aus Kradblatt 8/21 von Dirk Müller
Manche würden Scrambler sagen!
Eigentlich hatte ich gedacht den Zweitaktern entsagt und mich auf einzylindrige Viertakter eingeschworen zu haben, aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.
Deutlich nach der Jahrtausendwende fanden wir durch Zufall bei einem Besuch in Nordostdeutschland ein kleines Motorrad-Museum und die beste Sozia von allen erinnerte sich voller Freude an die gemeinsamen MZ-Touren. Das waren noch Zeiten mit dem Därängdändäng durch den Harz oder an die Ostsee zu düsen. Der sich daraus ergebene Beschaffungsauftrag war mir gleich klar!
Der Blick ins Internet war allerdings ernüchternd, die Wendezeiten mit dem käuferfreundlichen Schleuderkurs à la ein Kasten Bier = eine MZ waren vorbei. Ohne Stress fand ich 2012 nach sporadischem Suchen im Herzen von NRW eine nahezu unverbastelte ETZ 251 mit der eher seltenen Getrenntschmierung für einen günstigen noch dreistelligen Betrag. Die Emme war vor allem als Wintermotorrad geplant, aber am Ende sollte es doch etwas anders kommen.
Die lange MZ Zweiradgeschichte aufzuführen wäre ein abendfüllendes Programm, nur so viel: Die ETZ 251 ist fast die letzte Evolutionsstufe der großen Baureihe aus Zschopau, kam kurz vor der Wende auf dem Markt und orientiert sich optisch an der 1985 eingeführten ETZ 150. Mit 17 PS in der Drosselversion für den Export oder 21 PS für den Binnenmarkt bei knapp über 140 kg hat sie unbestrittene Alltags- und Langlaufqualitäten, war aber optisch nicht ganz unumstritten …
Nach ersten Wartungsarbeiten konnten ein paar optische Anpassungen erfolgen. Zuerst musste der riesige Zubehör-Gepäckträger dem originalen Haltebügel weichen, dann folgte („wie in der Jugend“) ein gekürzter Kotflügel hinten. Der lange originale Koti liegt jetzt gut eingelagert in der Garage, vielleicht kriege ich ja mal einen „Originalitätsfimmel“. Der Umbau auf einen selbsteinklappenden Seitenständer mit 2 Federn war zwiespältig: Die „Etze“ steht damit trotz Nacharbeiten etwas wacklig, dafür ist er TÜV konform und nicht „so gefährlich“ wie das starre Original.
Für den Zweiradspaß im Winter haben sich anfangs weitere Modifikationen bewährt. Mit Heizmanschetten als Griffheizung, Handschützern und Heidenauer K 41 M&S Reifen stand der kalten Jahreszeit nichts mehr entgegen. Gegen Salz und Co. wurden alle „kalten“ Metallteile mit Fluidfilm geschützt, nach dem Fahren wird nach Möglichkeit die aggressive Mischung mit Wasser abgewaschen.
Aber nicht nur bei winterlichen Streckenbedingungen sorgte die Zschopauerin für ein breites Grinsen. Auch im Sommer ging es immer mal wieder allein oder zu zweit auf Tour, das große Mopped blieb im Stall.
Sicher sind einige hundert Kilometer übers Wochenende keine Glanzleistung, aber es macht mächtig Spaß die wiedergefundene Beschaulichkeit und die Unkompliziertheit beim Fahren zu genießen. Plötzlich bekommen Gegenwind oder Steigungen wieder eine Bedeutung und auch Überholmanöver müssen sorgfältiger geplant werden. Trotzdem ist man im Regelfall kein Verkehrshindernis und so mancher Dickschifftreiber wundert sich, dass eine schnöde MZ im Kurvenrevier am Rücklicht klebt.
Dass MZ große Erfolge im Geländesport hatte, wissen vor allem Insider. Legendär sind die Gewinne der Six Days, zuletzt 1987. Auch die Serienmaschinen weisen eine ausgesprochene Schlechtwegetauglichkeit auf und natürlich macht eine Tour auf kleinen Pfaden richtig Spaß. Die Heidenauer Winterreifen waren ein akzeptabler Kompromiss und die bereits nachgerüsteten Handschützer und das Windschild verbreiteten ein wenig Oldschool- Geländeoptik.
Doch das Gelbe vom Ei war es noch nicht und so keimte 2015 der Gedanke auf die ETZ weiter umzubauen.
Die etwas längeren Federbeine der Nachwende-ETZ waren schnell beschafft, aber das Thema Auspuff war eine härtere Nuss. Nicht nur die Ideensuche für eine clevere Auspuffverlegung hat gedauert, noch schwieriger war die Suche nach einem Auspuffbauer. Bei uns in der Gegend war nichts zu machen, aber mit der www.Auspuffschmiede.de fand ich den richtigen Experten. Bei Wulf Peppmöller bekam die MZ nicht nur einen neuen Krümmer, sondern mein alter originaler Auspuff wurde mit einer Edelstahlummantlung und Hitzeschutzblech versehen. Da der Auspuff der Originalform entspricht, kann ich im Falle eines Falles mit dem normalen Krümmer wieder auf die tiefe Ausführung wechseln. Die Auspuffaufhängung am Krümmer, starr an den Motorbefestigungsschrauben und elastisch in Gummielementen an der Federbeinaufnahme, funktioniert bisher gut. Um etwas Platz zu sparen für den Auspuff gab es einen neuen Edelstahl-Seitendeckel. Vorher hatte ich durch Verlegung von Blinkgeber und Zündeinheit Raum geschaffen. Die Arbeit der Auspuffschmiede gab es zu einem fairen Preis, Zubehörtöpfe für „richtige“ Motorräder kosten häufig deutlich mehr.
