aus bma 9/99

von Benno Bretthauer

Da stand ich nun also im Laden und wollte wissen, was mit meiner MuZ Silver Star würde, die morgens eingeliefert worden war. Abends zuvor hatte ich einen Unfall. Eine Autofahrerin hatte mir die Vorfahrt genommen, und während ich noch stuntmanmäßig elegant über die Motorhaube fliegen konnte, hatte meine kleine MuZ weniger Glück. Sie brach sich sozusagen das Genick. Die Reparatur lohnte nicht mehr. Eigentlich wollte ich nun nur noch Auto fahren – ist nicht so gefährlich! -doch wie ich da so stehe, macht mir der Händler plötzlich ein gutes Angebot für eine Skorpion Sport. Und sie war doch schon immer mein Traum. Nach einer schlaflosen Nacht meldete ich mich am nächsten Morgen zur Probefahrt an und nach weiteren endlosen Tagen des Überlegens war die neue MuZ mein Eigentum. Schon bald merkte ich, dass die Skorpion lange nicht so bequem ist wie die Silver Star. Eigentlich schade, denn der Yamaha-Motor ist irgendwie erwachsener als der Rotax-Motor der Silver Star. Er läuft ruhiger und dreht von unten besser raus. Auch hat dieses Motorrad einen excellenten Geradeauslauf und läßt sich durch nichts aus der Ruhe bringen. Die Verkleidung ist eine designerische Meisterleistung. Für ihre kleine Größe hält sie schon verdammt viel Wind ab und wenn man die Knie am Tank anlegt, werden sie nicht kalt, obwohl sie sich noch unterhalb der Verkleidung befinden.Also ein astreines Tourenmotorrad, wären da nicht die unbequeme Sitzposition, die zu kleinen Sitzkissen und die viel zu harte Federung. Länger als 150 Kilometer hielt ich es auf der Skorpion einfach nicht aus.

 

