aus bma 08/01

von Frank Sachau

Hoch oben, im nördlichsten Bundesland, finden Motorradbegeisterte das Revier für abwechslungsreiche Fahrten entlang unzähliger Binnenseen, über sanft geschwungene Hügel bis an den weißen Sandstrand der Ostseeküste.
Morgendunst liegt über dem Plöner See, ab und zu ist ein Wasservogel zu hören, irgendwo da draußen tuckert ein Bootsmotor, Fischer Wilcken holt die Netze ein. Ich sitze auf den noch feuchten Planken der Bootsanlegestelle „Plöner Stadtbucht” und warte auf die ersten wärmenden Sonnenstrahlen des Tages. Nebenan steht das „Alte Fährhaus”, davor einige Bikes, deren Besitzer sicher noch ihr Frühstück genießen. Voller Vorfreude auf die heutige Tagestour geht es hinaus Richtung Lütjenburg. Was dann kommt, kann man wirklich als Panoramatour bezeichnen. Auf der Strecke über Rathjensdorf und Theresienhof nach Tramm geht der Blick von den sanften Hügeln hinüber auf die Skyline Plöns. Wie eine Insel liegt die Kreisstadt mit ihrem weißen Schloss, eingerahmt von vielen großen und kleinen Seen, vor mir. Lange bevor Plön Herzogsstadt wurde, herrschten hier die Slawen. Sie gaben der Schwentine, die am Bungsberg entspringt, fast alle wichtigen Seen durchfließt und in die Kieler Förde mündet, ihren Namen: Swentana – heiliger Fluß.

 

Ab Wittmoldt kann man den Wasserlauf begleiten. Am Hof Gut Wahlstorf überquert eine kleine Brücke den Flusslauf, Kanuten winken herauf. Die Welt scheint nur noch aus drei Farben zu bestehen: Gelb, Blau und Grün. Jetzt, Ende Mai, Anfang Juni steht der Raps in Vollblüte. Die kurvige, verträumte Straße schmiegt sich an die Ränder der Felder und Wiesen, bis in Ascheberg die Umrundung des Großen Plöner Sees beginnt. Er ist mit 2910 Hektar der größte See Schleswig-Holsteins. Unterwegs zu seinem Südzipfel rollt das Motorrad durch eine Landschaft, wie sie idyllischer nicht sein kann – dunkle Forste, kilometerlange Alleen, die Sonnenstrahlen flackern wie Discolichter ins Helmvisier und immer wieder Blicke auf die glitzernde Wasserfläche. Kurz vor Malente mache ich halt bei einem Reisenden der letzten Eiszeit. Der hier entdeckte, 126 Tonnen schwere Findling kam mit den Gletschern aus dem 600 Kilometer entfernten Smaland in Skandinavien. Ein paar Kilometer mehr sind es bis in die Schweiz. Der Hotelier Johannes Janus erfand den Namen „Holsteinische Schweiz” im Jahre 1885 für sein Hotel am Kellersee. Der Begriff für die Holsteinische Seenplatte war geboren.
Gemütlich bollert das Bike durch Malente, ich werfe einen kurzen Blick auf den Dieksee, bevor es über die Deutsche Ferienstraße „Alpen-Ostsee” nach Eutin geht. Die Kreisstadt Ostholsteins ist berühmt als Rosenstadt. Bei einer Rundfahrt durch die alten, kopfsteingepflasterten Gassen entdecke ich prächtige Rosenstöcke vor alten Fachwerkhäusern. Heiratswillige Biker machen sich auf zum Dodauer Forst. Hier steht wohl Deutschlands ungewöhnlichster Briefkasten – die Bräutigamseiche. Ein Astloch der 500 Jahre alten Eiche wurde zur Kontaktadresse. Wer bereits in besten Händen ist und langsam Appetit verspürt, findet im „Fährhaus Ukleisee” in Sielbeck Genüsse für Augen und Gaumen. Auf der direkt am Kellersee gelegenen Terrasse schmeckt der fangfrische Fisch gleich nochmal so gut. Durch Buchenwälder schlängelt sich die Straße hinauf nach Kirchnüchel. Die Luft wird dünner, schließlich ist man hier schon 100 Meter über dem Meeresspiegel. Ohne eine einzige Kehre erreiche ich den Bungsberg, mit sage und schreibe 168 Metern die höchste Erhebung Schleswig-Holsteins. Ich gebe mich voll dem Höhenrausch hin, löhne eine Mark Eintritt und klettere auf den Fernmeldeturm der Post. Von der Aussichtsplattform hat man einen fantastischen Ausblick auf die umliegende Gegend. Wie ein Schachbrett liegen die Felder und Wiesen unter mir, der Blick geht weit über das Land, der Wind bläst kräftig und die Wolken rasen über die Ostsee. Die Landschaft um den Bungsberg lädt zum Motorradwandern ein, schmale Straßen, Kastanienalleen, legale Offroadetappen, Walddurchfahrten und alte Bauernhäuser, an deren Giebeln Jahreszahlen und Initialen längst vergangener Zeiten prangen.
Das Erlebte verarbeiten, Ruhe tanken und die Seele baumeln lassen – dafür gibt es auf dieser Strecke keinen besseren Platz als das Gut Kletkamp. Die schattige Allee zwischen den Fischteichen bietet Gelegenheit für eine Pause und den Blick auf die Generalkarte. Ich verlasse den Naturpark Holsteinische Schweiz, die Ostsee lockt. In Lütjenburg ist die Straße nach Behrensdorf schnell gefunden. Unmittelbar vor dem Ort Stöfs steige ich in die Eisen, ein Prachtblick: der Große Binnensee und die Hohwachter Bucht. Auch hier Raps, so weit das Auge reicht. Dass auch der alte Kaiser Wilhelm diesen Anblick zu schätzen wusste, bestätigt ein verwitterter Gedenkstein am Straßenrand. Plötzlich fällt die Straße vor mir ab, ich bin wieder auf Meereshöhe.
Am Ortseingang von Hohwacht lockt das etwas andere Strandlokal „Genueser Schiff” zur Einkehr. Ganz gemütlich in Strandkörben sitzen, Kaffee und Kuchen genießen und den Blick schweifen lassen. Wer Lust auf einen „Lazy Day” an der Ostsee hat, kann einen extra großen Strandkorb mit allem Luxus bis zum Schampus buchen. Zum Baden ist es um diese Jahreszeit leider noch zu kühl. Der Weg hinter dem Deich führt zurück nach Behrensdorf und von dort nach Matzwitz. Hinter dem Ort zweigt ein Plattenweg ab, ausgeschildert ist Panker. Mit dem Ostseeblick im Rückspiegel erreiche ich den Gutshof. Das weiße Herrenhaus im englischen Park wird von Koppeln umgeben, auf denen sich die Nachfahren der berühmten Trakehner tummeln.
Von hier aus ist es nur eine kurze Fahrt durch den angrenzenden Wald hinauf zum Pilsberg, dann erblickt man schon den schlanken Aussichtsturm „Hessenstein” mit seinen bunt verglasten Fenstern. Wieder ist eine Mark zu zahlen, um in den Genuss des Panoramas zu kommen. Gutes Wetter ermöglicht eine Fernsicht bis zu den dänischen Ostseeinseln. Von hier oben schaue ich auf den Selenter See, der anschließend bis zum gleichnamigen Ort umfahren wird. Die Strecke Selent – Lebrade verführt zur flotten Gangart. Kurve auf Kurve, selten eine Gerade und immer wieder der intensive Duft der Rapsfelder. Plön ist schon in Griffweite, doch die alte Mühle „Wagria” auf dem Mühlenberg in Grebin lockt. Am Schierensee und Schmarksee vorbei führt die kleine Straße nach Timmdorf. Eine schmale Holzbrücke schwingt sich über die Landenge von Behler See und Dieksee. Nach Nieder- und Oberkleveez erreiche ich eine weitere Landenge, Plön-Fege- tasche. Hier stand früher eine Zollstation, damals wurden den Reisenden die Geldbörsen „leergefegt”. Die Altstadt Plöns lädt ein zum Abendspaziergang. Durch kleine, schmale Gassen, sogenannte Twieten, schlendere ich hinauf zum Schlossberg. Auf der anderen Seeseite, bei Bosau, leuchten noch einmal die knallgelben Rapsfelder in der untergehenden Sonne auf.

