aus bma 12/97

von Marcus Lacroix

MuZ liebt es tierisch. Nach den Straßenmotorrädern Scorpion Sport und Tour präsentierten die Sachsen der Öffentlichkeit jetzt die Enduro Baghira sowie das Funbike Mastiff. Allen Maschinen gemein ist der 660 ccm-Einzylindermotor, den Yamaha liefert. Ansonsten hat MuZ für jedes Krad einen anderen Käuferkreis im Auge und hat die Motorräder dementsprechend unterschiedlich konzipiert.
Dieser Fahrbericht über die Mastiff entstand aufgrund des Engagementes des Piaggio- und frischgebackenen MuZ-Vertragshändlers TS-Autotuning aus Hamburg, der uns die Maschine für mehrere Tage zur Verfügung stellte. Mastiff ist eigentlich die Bezeichnung für eine englische Doggenart, die von unfairen Zeitgenossen gelegentlich als Kampfmaschine mißbraucht wird. Warum MuZ ausgerechnet dieses Tier als Namensgeber für die neuste Kreation gewählt hat, bleibt zunächst unklar. Der tierische Namensvetter der Mastiff ist ein großes, bulliges Tier, das in seinen Kreisen zu den Schwergewichtlern gehört. Das zweirädrige Pedant könnte gegensätzlicher nicht sein.
Ganze 176 kg bringt die fahrfertige Maschine auf die Waage, ein Wert, der Fahrern größerer Maschinen immer wieder die Tränen in die Augen treibt. Genauso leicht, wie es die Papierform vermuten läßt, gibt sich die MuZ schon im Stand. Sie wirkt zierlich, das über Rohrbügel rahmenfest montierte Cockpit geradezu filigran. Speziell dieses Cockpit-Design ist es, was die Mastiff so eigenwillig erscheinen läßt. Mit einem normalen Scheinwerfer und ohne das Rohrgeflecht würde die Maschine wohl unbeachtet im Reigen der übrigen Einzylinder untergehen. Glücklicherweise hat MuZ dies verhindert und sich mutig zu einem progressivem Design bekannt. Das Cockpit, das auf Fotos oft etwas unförmig wirkt, kann live voll überzeugen. Klar, es ist anders, und Leute, die lieber in der Masse mitschwimmen, werden kaum Freude daran finden. Wer sich jedoch für ungewöhnliche Motorräder begeistern kann, kommt an der Mastiff nicht vorbei.

 

Gerät man beim Betrachten des Einzylinders bereits ins Schwärmen, versetzt einen das Fahren mit Sicherheit in euphorische Stimmung. Die Mastiff macht einen Riesenspaß! Seit Aprilias Moto 6.5 habe ich persönlich keinen Einzylinder mehr gefahren, der ein so starkes „Haben wollen”-Gefühl erzeugte. Dabei ist es nicht nur die Optik, die mich unglaublich fasziniert, sondern die Feststellung, wie einfach Motorradfahren sein kann. Nicht, daß mein privates 220 Kilogramm-Motorrad unhandlich wäre, aber die Mastiff paßt ganz einfach.
Bei 176 cm Körperlänge erreiche ich problemlos mit beiden Füßen den Boden. Die schmale Sitzbank ist straff gepolstert, aber nicht unnötig hart oder unbequem. Mangelhaft ist allenfalls die Soziustauglichkeit, doch wird sich kaum jemand eine Mastiff zulegen, um regelmäßig Ausflüge zu zweit zu machen. Der Knieschluß zum Tank ist wiederum perfekt und der Abstand zu den Fußrasten angenehm groß. Der Fahrer sitzt ein klein wenig nach vorne gebeugt, dicht hinter dem breiten Lenker. Die Sitzhaltung ist zum Kurvenräubern wie geschaffen. Hohe Dauergeschwindigkeiten auf der Autobahn schließt sie natürlich aus, schon oberhalb von 120 Stundenkilometern wird der Winddruck unangenehm. Die Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h hat somit eher theoretische Bedeutung. Sie interessiert aber auch niemanden wirklich, denn die Mastiff ist nunmal, wie schon erwähnt, zum genüßlichen Umrunden enger Kurven mit möglichst großer Schräglage gebaut worden.