Wenig später meldete ich mich in Lahr/Schwarzwald zur Meisterschule an. Schwarzwald! Mir lief das Wasser im Mund zusammen – endlich mal vernünftig Kurven fahren. Plötzlich war mir egal, wie unbequem meine MuZ ist, und ich schnallte für eine kleine fünf -Tagestour meine Sporttasche auf das hintere Sitzkissen (Koffer oder Packtaschen kann man wegen dem hochgezogenen Auspuff leider nicht montieren). Am ersten Tag fuhr ich bis Aschaffenburg, ich wollte meine Knochen nicht gleich zu sehr strapazieren. Lahr erreichte ich am zweiten Tag, sah mir die Schule an und suchte mir ein Zimmer. Dann – endlich – fuhr ich nur Kurven. Dafür ist dieses Moped gebaut, das macht einfach nur Spaß.
Nun war klar, in den zehn Monaten Schulzeit musste ich unbedingt mit der MuZ den Schwarzwald erkunden. Und so kam es denn auch, ich nutzte jede freie Minute, um mich mit der Skorpion umzusehen. Egal, ob ich die leicht kurvigen Straßen am Rhein lang heizte oder auf den Bergstraßen des Schwarzwaldes um die Kurven schwang – es war ein Genuss; sogar im Winter, wenn der Schnee einen halben Meter hoch neben der Straße lag.
In den Ferien fuhr ich fast immer mit meinem Moped ins heimische Cuxhaven und riss an einem Tag 750 km ab. Irgendwie war das möglich, obwohl ich danach immer fix und alle war. Auf diesen ganzen Fahrten hatte ich übrigens nie eine Panne, meine Maschine lief immer perfekt ohne Schwierigkeiten.
Am Ende meiner Schulzeit bekam ich einen Job in Kassel. Für die Zimmersuche sattelte ich die MuZ und stopfte meine Klamotten in Gepäckrolle und Tankrucksack. Zum Tankrucksack muß ich noch sagen, dass man ihn andersherum montieren muss; ich glaube, die MuZ Skorpion ist das einzige Motorrad, das den Tankdeckel hinten auf den Tank hat. Es ist jedenfalls schön, zum Tanken den vollen Tankrucksack nach vorn gegen die Verkleidungsscheibe zu klappen.
Hier in Kassel kann ich zur Zeit noch zu Fuß zur Arbeit gehen, und so wird meine MuZ nur für die Abendtouren oder für die Wochenendfahrten nach Cuxhaven gebraucht. Die 350 km stehe ich nun gut durch, wenn man dadurch seine alten Freunde wiedersieht. Mindestens die Hälfte ihrer bisherigen Fahrzeit hat meine Skorpion also auf der Autobahn verbracht.
Einmal ist es passiert, dass mir das Rücklicht zerbröselt ist. Dieses Rücklicht hatte mich sowieso schon zehn Glühbirnen gekostet. Und dann ging es los – woher ein neues Rücklicht bekommen? Viele ehemalige MuZ-Händler hatten nach erfolglosem Handel mittlerweile den Verkauf von MuZ-Motorrädern und -Ersatzteilen eingestellt. Viele Telefongespräche später wurde ich in Rotenburg/Wümme fündig: die Firma Rowdy-Bike konnte mir helfen und baute kurzerhand ein Rücklicht von einer neuen Skorpion Sport ab. Zusätzlich wurde das Rücklicht noch mit einer Gummiplatte hinterlegt, das schont wirklich die Birne.
Ein wirklich großes Ärgernis an diesem Moped ist der viel zu kleine Lenkeinschlag. Da passiert es ganz schnell, dass man beim Rangieren gegen den Lenkanschlag schlägt und es die MuZ zu Boden reisst. Das hat mich immerhin schon einen Bremshebel und ein Blinkerglas gekostet. Einmal ist mir dieses Missgeschick mitten auf einer Landstraße passiert, als ich nur mal umdrehen wollte. Den eilig herbeieilenden Autofahrern konnte ich nur schlecht begreiflich machen, dass ich nicht mit hoher Geschwindigkeit auf die Klappe gefallen bin, sondern einfach nur das Moped umgekippt ist. Und wie sollte ich ihnen erklären, daß ich keinen Schock hatte, sondern einfach nur stinksauer auf mein Motorrad war?
Ich hab‘ schon eine seltsame Beziehung zu meinem Moped. Auf der einen Seite finde ich die Skorpion mit ihrem durchdachten Design und ihrer klaren Linie richtig schön, und sie hat einen schönen bulligen Motor und macht ’ne Menge Spaß! Aber warum muss sie so unbequem sein und warum passt kein Gepäcksystem? Darüber kann ich mich aufregen. Aber es ist noch nicht aller Tage Abend, vielleicht fällt mir da noch eine Lösung ein.
Nun habe ich gerade die 20.000 km-Marke überwunden und die Antriebskette ist schon voll am Ende. Kein Wunder bei diesem designerischen Mißgeschick aus Kotflügel und Kettenschutz. Von den genialen Kettenkästen der alten MZ und der Silver Star ist nicht mehr viel übrig geblieben. So läuft die Kette fast völlig frei und nimmt jede Menge Dreck auf, andersherum schmeisst die Kette mit dem Kettenfett ‚rum und saut alles ein, z. B. die Hinterradfelge und den Griff zum Aufbocken, was für besondere Freude sorgt.
Zur Schrauberfreundlichkeit kann ich nur sagen, früher war alles besser. Allein der Hinterradaus- und -einbau ist ein Krampf und ging an der Silver Star viel besser. Auch die hierzu nötigen Schlüssel aus dem Bordwerkzeug kann man höchstens als Flaschenöffner benutzen. Ansonsten ist das Bordwerkzeug aber ganz brauchbar.
Eigentlich träume ich schon seit langem von einer Reiseenduro, und wenn ich endlich das Geld dazu habe, werde ich mir auch eine kaufen und meine MuZ verkaufen, dann aber schweren Herzens. Aber, brauche ich überhaupt eine Reiseenduro? Ich bin doch mit meiner Skorpion überall hingekommen, was soll ich also mit einer Reiseenduro?