aus Kradblatt 4/14
Text: Winni Scheibe
Fotos: Archiv Röth und www.winni-scheibe.com

Ein halbes Jahrhundert ist Fritz Röth im Motorradgeschäft aktiv. Der Südhesse war einer der ersten Honda-Händler in Deutschland. Kein anderer hat, wie er später, so viele Motorradmarken importiert, darunter die großen Namen Moto Guzzi, Ducati, Bimota, Voxan und Suzuki.

Fritz-Roeth-links-in-seiner-ersten-Werkstatt„So lange ich denken kann, haben Motorräder aus Italien eine große Faszination auf mich ausgeübt. Sie waren einfach anders als die Maschinen von NSU, Horex, BMW oder aus England, und aus den USA sowieso. Fast alle großen itali­enischen Marken von Aermacchi über Benelli, Bimota, Ducati, Moto Morini bis zur Azzurri-Legende Moto Guzzi haben wir importiert und über unser deutschlandweites Händler-Netz vertrieben. Daneben waren wir immer direkter Ansprechpartner für unsere Kunden vor Ort. Manche kamen nur auf einen Plausch vorbei, andere um sich Ersatzteile zu besorgen oder eine Fahrzeugin­spektion durchführen zu lassen oder ihre neue Maschine bei uns persönlich in Empfang zu nehmen. Der Standort war nie ein Nachteil für uns. Ganz im Gegenteil. Viele unserer Kunden genossen die Fahrt in den Odenwald, verbanden den Besuch bei uns mit einer Motorradtour“, erinnert sich Fritz Röth.

Fritz-Roeth-mit-NSU-Max„Sollte ich spontan aufzählen, von wann bis wann wir diese oder jene von den gut 40 Marken importiert oder vertrieben haben, muss ich mich jedoch entschuldigen. Bilanzen, Kalkulationen und Bürokratie haben meine Mitarbeiter erledigt, mein Interesse galt vorrangig der Technik. Denke ich zurück, fallen mir allerdings viele Episoden ein. Manche haben sich im Gedächtnis so fest gebrannt, als hätte ich sie gestern erlebt.“ Fritz Röth muss dabei lachen und schießt los: „Seit 1971 waren wir erster Suzuki-Generalimporteur für Deutschland, die Arbeit begann für uns bei der Stunde Null. Von Hammelbach aus wurde das Vertriebsnetz aufgebaut, wir verbuchten sensationelle Zuwachsraten. Händler und Kunden waren vollauf zufrieden und Suzuki in Japan auch. So dachte ich damals jedenfalls. Auf dem Motorradmarkt war Mitte der 1970er Jahre richtig was los. Honda hatte eine Werksniederlassung in Offenbach und Kawasaki in Frankfurt, für Yamaha war Mitsui in Düsseldorf zuständig.

Fritz-Roeth-Honda-Vertragshaendler-um-1962Anfang 1976 überraschten mich die Japaner mit der Forderung den Standort umgehend in die Nähe des internationalen Flughafens von Düsseldorf oder Frankfurt zu verlegen. Hammelbach wäre nach Auffassung der Geschäftsleitung zu sehr abgelegen. Eine Weltfirma wie Suzuki gehört in eine Me­tropole. Zunächst wollte ich alles hinschmeißen, dann kam mir aber eine geniale Idee. Beim nächsten Besuch sollte eine Entscheidung fallen. Die Delegation bestand aus den hochrangigen Managern Hidaka-san, Masuda-san und Ikegami-san. Zum Mittagstisch sind wir nach Heppenheim gefahren, anschließend habe ich nichts verraten, nur meine Geschäftspartner gebeten sich die Uhrzeit zu merken. Dann habe ich sie mit meinem BMW 528 mit Vollgas über die Autobahn zum Rhein/Main Airport Frankfurt chauffiert. Innerlich musste ich lachen, der Angstschweiß stand ihnen sichtlich auf die Stirn geschrieben, andererseits konnten sie ihre Begeisterung kaum verbergen. Noch nie in ihrem Leben waren sie so schnell gefahren. Nach knapp 30 Minuten hatten wir den Flughafen erreicht. Die Rückfahrt verlief ebenfalls rekordverdächtig, danach wurde mein Vorschlag den Firmensitz nach Heppenheim zu verlegen sofort akzeptiert.“