Die folgenden Ausfahrten verliefen erfolgversprechend. Der Klang ist typisch MZ und war nur Anfangs etwas kerniger. Für die Füße ist auf den Rasten noch ausreichend Platz und dank des Hitzeschutzbleches gibt es auch keine verbrannten Waden für Fahrer oder Beifahrerin. Ungeachtet der etwas verbesserten Offroadtauglichkeit ist auch im Originalzustand verblüffend, dass die MZ für den Sozius viel bequemer ist als viele aktuelle Motorräder. Allerdings reißen die rund 20 PS dann erst recht keine Bäume mehr aus.
Die Plastehandschützer hatten sich nicht bewährt, schon kleine Umfaller oder „Feindkontakt“ können sie in die ewigen Jagdgründe befördern. Bei meinen bisherigen Enduros habe ich sehr gute Erfahrungen mit den geschlossenen Acerbis-Handschützern gemacht. Die Montage an der ETZ mit originalem Lenker ist allerdings nicht einfach, es ist wenig Platz. So richtig stimmig passte es erst mit einem „richtigen“ Endurolenker mit Mittelstrebe.
Zwischenzeitlich mussten auch die Heizmanschetten dran glauben. Die Idee ist clever und für den Gelegenheitseinsatz ausreichend stabil, allerdings war mir der Durchmesser der Griffe mit Manschette auf die Dauer zu groß. So habe ich mir richtige Oxford Heizgriffe gegönnt. Als echte Herausforderung hatte sich der unübliche Außendurchmesser des MZ Gasgriffs herausgestellt. Einfaches Montieren war nicht, am Ende des Tages habe ich aus dem originalen MZ-Gasgriff und einem Simsongriff einen passenden Zwitter gebastelt. Die Lösung hat sich schon seit 2014 bewährt und im Winter genieße ich warme Hände.
Weitere Modifikationen in Richtung Enduro hielten sich in Grenzen, da mir durch glückliche Umstände eine MZ Geländesport Replika zulief.
Eigentlich stand noch eine Modifikation der Telegabel, vielleicht doch noch längere ES-Federbeine (Anmerkung: Die ES ist eine ältere MZ mit Schwinge vorn und hinten.) oder ein Motorschutz im Raum. Allerdings war auch klar, dass die Umbauten optisch in die vergangene Zeit passen sollten, LED-Blinker und moderne Plastikteile scheiden damit aus. Es folgten nur noch kleinere Schritte, wie die klappbaren Fußrasten der Armeevariante der NVA, ein etwas höhergelegter vorderer Kotflügel auch nach NVA-Vorbild sowie ein kleiner angeschweißter Bügel für die von der Suzuki DRZ recycelten Werkzeugtasche am Heck. Das Täschchen tut auch Not, denn unterm rechten Seitendeckel war durch den Auspuff kein Platz mehr für das Bordwerkzeug.
Bei (m)einer MZ war und ist auch so immer irgendwas zu tun. Das Grundkonzept ist robust, aber trotz solch schicker Sachen wie dem geschlossenen Kettenkasten ist sie nicht wartungsfrei und mittlerweile auch rund 30 Jahre alt.
Den Motor habe ich vorsichtshalber bei etwas über 40.000 km überholen lassen, das bekommt man in guter Qualität für einen überschaubaren dreistelligen Betrag gemacht. Nach Zickereien mit der Zündung (eher untypisch) habe ich auf eine Vape-Zündung umgebaut. Am Vergaser kann man auch immer mal wieder rumfummeln, „beliebt“ war bei mir das gelöste Gummi des Startvergaserkolbens. Die Getrenntschmierung ist unauffällig und vermeidet das extra Mischen beim Tanken, allerdings muss man aufpassen, dass der separate Bowdenzug in Ordnung ist.
Die MZ-Szene hat sich gewandelt, die Nutzung als billiges Alltagsmotorrad tritt zunehmend in den Hintergrund, der Liebhaberstatus wächst. Viele haben, wie ich, eine MZ als zusätzliches Motorrad in der Garage stehen, Jäger und Sammler mit umfangreichen Sammlungen sind sehr ausgeprägt. Viele Informationen, Hilfe und Anregungen findet man im sehr aktiven MZ-Forum.com.
Die Ersatzteilversorgung ist angesichts der weiten Verbreitung gesichert. Bei den Nachbauteilen ist es so wie bei vielen Oldies, neu ist nicht immer besser, geschweige denn haltbarer. Trotz der insgesamt niedrigen Ersatzteilpreise sind die Zeiten, in denen man eine MZ billigst am Leben halten konnte, vorbei. So knetern wir weiter zufrieden durch die Gegend.
Eigentlich könnte ich jetzt hier aufhören, aber irgendwie ist man ja nie ganz am Ende. Die letzten Umbauten waren eine aufgepolsterte endurogerechte Sitzbank (damit kommt einem das Motorrad auch nicht mehr ganz so klein vor), ein paar Fangbänder für die Telegabel und ein selbstdesigntes Lenkerpolster.
Eine andere Farbe wäre vielleicht auch nicht schlecht, denn an der einzig wahren Farbe eines Fahrzeuges habe ich mich mittlerweile satt gesehen. Irgendetwas anderes fällt mir in den kommenden Jahren bestimmt auch noch ein.
PS: Ach so – Wintermopped ist sie trotzdem noch.
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