aus Kradblatt 10/13
Text & Fotos: Henrik Vormdohre
Top Fuel Bike Chassis:
Optisch sind es zumeist die Chassis, die diese Motorräder voneinander unterscheiden. Viele Teams stellen ihren Rahmen selbst her und lassen die jahrelange Erfahrung in die Konstruktion mit einfließen. Der Gitterrohrrahmen aus wir aus 4113 Chrom-Molybdän Stahl hergestellt. Knapp 20 Meter dieses kalt glänzenden Stahls sind nötig für die Herstellung des Rahmens. Hauptaugenmerk gilt dem Fahrer (Gewicht, Bein- und Armlänge). Der Pilot muss also eins werden mit dem Bike. In Extremsituationen ist es notwendig, bestmögliches Handling zu erhalten. Der Radstand, Steifigkeit, Schwerpunkt, Anordnung des Getriebes und die Zugänglichkeit bei den Wartungs- bzw. Servicearbeiten sind ebenfalls wichtige Details bei der Konstruktion des Rahmens. Es gibt natürlich auch Hersteller, die diese Rahmen bauen und dies schon mehrfach erfolgreich im Wettbewerb beweisen konnten. Puma Engeneering, Race Visions Reborn, Weekend sind namhafte Manufacturen für Chassis dieser Art.
Der Bodywork ist aus Kohlefaser gefertigt. Teilweise findet auch noch Aluminium Verwendung. Strömungsspezifisch wird viel mit der Frontverkleidung experimentiert. Auch spoilerähnliche Gebilde an den Bikes sollen den Anpressdruck erhöhen. Vereinzelt wird mit der Führung der Abgasanlage getrickst um sich die enorme Energie zu Nutze zu machen.
Die Mega-Gummiwalze im Heck des Rahmens soll die brachiale Power auf die Strecke bringen. Der markante überdimensionale Ausleger am Rahmen ist die sogenannte Wheelie Bar. Diese soll beim Start das Vehikel nach hinten abgestützen, um einen eventuellen Überschlag zu verhindern. Derzeit befindet sich dort auch der Platz für den Bremsschirm, wenn es im Auslauf mal knapp werden sollte.
Das Gesamtgewicht eines Bikes liegt je nach Motorisierung bzw. Aufbau zwischen 350 und 450 kg. Wer aus einem 1.550 ccm Vierzylinder Motor cirka 1.500 PS Leistung holt, der kann den großen Bohrer getrost im Werkzeugschrank lassen? Da geht noch was! Bei den Twins Fuel Bikes trifft man auf bis zu 3,2 Liter Hubraum, wohlgemerkt aus zwei Zylindern. 800 bis 1000 Nm Drehmoment bei über 1000 PS sorgen hier für den nötigen Fahrspaß. Drehmomentmonster, die die Motorsportbegeisterten in ihren Bann ziehen. Der Aufwand für diese Leistungsausbeute ist gigantisch, ca. 15 Liter werden bei einem Top Fuel Bike von dem flüssigen Sprengstoff während eines 400-Meter-Laufs durch die Kanäle geprügelt! Es verwundert keinen, dass die Motorenblöcke aus dem Vollaluminium gefräst sind um diese enormen Kräfte zu handeln. Die Zylinderköpfe kommen ebenso daher. Der Brennraum ist hemisphärisch gestaltet. Bei Kurbel- und Nockenwelle verlässt man sich natürlich auch auf bewährte Technik aus dem Regal der exklusiven Zulieferer. Nur die edelsten Teile kommen hier zum Einsatz.
Einen kleinen Einblick gibt der Multichampion Ian King. An seinem von Gulf gesponserten Fuel Bike beatmet der Kompressor den 12 V DOHC Motor mit ca. 430 Litern pro Sekunde. Bei Höchstdrehzahl des Kompressors wäre es möglich bis zu vierzig Liter Nitromethan pro Minute zu verbrennen. Gezündet wird dieses hochexplosive Gemisch durch eine Hochleistungszündanlage aus dem Hause MSD. Bis zu 44 Ampere sorgen für den kernigen Zündfunken. Um dieses Kraftstoff-Luftgemisch zu entzünden, sind pro Brennraum zwei Zündkerzen verbaut. Nach jedem Run sind diese zerstört, da die Elektroden abgebrannt sind.
Die Kupplung.
Eine Top Fuel Kupplung basiert auf dem Prinzip der Fliehkraft. Über einen überdimensionierten Zahnriemen wird die Drehzahl vom Motor direkt an die Kupplung übertragen. Durch die Fliehkraft bewegen sich spezielle Arme, die mit kleinen Gewichten bestückt sind, nach außen auf die Kupplung und wirken dort eine Kraft aus, die auf die drei oder mehr Kupplungsscheiben und zwei Druckplatten einwirkt. Umso höher die Drehzahl, desto höher der Druck auf das Kupplungspaket. Durch unterschiedliche Gewichte an den Fingern lässt sich die Kupplungseinstellung vornehmen. Am Start wird die meiste Energie in Hitze umgewandelt. Vom Start weg sieht man deutlich den Kupplungsstaub aufsteigen. Nach ca. 2 Sekunden, oder ca. 200 Metern ist die Reibung so enorm, dass der Kraftschluss mit dem Motor hergestellt ist. Fast zeitgleich schaltet der Pilot, via Pneumatik oder auch hydraulisch über einen Knopf am Lenker in den zweiten Gang.