Für diesen Einsatzzweck wurde die neue MuZ effektiv abgerichtet. Ein steifer Stahlrohrrahmen mit angeschraubtem Rahmenheck, eine stabile 45er Telegabel und eine Alu-Schwinge mit Zentralfederbein bilden die Grundlage. Die Gabel spricht sauber auf Unebenheiten in der Fahrbahn an und bleibt dank eines Gabelstabilisators auch bei kräftigen Bremsmanövern verwindungsfrei. Das Federbein wird von White Power geliefert und ist in der Federvorspannung und in der Druckstufendämpfung justierbar. Vorne wie hinten stehen dabei 190 Millimeter Federweg zur Verfügung. Zusammen mit der serienmäßigen Metzeler ME Z1 Bereifung ist das Garant für puren Fahrspaß auf Straßen jeder Kategorie. Selbst auf meiner Hausstrecke, die mehrere schnelle Wechselkurven mit extrem welligem Asphalt aufweist, läßt sich die Mastiff nicht aus der Ruhe bringen. Die Schräglagenwechsel erfordern dank des breiten Lenkers nur wenig Kraft, und zum Aufsetzen habe ich die Maschine dabei nie bringen können.
Doch nicht nur auf Landstraßen fühlt sich die Mastiff pudelwohl, auch im Stadtverkehr überzeugt sie. Durch das geringe Gewicht, die aufrechte Sitzposition kann man jede Lücke nutzen und aufgrund der guten Bodenfreiheit braucht man auch Bordsteine und Treppenstufen nicht zu scheuen. Der Seitenständer klappt zwar in eine ungewöhnliche Stellung, doch das stört im Alltag nicht, und das zentrale Lenk-/Zündschloß verriegelt den Lenker sowohl bei Rechts- als auch bei Linksanschlag. Auf langen Geraden kommt etwas Langeweile auf, doch der Yamaha-Einzylindermotor hängt gut am Gas und so bringt man diese unangenehmen Unterbrechungen zwischen zwei Kurven schnell hinter sich. Überhaupt kann das Triebwerk im Alltag voll überzeugen. Solange man nicht das Parklicht stundenlang brennen läßt (wie aus Versehen von mir getestet), springt die Mastiff auch bei frostigen Temperaturen gut an. Nach wenigen hundert Metern kann der am Lenker montierte Choke zurückgenommen werden. Der Eintopf begeistert trotz strenger Geräuschvorschriften mit einem satten, einzylindertypischen Sound, ohne dabei die Umwelt zu nerven. Die ungewöhnliche Form des Edelstahlauspuffs paßt sich dabei anstandslos in die Linienführung ein. Beruhigend ist auch die Tatsache, daß der Sound von einem bewährten, ausgereiftem Triebwerk produziert wird. Vibrationen treten dank einer Ausgleichswelle nicht in nennenswerter, oder gar unangenehmer Form auf. Lediglich das Getriebe könnte sich etwas weicher schalten lassen, denn die Gänge möchten immer mit etwas Nachdruck eingelegt werden. Schludert man beim Gangwechsel, so landet man schon mal zwischen zwei Gängen.
Wer die Mastiff auf der Landstraße ordentlich fliegen läßt, sollte mit einem Benzinverbrauch von circa 6 Litern Normal je 100 Kilometer rechnen. Durch den 13,5 Liter fassenden Kunststofftank ergeben sich so in der Praxis Tankintervalle von rund 200 Kilometern. Mit einer gemäßigten Fahrweise kann der Spritverbrauch allerdings problemlos um einen Liter je 100 Kilometern gedrückt werden.
Beim Tanken stellt der Mastiff-Fahrer dann fest, das das Rohrgeflecht zum Cockpit zwar gut aussieht, die Abnahme des Tankdeckels dadurch aber erschwert wird.
