nolan N120. Behindert deine Brille das Innenvisier?
Grüssle Walter
Moin Walter.
Ich hatte mit meiner Brille keine Probleme bei dem N120-1.
Das gilt aber natürlich nur für meine Brille, wobei die ja nicht besonders klein ist.
Viele Grüße,
Marcus