aus bma 4/11 – Reisebericht (Teil 2) – den ersten Teil findet Ihr <hier>
von Günter „Günni” Schiele
Kaum hatten wir die Grenze nach Iran überquert, änderte sich, so als hätte jemand einen imaginären Schalter umgelegt, das Klima von feucht kalt in trocken warm. Endlich konnten wir uns der dicken Winterkleidung entledigen.
Die erste Nacht verbrachten wir in Maku, einem kleinen Kaff unmittelbar hinter der Grenze. Als wir am nächten Morgen in Richtung Berge aufbrachen, begrüße uns der Ararat mit nur einem dünnen Wolkenband um den Hals und wir konnten seinen Gipfel bestaunen, ein äußerst seltenes Erlebnis. Doch vor dem Aufbruch sollten wir unser erstes Iran-Abenteuer erleben. Da der Sprit in der Türkei sehr teuer und in Iran sehr billig ist, hatten wir unsere Tanks bis auf den letzten Tropfen leer gefahren. Jetzt standen wir an der Tankstelle und wunderten uns: Kein Benzin ohne Bezugskarten. Dazu muss man wissen, dass in Iran, dem Land mit einem der größten Erdölvorkommen der Welt, Benzin rationiert ist. Der Tankwart hielt seine Zapfsäule fest verschlossen. Ich hatte von diesem Vorgehen gehört und wusste, dass jede Tankstelle über Karten verfügt, mit der man für Typen wie uns die Tanksäule freischalten kann. Aber im Grenzgebiet zur Türkei und auch nach Pakistan hält man sich damit gerne zurück, wegen des Schmuggels, den die Machthaber auf beiden Seiten gar nicht gerne sehen. Da half nur eins, stur bleiben. Mit 10 Bikes versperrten wir die ganze Tankstelle und nach einigen Minuten hatten wir Erfolg. Der Hüter des Benzins zückte sein Karte und wenig später waren unsere Tanks voll. Eine Überraschung der besonderen Art erlebt Erich mit seinem Diesel Mobil. Als es ans Zahlen ging forderte der Tankwart für einen vollen 70 Liter Tank Diesel knapp einen Euro. Wir hielten das für einen Irrtum, doch bei einem Blick auf die Säule sahen wir, dass ein Liter Diesel tatsächlich nur 165 Rial kostete, was bei einem Umrechnungskurs von 1:14.000 nicht wirklich viel ist. Da macht Tanken richtig Spaß.
Unser Tagesziel war der kleine Marktflecken Khoy. Auf halber Strecke besuchten wir die „Schwarze Kirche”, eines der schönsten Beispiele armenischer Kirchenarchitektur. Doch auch wer sich nicht für Kirchen interessierte, kam hier auf seine Kosten. Das Zagros-Gebirge, durch dessen nördlichen Ausläufer unsere Strecke führte, hatte prächtige Motorradstrecken auf Lager und einige malerische Bergdörfer, deren eigenartige Bauweise uns in Erstaunen versetzte.
Tags drauf sollten wir uns aber erst recht wundern. Über einen schmalen Damm durchfuhren wir den Orumiyeh See. Das Wasser ist so salzhaltig, dass sich in ihm absolut kein Leben halten kann. Es ist tief rot und am Strand haben sich Gebilde und Strukturen entwickelt, die mehr an eine Kunstausstellung der 60er Jahre erinnern als an einen Sandstrand. Dass hier die Kameras heiß liefen, ist wohl kaum zu verwundern.
Wir bewegten uns nun streng nach Osten, rasteten eine Nacht in der Megametropole Tabris und erreichten den anderen großen Gebirgszug Irans, das Elburz Gebirge. Die Geographie Irans erinnert an eine zweizinkige Gabel mit O-Beinen, im Norden das Elburz- und im Süden das Zagros Gebirge und dazwischen, im Schnitt auf ca. 1.500 Meter das iranische Hochland. Wir blieben noch eine Weile im Elburz. In Ardabil, der ehemaligen Hauptstadt Azerbaidschans, kamen wir zum ersten Mal mit der außergewöhnlichen Baukunst des alten Persiens in Berührung.
