aus bma 5/00

von Olaf Rutenberg

Wer sich heutzutage auf die Suche nach einer knackigen Enduro begibt, wird bald feststellen, dass es auf diesem Sektor fast nur noch Antiquitäten gibt. Die Japaner verbauen ihre alten Motoren aus den achtziger Jahren in immer softeren Fahrwerken, mit denen im Gelände kein richtiger Fahrspaß mehr aufkommen will. Als Alternative haben sich in den letzten Jahren europäische Sportenduro-Hersteller wie KTM und Husqvarna angeboten; diese haben ihre Modellpaletten inzwischen um etwas alltagstauglichere Varianten erweitert. Was ich aber suchte, war eine europäisch-japanische Mischung. Ein Fahrwerk auf Sportenduro-Niveau in Verbindung mit einem zuverlässigen und langlebigen Motor, der trotz allem auch noch etwas Leistung haben sollte. Im Sommer ’97 begann ich, mich umzusehen, just zu der Zeit, als MuZ seine neuen Modelle Mastiff und Baghira der Öffentlichkeit präsentierte. Die erste Kontaktaufnahme gestaltete sich schwierig, da die um- liegenden Händler in meiner Region keine Maschinen orderten. Die Angst vor neuen Ladenhütern à la Skorpion war wohl zu groß. Für etliche Monate blieb mir nur das Studieren von Vergleichstests und Fahrberichten, und die waren durchaus eindrucksvoll.

 

Die Baghira war aus feinsten Bauteilen zusammengesetzt: ein kunststoffbeschichteter Rahmen, eine 45 mm Marzocchi Magnum-Gabel mit 280 mm Federweg, das Federbein von White Power oder Technoflex, die durchgefärbten Kunststoffteile stammen von Acerbis, Stahlflexbremsleistungen, eine massive und überdurchschnittlich lange Alu-Schwinge und Krümmer sowie ein Auspuff aus Edelstahl. Als Antrieb diente der Motor der Yamaha XTZ 660, der nun aber dank einem riesigen Luftfilterkasten und neuer Auspuffanlage 50 PS leistete. Obwohl sie mit ihren 169 kg Leergewicht für eine Sportenduro zu schwer war, kam sie meinen Vorstellungen recht nahe. Und als es mit der Probefahrt doch noch klappte, habe ich dann Ende ’98 zugeschlagen.
Mit der Baghira bewegt man ein Exoten-Motorrad. Außer beim Händler ist mir in der freien Wildbahn jedenfalls noch kein anderer Pan- thertreiber begegnet. Die Gründe dafür sind neben der nicht gerade zivilen Sitzhöhe von 93 cm und der korkeichenharten Sitzbank vor allem wohl im Imagebereich zu suchen. Dabei hat die Baghira in Enduristen-Kreisen durchaus Aufmerksamkeit verdient.
Bei der Entwicklung des Fahrwerks haben sich die MuZ-Konstrukteure offensichtlich stark an KTM orientiert. Mit einem Plus an Radstand und Nachlauf hat der sächsische Panther jedoch noch etwas mehr Fahrstabilität auf den Weg bekommen als sein österreichischer Nachbar. Der schwierige Spagat zwischen Geradeauslauf und Handlichkeit wurde nahezu perfekt gelöst. Die vielfach einstellbaren Dämpfungselemente lassen auch im Gelände keine Wünsche offen. Hier macht der Baghira nur etwas ihr Gewicht zu schaffen. Auf der Straße aber können die Kurven gar nicht eng genug sein und je schlechter der Belag ist, desto mehr kommen die Qualitäten des Fahrwerks zur Geltung.
Durch die weit nach vorn gezogene Sitzposition erhält man ein hervorragendes Gefühl für die Maschine und ertappt sich dabei, in den Grenzbereich der Reifenhaftung vorzustoßen. Auch die Mischung zwischen Sportlichkeit und Komfort stimmt, zumindest für den Solofahrer. Wer die Frechheit besitzen sollte, seine Sitzbank mit einem Beifahrer zu teilen, wird diesen Leichtsinn schon bald mit ziemlich mürbem Sitzfleisch bezahlen. Zu den Bremsen, die Grimeca beisteuert, will mir aber wieder keine Kritik einfallen. Die Verzögerung ist tadellos und gut dosierbar. Mit dem Motor bin ich ebenfalls recht zufrieden, obwohl er nicht gerade ein Temperamentsbolzen ist. Aber diesen Eindruck vermittelt er sicher auch durch seine gleichmäßige Kraftentfaltung ohne Höhen und Tiefen. Was ihm an Spritzigkeit fehlt, macht er aber durch konstante Leistung über den gesamten Drehzahlbereich wett. Da mir die von der XTZ 660 übernommene Sekundärübersetzung zu lang ist, wird demnächst ein kleineres Ritzel in Verbindung mit einem größeren Zahnrad für etwas mehr Fahrspaß sorgen. Da ich die Baghira zum größten Teil für Geländeeinsätze angeschafft habe, machte ich mich gleich nach dem Kauf auf die Suche nach einem brauchbaren Motorschutz (leider nicht serienmäßig). Das von MuZ und Touratech angebotene Zubehör sah wenig praxistauglich aus. Fündig wurde ich schließlich bei dem Reiseveranstalter WD Adventure Tours. Es ist meines Wissens der einzige Schutz, der die Wasserpumpe auf der rechten Motorseite wirkungsvoll abdeckt.
Für ein entspanntes Fahren im Stehen dient mir ein hoher Alu-Lenker von Renthal. Ein Supertrapp-Auspuff (mit ABE) verschönert das Gesamtbild und sorgt außerdem für einige Kilo Gewichtsersparnis. Zu guter Letzt habe ich für das Wohlbefinden meiner Gabelsimmeringe noch ein paar Neoprenschützer montiert.
Wen es mit der Baghira in die Ferne zieht, der sollte sich auch um einen größeren Tank bemühen. Die knapp 13 Liter des Serientanks reichten bei mir noch nie weiter als 230 Kilometer. Von Touratech gibt es mittlerweile einen 35 Liter-Tank, ebenso Kofferträger und Alu-Boxen. Die Preisgestaltung liegt allerdings auf einem gehobenen Niveau.
Bleibt noch zu sagen, dass für etwas intensiveren Geländespaß eine gröbere Besohlung aufgezogen werden sollte. Glücklicherweise sind ab Werk bereits zahlreiche Freigaben im Brief enthalten.
Alles in allem habe ich die Baghira als ein Motorrad mit einem exzellenten Fahrwerk und einem wenn auch nicht begeisternden, so doch souveränen Motor kennengelernt.

PS. Ein Traum bleibt aber zum Schluss noch, nämlich die Synthese des Baghira-Fahrwerks mit einem Zweizylindermotor und circa 70 PS ohne Erhöhung des Gesamtgewichts. Also Mut und Zuversicht.