Keine Frage: Das brutale Zusammenspiel aller mechanischen und elektronischen Komponenten, einschließlich der Programmierung des Zeitfensters, an welchem Punkt des Höllenrittes wie viel Prozent Kraftschluss an der Kupplung anliegen, ist eine Kunst für sich. Aufschluss beim Set-Up geben diverse Sensoren. Kraftstoffdruck und Kraftstoffdurchfluss, Kurbelwellen- und Hinterraddrehzahl, Abgastemperatur der Zylinder sowie der Beschleunigungssensor geben wichtige Informationen. Diese gesammelten Daten stehen im Verhältnis zusammen und geben Rückschlüsse darauf, wie man das Set-Up verbessern kann. Dieses Tuning ist ein sehr schmaler Grat an den physikalischen Grenzen. Durch Änderung der Bedüsung am Einspritzsystem stehen den Teams viele Möglichkeiten offen. Das Timing der Zündung findet ebenso Verwendung. Spezielle Renncomputer und Auswertungsprogramme sind eine wesentliche Arbeitserleichterung bei der akribischen Auswertung. Das Wo und Wieviel Power die Strecke verträgt, entscheidet über einen guten Lauf. Viele Rennfahrer laufen dabei am Rennwochenende die Strecke mehrmals ab und achten auf jede Veränderung wie Risse, Poren in der Oberfläche usw. Viele Teams machen sich zusätzlich Messungen meteorologischer Größen mit einer Wetterstation zu Nutze. Statistische Auswertungen jedes Laufes können sehr hilfreich sein um das Bike den jeweiligen Streckenverhältnissen anpassen zu können.
Wenn teilweise die Motoren bitterböse ihr Leben auf dem Drag Strip aushauchen kann dies sehr schnell ruinöse Ausmaße annehmen. So ein Rennmotor schlägt mit schlappen 25.000 Dollar ein nicht gerade kleines Loch in die Haushaltskasse. Peanuts allerdings im Vergleich mit einem komplett aufgebauten Top Fuel Bike. 150.000 Dollar sind schon nötig für einen fahrbaren Untersatz auf dem Niveau.
Was schiefgehen kann in den 6 Sekunden? Beispiele davon gibt es zu genüge z.B. auf www.youtube.de! Es bedarf schon mehr als nur Mut ein Top Fuel Bike zu fahren. Nur sehr wenige auf diesem Erdball sind sich dieser Herausforderung auch bewusst. Einer, der weiß wovon er redet ist Larry „Spidermann“ McBride. Er betont immer wieder, wie respektvoll man diesen PS-Monstern begegnen sollte. Selbstüberschätzung ist hier fehl am Platz, nicht nur, dass man sich selbst in Gefahr bringt, sondern auch seinen Kontrahenten in der anderen Bahn!
Super Twin Top Fuel:
In dieser Klasse sind sehr viele unterschiedliche Motoren am Start und machen diese Kategorie so reizvoll. Im Feld ist der Triebling vom US Hersteller Nitro V 60 sehr erfolgreich. Dieser Motor hat einen 60°-Zylinderwinkel. US Legende und Multichampion Ron Houniet hat diesen Motor entwickelt und etabliert ihn eindrucksvoll auf dem europäischen Markt. Der Kanadier Nate Gangon wurde 2012 UEM Champion mit diesem Motor. Ein weiterer populärer Triebling ist der von PRP (Pro Racing Products). Christian Jäger vom Black Seven Race Team setzt auf diesen Motorentyp und ist schwer begeistert von der enormen Power. Wie bei den europäischen Zweizylinder Top Fuel Bikes gibt es noch ein wesentliches Unterscheidungskriterium bei den Supertwins: Den klassischen Saugmotor oder den mit Kompressoraufladung. In der Königsklasse im Drag Racing sind die aufgeladenen sog. Blower Bikes aufwendiger in der Abstimmung. Trotzdem trifft man sie doch recht häufig an im Fahrerlager und das weltweit. Der Top Fuel Champion 2005 vertraut auf ein komplett selbst konstruiertes Bike, das von „The Godfather“ Ton Pelz und dessen Sohn Vincent aufgebaut wurde. 1680 Kubik mit Kompressoraufladung. Dieses Bike wird von dem erfahrenen Nordmann Ronny Aasen selbst als Monster bezeichnet.
Es ist immer wieder interessant, mit welchen skurrielen Antriebskonzepten die Teams die Hatz über die Viertelmeile angehen. Die Drag Bikes erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Die Skandinavier sind hier deutlich auf dem Vormarsch. Man darf nur hoffen, dass die deutsche Beteiligung etwas mehr Aufmerksamkeit bekommt um das Feld nicht ganz den Nordmännern zu überlassen. Viele
Infos zum Dragster-Sport und den Teams gibt es im Internet unter diesen Links:
www.nitrolympx.de
www.kingracing.com
www.black-seven-racing.de
www.dragster.de
www.speedgroup.se
www.eurodragster.com
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