Fritz-Roeth-und-Dieter-BraunMit dem Umzug an die Bergstraße gründete Fritz Röth Mitte 1976 die „Suzuki Motor Deutschland GmbH“. Eine weitere Forderung der Japaner war die Verpflichtung des Aral-Renndienstleiters Ernst Degner als Technischen Leiter. Ex-DDR-Bürger Degner, der als MZ-Werksfahrer und 125er Vizeweltmeister 1961 in den Westen geflüchtet war, hatte damals in der japanischen Suzuki Versuchs- und Rennabteilung Unterschlupf gefunden, wurde Werkspilot und 1962 erster 50 ccm-Weltmeister! Solche Heldentaten werden im Inselreich nicht vergessen. Mit Ernst Degner wollten die Japaner den Posten mit einem kompetenten und ihnen gut bekannten Fachmann besetzen. Rund weitere 25 alte und neue Mitarbeiter kümmerten sich um Vertrieb und Service des aus agilen Zweitakt-Maschinen von 50 bis 750 ccm mit Ein-, Zwei- und Dreizylinder-Motoren bestehenden Modell­angebotes. Das Gastspiel in der „Weltmetropole“ Heppenheim sollte für Fritz Röth jedoch nicht lange dauern. Schon Ende 1976 stieg der rührige Motorradmann aus dem Geschäft aus, zu sehr lagen die Zukunftsvorstellungen auseinander.

Zurück zu den Wurzeln. Die Trennung vom japanischen Hersteller bedeutete für Fritz Röth keineswegs den Weltuntergang. Sein Betrieb im ländlichen Hammelbach hatte sich parallel zu den Suzuki-Aufgaben weiterhin um Motorräder aus Italien, dabei hauptsächlich um den Ducati-Import, gekümmert. Heimatverbundenheit und Bodenständigkeit kommen bei ihm nicht von ungefähr.

Der Familienbetrieb war bereits 1873 als Gemischtwarenladen gegründet worden. Fritz Röth, Jahrgang 1939, wuchs inmitten von Lebensmitteln, Kurzwaren, Nähmaschinen, Gartengeräten, Fahrrädern sowie einer Tankstelle mit Kfz-Werkstatt auf. Repariert wurde damals alles, was die Leute brachten. Als Vertragshändler waren die Röths für die Maschinen von NSU zuständig. Los war eigentlich immer etwas. In den 1950er Jahren war West-Deutschland weltgrößter Motorradhersteller. In dieser Blütezeit waren über 2,2 Millionen Maschinen zugelassen. Dieser Bestand rutschte bis Mitte der 1960er Jahre allerdings auf 415.000 Motorräder ab. Fritz Röth hatte inzwischen seine Ausbildung im elterlichen Betrieb absolviert. Entgegen aller Prognosen setzte Fritz Röth auf die Zweiradzukunft.

Im Frühjahr 1960 brachte der Hamburger Motorradhändler Karl Heinz Meller auf private Initiative die ersten Honda Motorräder nach Deutschland. Wenig später standen die japanischen Maschinen auch in Hammelbach und Fritz Röth lässt wissen: „Im Vergleich mit bekannten deutschen Fabrikaten muteten die Hondas ziemlich exotisch an. Nur wenige Motorradfahrer auf der Straße trauten den hochtourigen Zweizylinder-Viertaktmaschinen etwas zu. Es konnte ja soviel kaputt gehen. Wie und wer sollte dann das Motorrad reparieren und von woher sollte man die Ersatzteile bekommen? Skepsis und Misstrauen waren groß, wir mussten echte Überzeugungsarbeit leisten. Um so größer war dann die Überraschung, als sich he­rausstellte und auch schnell herum sprach, dass die Motoren wie Schweizer Uhrwerke perfekt funktionierten und fast nicht kaputt zu bekommen waren. Ein neues Motorradzeitalter war angebrochen. Der Rest ist, wie wir heute wissen, Geschichte.“

Vorstellung-Suzuki-GT750-1972-links-Gunter-Sachs-rechts-Fritz-RoethWer in den 1960er Jahren als Motorradhändler über die Runden kommen wollte, musste Einfallsreichtum beweisen. Bei Fritz Röth waren es sportliche Flitzer aus Italien. In Eigenregie holte er via Transporter Maschinen von Ducati, Moto Morini, Aermacchi und Benelli in den Odenwald. Ab 1964 war der Odenwäldler offizieller Moto Guzzi Importeur für Deutschland. „Das hörte sich zunächst toll an, in der Praxis mussten wir stramme Leistung beweisen, der Anspruch war hoch. Es galt ein Händlernetz aufzubauen, bei uns im Haus wurde ein Teilelager eingerichtet. Service, Garantieabwicklung, Buchhaltung, alles musste organisiert werden. Und trotzdem kam es immer wieder mal vor, dass etwas nicht klappte. Am Schlimmsten war es, wenn dringend benötigte Ersatzteile nicht geliefert wurden. Dann habe ich mich kurz entschlossen in unseren Transporter gesetzt und bin zu Moto Guzzi nach Mandello am Comer See gefahren. Da kannte man mich schon. Alles was wir brauchten wurde direkt vom Montageband eingeladen und ab ging die Post zurück nach Hause. Das war allerdings nur die eine Seite. Immer wieder fanden wir an den Motorrädern technische Ausführungen, die sich verbessern ließen. Diese Vorschläge haben wir dem Werk mitgeteilt und fast immer wurde es in der Serienproduktion berücksichtigt“, verrät der sympathische Motorradexperte mit einem verschmitzten Schmunzeln, fügt aber gleich hinzu, „es war zwar eine gewaltige Herausforderung, aber Spaß hat es gemacht.“