Das Grabmal von Scheich Safi ad-Din, einem religiösen Führer des 13. Jahrhunderts, war eine echte Überraschung. Hinter der unscheinbaren gelb-braunen Ziegelmauer hätten wir ein solches Kunstwerk nicht erwartet. Durch ein großes Spitzbogen-Tor gelangt man in den ersten Hof. An dessen Ende stehen, noch relativ unscheinbar, vier mit Kuppeln versehene Türme. Ein wenig weiter hinten blieb uns die Luft weg vor Staunen. Was man mit Fliesen nicht alles machen kann. Wenn ich da an mein Badezimmer denke…
Wir verlassen Ardabil und dringen tiefer und tiefer ins Elburz Massif. Mit einem mal reißt das Asphaltband ab, so als sei den Straßenbauern der Teer ausgegangen und wir fanden uns auf einer Schotterpiste wieder. Da es tags zuvor geregnet hatte, war Vorsicht angesagt. In mäßigem Tempo legten wir die verbleibenden 30 Kilometer zurück, die uns noch von Masuleh trennten.
Masuleh ist ein ganz besonderes Dorf und beliebt bei iranischen Touristen, die besonders an Wochenenden in Scharen hier einfallen. Die Häuser von Masuleh sind übereinander gebaut und wie an den Berg geklebt. Das Dach des einen dient als Fußboden des darüberliegenden Gebäudes. Bei einem Spaziergang durch die engen Gassen bewegt man sich also immer auf dem Dach irgendwelcher Häuser. Hier legten wir einen Tag zum durchatmen ein. Das Klima war angenehm kühl und es gab endlos viele Dinge zu entdecken.
Wir setzen unsere Reise fort bis fast zum Kaspischen Meer, bogen aber vorher nach Süden ab. Tagesziel: Qazvin. Von hier versuchten wir am nächsten Tag die sagenhafte Alamut Burg zu erreichen, die die Sekte der Assassinen vor vielen hundert Jahren zu einem ihrer Stützpunkte gemacht hatte. Leider haben wir unser Ziel nicht erreicht, was daran lag, dass wir uns zu viele Fotostopps erlaubten und dann mit der Zeit nicht mehr hinkamen. Macht aber nichts, dafür haben wir nun die Chips voll toller Fotos.
Wer sich schon gefreut hatte, dass es in Iran doch gar nicht so heiß sei, wie man uns angedroht hatte, wurde nun eines besseren belehrt. Mit Qazvin verließen wir auch die Bergregion und befanden uns nun auf der iranischen Hochebene. Das Themometer kletterte mit jedem Kilometer, den wir weiter nach Süd-Osten vorankamen in die Höhe. Dabei ignorierte es die unteren Bereiche und stand morgens um 10 Uhr schon auf 30 Grad. Ab 45 Grad in den frühen Nachmittagsstunden begann es dann unerträglich zu werden. Der Fahrtwind, der in unseren Breitengraden eine gewisse Abkühlung bringt, brannte hier nur heiß auf den Schleimhäuten. Immer mehr an Kleidung verschwand im Begleitfahrzeug. Selbst die hartnäckigsten Sicherheitsapostel fanden sich plötzlich im T-Shirt wieder.
Jetzt verstanden wir auch die Vielzahl an Windtürmen in der Wüstenstadt Yazd. Yazd liegt direkt an der Dascht-e Lut, einer der heißesten Wüsten der Welt. Im Sommer werden hier bis über 70°C Oberflächentemperatur gemessen. Die Windtürme funktionieren wie historische Klimaanlagen. Jeder, selbst der kleinste Windzug wird von ihnen eingefangen und in die Häuser geleitet. Dabei wird die Luft zunächst über kühles, fließendes Wasser geführt, so dass in den Häusern immer ein angenehmes Klima herrscht. Das Wasser wird aus den Bergen über unterirdische Kanäle, den sogenannten Qanats, von weither in die Stadt transportiert. Im Wassermuseum von Yazd kann man lernen, wie dieses Wunderwerk frühen menschlichen Ingenieurwesens funktioniert.
Doch bevor wir unsere Bikes nach Yazd lenkten, stand Isfahan auf unserem Reiseplan, die Stadt, von der einst Dichter sangen: „Hast Du Isfahan gesehen, so kennst Du die Welt.” Wir waren sehr gespannt und als wir die Chahar Bagh-e Baia Street im Schatten dicht belaubter Alleebäume entlang rollten, spürten wir intuitiv, dass hier irgend etwas anders war. Bei einem späteren Spaziergang wurde uns auch klar, was diese Stadt von den anderen in Iran unterschied. Hier blühte das Leben. Mullahs hin, Mullahs her, der von oben verordnetet Griesgram konnte hier nicht Fuß fassen. Junge Menschen in modischer Kleidung bestimmten das Straßenbild. Die obligatorischen Kopftücher trugen die Mädchen nur halbherzig und mehr als Schmuck, denn als religiöses Unterdrückungssymbol. Die Geschäftsauslagen präsentierten alles, was man sich nur vorstellen konnte und unterschieden sich in nichts von denen in Düsseldorf, Hamburg oder Berlin.