Die Bremsanlage der Mastiff ist über alle Zweifel erhaben. Wer sich hier stärkere Stopper wünscht, wird wahrscheinlich über Rennsporterfahrung verfügen. Hinten wird die MuZ über eine 246 Millimeter durchmessende Scheibe verzögert, die vordere mißt 296 Millimeter. Diese Kombination setzt die Bewegungsenergie bei Bedarf sehr überzeugend und wohldosierbar in Wärme um. Stahlflexbremsleitungen sorgen für einen konstanten Druckpunkt. Schon nach kurzer Eingewöhnung ertappt sich der Mastiff-Fahrer bei dem Versuch, publikumswirksame Stoppies zu erzeugen. Im Gegensatz zur kürzlich gefahrenen Triumph Speed Triple, deren Vorderradbremse durch brachiale Bremsleistungen Angst und Schrecken verbreitete, kann die Mastiff-Anlage auch von Anfängern sicher bedient werden.
Hier zeigt sich einer der Hauptvorteile der MuZ Mastiff. Die Maschine bietet einem routinierten Fahrer fahrwerks- und bremstechnisch große Reserven, ohne einen Anfänger zu überfordern. Führerschein-Neulinge können sich die Maschine auf 34 PS drosseln lassen. Nur selten wünschte ich mir bei dem von uns gefahrenen Modell mehr als die fünfzig gebotenen Pferdestärken. Allerdings versicherte mir ein Motorradmechaniker, daß sich aus dem Einzylinder durch ein wenig Feinarbeit noch ein paar zusätzliche Pferdchen herauskitzeln lassen, ohne daß die Standfestigkeit beeinträchtigt wird. Aber auch im Serientrim reicht die Leistung aus, um zum Beispiel beim Abbiegen den Hinterradpneu durch beherztes Gasgeben spaßeshalber etwas wegschmieren zu lassen.
Zum Basteln animiert auch das Cockpit. Zwar lassen sich die beiden Rundinstrumente und die Kontrolleuchten gut ablesen, ein digitales Display wie bei der Suzuki Freewind käme aber noch viel cooler. Nötig ist solch eine Bastelei natürlich nicht – im Gegensatz zur Sitzbankbefestigung; diese sollte MuZ schnellstens ändern. Um das Möbel abzunehmen, müssen drei Schrauben gelöst werden. Hätte ich das Standlicht nicht die kleine Batterie leersaugen lassen, wäre uns dieser Umstand wohl kaum aufgefallen. So aber mußten wir die Batterie zum Überbrücken freilegen, die Mastiff hat nämlich keinen Kickstarter. Die Flüche, die diese Aktion begleiteten, drucken wir lieber nicht. Hobbybastler können zum Laden der Batterie entweder eine Steckdose montieren oder die Sitzbank auf Schnellverschlüsse umrüsten. Nach Angaben des Mechanikers von TS-Autotuning will MuZ die Sitzbank allerdings in der laufenden Serie verbessern.
Es wäre von MuZ auch sehr entgegenkommend, wenn der Brems- und der Kupplungshebel durch einstellbare Exemplare ersetzt werden, denn Motorradfahrer mit kurzen Fingern könnten hier sonst Probleme bekommen. Ferner sollte der Tankdeckel durch ein abschließbares Exemplar ausgetauscht und das Bordwerkzeug soweit erweitert werden, daß man die Spiegel damit einstellen kann. Bisher fehlt dafür ein 14er Schlüssel.
Wer beim Gedanken an Firma MuZ immer noch die alten, inzwischen fast kultigen Zwei-takter im Kopf hat („Was!? Das kann doch keine MZ sein!” – so geschehen an einer Tank-stelle bei Bremen beim An-blick der Mastiff), der sollte schleunigst umdenken.
Das Yamaha-Triebwerk ist ein guter Griff, auch wenn manchen Zeitgenossen eine rein europäische Lösung besser gefallen hätte. Der Einzylinder reißt nicht nur bei den schon genannten MuZ-Modellen an der Kette, sondern leistet auch in den Yamahas XTZ und SZR 660 gute Dienste. Bleibt nur zu hoffen, daß die Mastiff weggeht wie warme Semmeln. Verdient hat sie es, denn die Mischung aus zuverlässiger Technik und innovativem Design sollte honoriert werden. Von kleinen Mängeln im Detail abgesehen hat MuZ mit der Mastiff ein absolut faszinierendes Motorrad auf die Räder gestellt. 11.940 DM kostet das Funbike – wahlweise in Blau oder Schwarz.