Reiseinfos:

Hotel/Restaurant Altes Fährhaus, Andree Schanko, Eutiner Straße 4, 24306 Plön, Tel.: 04522/76790, Fax: 04522/60214, Direkt am See gelegen, Wirt fährt selbst und gibt gerne Tourentips. DZ mit Frühstück, Du/WC, Sat-TV, Telefon und Radio, 100 DM bis 120 DM / Voranmeldung erbeten.

Hotel Genueser Schiff Gabriele Brandt-Gräfin von Waldersee und Philipp Brandt, Seestraße 18, 24321 Hohwacht, Tel.: 04381/7533, Fax: 04381/5802 Direkt an der Ostsee gelegen. DZ mit Frühstück, Du/WC 180 DM bis 250 DM

Kurverwaltungen:
Kurverwaltung, Haus des Kurgastes, Bleekergang 1, 23701 Eutin, Tel.: 04521/3155, Fax: 04521/3597

Kurverwaltung, Schwentinehaus, 24306 Plön, Tel.: 04522/2717, Fax: 04522/2229

Ausflüge mit Fahrgastschiffen:
Plön: Große Plöner See Rundfahrt, Bosau-Fahrt, 5-Seen-Fahrt.
Malente: 5-Seen-Fahrt, Kellersee-Fahrt.
Eutin: Kellersee-Fahrt und Rundfahrt Großer Eutiner See

Türme ersteigen:
Plön: Parnaßturm Bungsberg: Fernmeldeturm
Lütjenburg: Bismarkturm Panker: Hessenstein

Kontaktadresse Bräutigamseiche:
Bräutigamseiche, Dodauer Forst, 23701 Eutin

Straßenkarte:
ADAC-Länderkarte Schleswig-Holstein und Hamburg, 1 : 250.000, Preis 12,80 DM

Reiseführer:
Die Holsteinische Schweiz – Eine Bildreise, Ellert & Richter Verlag, Preis 24,80 DM