Und dann erreichten wir den Imam-Platz, neben dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking der größte Stadtplatz der Welt. Rundum gesäumt von weltlichen und religiösen Prachtbauten, innen eine große Grünanlage mit kleinen Teichen und Wasserspielen, in denen Kinder übermütig tobten. Liebespaare ließen sich in Pferdekutschen um den Platz chauffieren und im Norden strömten Massen Kauflustiger durch das große Tor in den überdachten Basar. Wenn wir nicht das ferne Ziel Indien vor Augen gehabt hätten, hier hätten wir Tage und Wochen verbringen können.
aber mussten wir weiter, weiter nach Süd-Osten, weiter nach Shiraz. Ich tue der Stadt Unrecht, wenn ich sie als blass bezeichne, aber nach Isfahan scheint jede Stadt irgendwie nichts mehr zu bieten zu haben. Und doch verbrachten wir einen ganzen spannenden Tag in Shiraz selbst und einen weiteren im historischen Persepolis. Persepolis war nie eine richtige Stadt sondern immer nur Symbol der Größe und Macht des persischen Reichs. Hier ließ sich der Kaiser feiern und von den Abgesandten seinen Satrapien reichlich beschenken. Das hinderte Alexander den Großen aber nicht daran, den Ort im 4. Jahrhundert vor unserer Zeitrechung in Schutt und Asche zu legen. Anschließend fand sich niemand mehr, der ihn wieder aufbaute und so finden wir ihn heute so oder ähnlich vor, wie ihn Alexander vor über 2.300 Jahren verlassen hat.
Nun wurde es aber höchste Zeit, wieder ins Rollen zu kommen. Kerman, Bam, Zahedan… und dann standen wir an der Grenze zu Pakistan, wo wir eine üble Erfahrung machen durften. Im Begleitfahrzeug lag nur allzu deutlich sichtbar eine Kamera. Das ließ die strengen Geheimdienstagenten auf iranischer Seite vermuten, dass wir ihre heilige Grenze fotografiert haben könnten. Folge war, dass jeder seine Kamera vorzeigen musste, jedes einzelne Bild begutachtet wurde, und wenn auch nur der Anschein aufkam, dass das Foto ein offizielles Gebäude oder einen Uniformierten zeigte, musste es gelöscht werden. Das zog sich ewig hin, so dass es, als wir endlich nach Pakistan entlassen wurden, bereits dämmerte. Das Hotel, in dem wir nun zu übernachten genötigt waren, möchte ich lieber gar nicht erst beschreiben. Um fünf Uhr morgens standen wir alle bereit zum Aufbruch. Alles war besser, als hier eine Minute länger zu verharren.
Andere Länder, andere Straßen. Wir waren wirklich verwöhnt, von den Straßen in Iran. Das sollte nun anders werden. Hier fehlte schon mal die eine Straßenhälfte, dort kämpften wir uns durch ein Meer von Schlaglöchern. Aber nicht nur das sollte unser Vorankommen behindern. Wir befanden uns in Belutschistan, ganz nahe der Grenze zu Afghanistan und damit im Herrschaftsgebiet der ganz großen Drogenbosse, von Taliban und sonstigen unfreundlichen Zeitgenossen ganz zu schweigen. Folge war, dass wir uns alle paar Kilometer an Militärposten registrieren und mit allen Personalien in dicke Bücher eintragen mussten.
Ab Quetta gesellten sich Militär- und Polizeifahrzeuge zu uns und wir durften uns nur noch in ihrem Schutz durchs Land bewegen. In den Städten Sukkur und Multan waren wir quasi Gefangene, zur eigenen Sicherheit in unseren Hotels eingesperrt. Auch unterwegs war es nicht erlaubt, stehen zu bleiben und erzwangen wir hier und da einen Halt, um Wasser zu kaufen, wurden wir von der Bevölkerung hermetisch abgeschirmt. Schade, Pakistan ist bestimmt ein besuchenswertes Land, aber damit müssen wir wohl noch etwas warten, bis sich die politischen Verhältnisse stabilisiert haben. Jetzt dient es nur zur Durchreise nach Indien.
Und hier kamen wir am Tag 40 unserer Reise endlich an. Der Empfang, den mein Freund Abdul dort für uns vorbereitet hatte, war überschwänglich. Das hatten wir aber auch verdient. Nicht nur wegen der langen, kräftezehrenden Reise, sondern auch wegen der Grenzprozedur zwischen Pakistan und Indien. Geschlagene acht Stunden haben wir in den Zollgebäuden verbracht und das verzweifelte Geständnis des pakistanischen Zollbeamten bringt das Problem auf den Punkt: „So viele Carnets habe ich noch nie an einem Tag bearbeiten müssen.” Ja wirklich, das Arbeiten haben weder die Inder noch die Pakistanis erfunden.
