aus bma 1/11 – Oldtimer

von Konstantin Winkler

MZ RT 125Echte 450.000. Mit dieser Stückzahl ist die RT 125 eines der meistgebauten deutschen Motorräder. RT steht für Reichstyp – ein Relikt der Vorkriegszeit – und die 125 für den Hubraum. Schon 1939 lief die Serienfertigung an. Das nur 65 Kilo schwere und 75 km/h schnelle Motorrad hatte noch Starr-Rahmen und Trapezgabel.

Die DKW RT 125 war auch eines der erfolgreichsten Motorräder ihrer Klasse. Das zog die Aufmerksamkeit anderer Konstrukteure auf sich und so wurde sie das meistkopierte Motorrad weltweit. Nicht nur in Europa, wo BSA (England) und Gnome & Rhone (Belgien) nach RT 125 – Muster bauten. Auch Yamaha und sogar Harley-Davidson kopierten.

Das Ende des 2. Weltkrieges bedeutete für das in Sachsen gelegene Zschopauer DKW-Werk sowjetische Besatzung, Enteignung und Demontage. Das fortan zur volkseigenen IFA (Industrieverwaltung Fahrzeugbau) gehörende Werk produzierte bald wieder Motorräder, und zwar die RT 125.

Das Grundkonzept entsprach dem Vorkriegsmodell, erhielt aber ein modernes Fahrwerk mit Teleskopgabel vorne und Geradewegfederung hinten. Bis Ende 1955 – inzwischen war auch der Zweitakt-Boxer BK 350 dazu gekommen – wurde unter der Markenbezeichnung IFA ausgeliefert. Anfang 1956 erschien dann der neue Markenname MZ (Motorradwerk Zschopau).

Die neue MZ RT 125/2 wartete mit einigen Änderungen und Verbesserungen auf. Die Leistung des langhubigen (52mm Bohrung und 58 mm Hub) Einzylinder-Zweitaktmotors stieg auf 6 PS bei unveränderten 5.200 Umdrehungen pro Minute. Das bewirkte eine neue Brennraumform mit Quetschkante sowie ein modifizierter Ansaug- und Auslass-Trakt. Ein Flachkolben steckt in einem Zylinder aus Grauguss, während Motorgehäuse und Zylinderkopf aus Aluminium sind.

MZ RT 125Überschaubare 6 PS schickt die Kurbelwelle per Rollenkette erst zum Dreigang-Getriebe, dann ans Hinterrad. Damit kann der kleine Zweitaktmotor naturgemäß nur ganz kleine Bäume ausreißen, für den Überlandverkehr mit mäßigen Steigungen reicht es jedoch allemal. Jegliche Hektik wird da schon im Ansatz erstickt. Immerhin reicht die Leistung gerade eben aus, um sich der Überholversuche eines Wohnmobils zu wehren.

Sehr markant sind bis die heute unübertroffenen Kettenschutz- und Kettenführungs-Schläuche, die die Hinterradkette absolut schmutzfrei geschmiert halten und ihre Lebensdauer beträchtlich erhöhen.

MZ RT 125Dieses gerne als „Arme-Leute-Motorrad“ verspottete Bike ist in jeder Hinsicht problemlos, vom Startverhalten, egal ob im Sommer oder im Winter, bis hin zum Fahren. Dank des breiten Lenkers – fast spielerisch gibt er die Reiseroute vor – lässt sich die RT mit wenig Kraftaufwand auch über schlechte Straßen bugsieren. Selbst über Frostaufbrüche schwebt sie souverän hinweg. Sie reagiert authentisch auf Bodenunebenheiten, dabei aber etwas straff im Federungsverhalten. Telegabel und Geradewegfederung – das war in den 50er Jahren der fahrwerkstechnische Stand der Dinge.

Der Handbremshebel lässt sich weit ziehen, ohne dass im Vorderrad Nennenswertes passiert. Hinten klappt es mit der Verzögerung besser, auch wenn man von der Kombination einer Halbnabenbremse mit schmalen Reifen keine Wunder erwarten darf.

Alte Liebe rostet nicht, sagt ein bekanntes Sprichwort. Hier stimmt es aber nicht ganz. Die hier zu sehende Maschine befindet sich im absolut originalen und unrestaurierten Zustand. Entsprechend viel Rost und Patina ist überall vorhanden. Oxidation symbolisiert den Prozess der Zerstörung und die Endlichkeit. Man kann Rost und Patina aber auch als Symbol für Vergänglichkeit betrachten und dieses in Verbindung mit Dingen bringen, an denen wir versucht sind festzuhalten. Wie lange ein Motorrad hält und gefahren werden kann, hängt nicht nur von der Technik, sondern auch vom Besitzer und seiner Zuneigung zum Objekt ab. Nicht nur zu Zeiten des Kalten Krieges – auch heute noch – werden im Osten Deutschlands produzierte Motorräder von im Westen lebenden Bikern oftmals kritisch betrachtet. Sie haben den Ruf, unter planwirtschaftlichen Bedingungen hergestellte Gebrauchsmaschinen zu sein. Tatsächlich aber sind sie bequeme und zuverlässige, wenn auch etwas hausbackene Alltagsmotorräder. In den neuen Bundesländern schon lange Kultobjekte, erfreuen sie sich auch in den alten Bundesländern steigender Beliebtheit. Nicht immer, aber immer öfter.