Eine Reise nach Japan 1969 sollte sich lohnen. Nachdem alle vertraglichen Vereinbarungen unter Dach und Fach waren, durfte sich Ende 1971 die Firma Zweirad Röth in Hammelbach als offizieller Suzuki Generalimporteur für Deutschland bezeichnen. Die Zusammenarbeit mit Moto Guzzi endete 1973. Fritz Röth konnte sich nun mit allem Elan auf Suzuki konzentrieren, was bis Ende 1976, siehe oben, hervorragend funktionierte.

Museum-in-HammelbachAuf über 50 Jahre Motorradgeschäft kann Fritz Röth zurückblicken. Gerne gibt sich der Importeur-Multi so, als könne er sich nicht mehr an jede einzelne Marke mit der er es in dieser Zeit zu tun hatte, erinnern. Es waren genau 42 Hersteller! Löchert man ihn entsprechend, kommen ihm alle möglichen Geschichten, Erlebnisse und Ereignisse in den Sinn. Man brauchte nur mitzuschreiben und könnte ein Buch daraus machen. Bleibt die berechtigte Frage, welche Marke war ihm am liebsten? „Da brauche ich nicht lange zu überlegen. Vom Spaß, dem Herzblut und den Emotionen nach war es Moto Guzzi. Die italienische Mentalität und die Begeisterung für den Motorradbau war mit nichts vergleichbar, bei allen Unzulänglichkeiten versteht sich. Das trifft allerdings auch auf die anderen italienischen Marken zu. Zum einen war es die Zusammenarbeit mit den Herstellern südlich der Alpen, zum anderen aber auch die Kundschaft selbst. Wer damals eine italienische Maschine fuhr, kannte sich mit der Technik aus, wusste wie Ventile, Vergaser und Zündung eingestellt werden. Bei einer Panne konnte man sich meist selbst weiterhelfen. Das Interesse am Motorrad und am Straßenrennsport war enorm. Die damaligen Motorradfahrer wussten genau, wer und wann den letzten WM-Lauf gewonnen hatte. Mit ihnen ließen sich noch echte Benzingespräche führen. Für uns stand der Motorsport immer im Mittelpunkt. Wir haben Rennfahrer wie Dieter Braun unterstützt und zig Marken-Cups organisiert. In Hinsicht auf die Professionalität und die ausgefeilte Fahrzeugtechnik war es Suzuki. Die Geschäftsbeziehung zu den Japanern würde man heute neudeutsch mit Big Business beschreiben: Zahlen, Fakten, Umsätze. Zu der Kundschaft haben wir mit unserem Slogan – ‚Wir, die Suzuki-Familie‘ – eine ganz persönliche Kommunikation aufgebaut. Das hat ein enormes Zusammenhaltsgefühl geschaffen“, betont Fritz Röth, lehnt sich zurück und schaut in die mobile Zukunft. Und die wird anders werden als wir sie uns vorstellen, der Elektroantrieb wird sich durchsetzen, ist er überzeugt.

Kontakt: Zweirad Röth/Museum, Schulstraße 20, 64689 Hammelbach.
Telefon 06253-94120 (Museumsbesuche nach Absprache).

Fritz-Roeth-in-Hammelbach-Maerz-2010Alle von Fritz Röth importierten und vertriebenen nach Alphabet geordneten Motorradmarken:

  • Access Taiwan
  • Adly Taiwan
  • Aermacchi Italien
  • Bajaj Indien
  • Benelli Italien
  • Bimota Italien
  • Biria/Sachs Deutschland
  • Derbi Spanien
  • Ducati Italien
  • Fantic Italien
  • Garelli Italien
  • Gemini Taiwan
  • Hodaka USA
  • HorexProduktion SIS Portugal
  • ISO Italien
  • Italjet Italien
  • Jawa Tschechien
  • Kahena/VW Mexiko
  • Laverda Italien
  • Macal Portugal
  • Malanca Italien
  • Moto Guzzi Italien
  • Moto Morini Italien
  • Mototrans Ducati Spanien
  • MZ DDR
  • Ossa Spanien
  • Penta Slowakei
  • Rizzato/Sidermo/Atala Italien
  • Schachner Österreich
  • Simson DDR
  • SIS/Sachs Portugal
  • STM/Winking Taiwan
  • Suzuki Japan
  • SWM Italien
  • Taiwan Vespa Taiwan
  • Testi Produktion Horex Italien
  • TGB/Winking Taiwan
  • Tomos Slowenien
  • Voxan Frankreich
  • Wiener/Winora (Exklusiv)
  • Sachs und Elektro Deutschland
  • Winking/Her Chee Taiwan
  • Zongshen China