Die ersten beiden Tage in Indien verbrachten wir in Amritsar. War Pakistan schon ein Kulturschock, in Amritsar wachten wir in einer anderen Welt auf. Das Chaos auf der Straße ist unbeschreiblich. Alles, was sich nur irgendwie bewegen kann, nimmt am Verkehr teil, Hunde, Kühe, Affen, Fußgänger, Radfahrer, Ochsenkarren, Autos, Motorräder, LKW und alles auf der gleichen Straße, am gleichen Ort, zur gleichen Zeit. Ich muss gestehen, dass ich dieses Chaos redlich genossen habe. Es wirkte wie der Uranfang des Seins, lange bevor sich das Universum Form gab und erkennbare Strukturen erkennbar wurden. Einfach genial. Nur einen Ort der Ruhe gab es, den Goldenen Tempel, das höchste Heiligtum der Sikh. Wenn es zu schlimm wurde, habe ich mich dorthin verzogen, um wieder Kraft zu schöpfen und mich erneut in die Ursuppe zu stürzen. Und damit ging unsere Reise ihrem Ende entgegen. Zwei Tage noch und wir waren in New Delhi und saßen wenig später im Flieger zurück ins geordnete Europa.
Teil 1 findet Ihr in der März-Ausgabe des bma oder <hier>…
Reiseinfo:
- Reiseziel: Auf dem Landweg nach Indien Besuchte Länder: Deutschland, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Serbien, Bulgarien, Türkei, Iran, Pakistan, Indien
- Dauer der Reise: sechs Wochen
- Gefahrene Kilometer: ca. 10.000 Kilometer
- Schwierigkeitsgrad: Mittel, jeder gute Straßenfahrer kann die Tour bewältigen
- Die wichtigsten Reiseziele: Istanbul, Doğubayazit, Masuleh, Qazvin, Isfahan, Yazd, Shiraz, Persepolis, Quetta, Multan, Lahore, Amritsar, New Delhi
- Beste Reisezeit: Frühjahr und Herbst
- Rückreise: Flug ab Delhi, die Motorräder werden per Schiff nach Hamburg Hafen geschickt
- Einreiseformalitäten: Gültiger Reisepass, Visa für Iran, Pakistan und Indien, Carnet de Passage
- Keine Impfungen vorgeschrieben.
- Zu empfehlen sind: Tetanus, Diphtherie, Polio, Hepatitis A und Typhus – Internationaler UND nationaler Führerschein erforderlich
- Währung: Türkei: YTL (neue Türkische Lira ca. 1 Euro = 2 Lira) Iran: Rial (1 Euro ca. 14.000 Rial) Pakistan: Rupie (1 Euro ca. 100 Rupien) Indien: Rupie (1 Euro ca. 65 Rupien)
- Unterkunft & Verpflegung: Einfache, saubere, landestypische Hotels und Speisen
- Sprache & Verständigung: Mit Basiskenntnissen in Englisch kommt man überall gut durch
- Weitere Informationen: Reiseführer z. B. von Reise-Know-How oder Lonely-Planet
- Veranstalter & Reservation:
- Wheel of India GmbH (Günni on Wheels) • Hauptstr. 20 • D-29640 Schneverdingen
- Email: info@WheelOfIndia.de • info@GuenniOnWheels.de
- Web: www.WheelOfIndia.de • www.GuenniOnWheels.de
- Tel.: +49 5193 519191
- Nächster Termin: 26.09.2011 – 05.11.2011
- Reise-Preis: 4.598,00 Euro DZ/Frühstück
- Karten: World Mapping Project, Reise-Know-How-Verlag www.reise-know-how.de/world-mapping-project-m-35.html
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Kommentare
3 Kommentare zu “Nach Indien mit Enfield auf dem Landweg (Teil 2)”
Eine phantastische Reise und hervorragend erzählt
Von Deutschland Nach Indien mit Royal Enfield
Hallo liebe Abenteurer,
da ich selber eine Royal Enfield, Bj. 2006 fahre,bin ich natürlich daran interessiert über besondere Vorkomnisse mit der Maschine zu erfahren. Meine hat erst 4200 km runter und noch nie Regen gesehen, welche Erfahrungen über Haltbarkeit und Reperaturen habt ihr gemacht.
Viele Grüße
Eike
Hallo Eike.
Die besten Tipps & Tricks kriegst DU hier im Enfield Forum: royal-enfield-forum.de
Viele Grüße, Marcus (bma)