aus Kradblatt 2/14
von Olaf Jansen

 

Im Oktober letzten Jahres starteten die Lüneburger Sven Freund und Radio „rastenschleifer“-Moderator Olaf Jansen bei der Mototaxi Junket in Peru, ein 14-tägiger Charity-Run mit lateinamerikanischen Tuk Tuks quer durch Peru. Das Kradblatt berichtete bereits im Vorfeld.

Mototaxi-Junket-2013-GegenverkehrDas Mototaxi ist ein landestypisches Taxigefährt in den Städten. Für Fahrten über geschotterte Passstraßen bis fast 5000 mNN und Steigungen bis zu 18 % ist dieses Sofabike mit Gummibremsen bestimmt nicht gebaut und sicher auch nur bedingt tauglich. 

Der Veranstalter „The Adventurists“ stellte den Lüneburgern zwei Tage vor dem Start ein 1- Zylinder-4-Takt Mototaxi mit 125 ccm zur Verfügung. Das Mototaxi fährt sich so ähnlich wie ein Motorradgespann. Olaf ist leidenschaftlicher Gespannfahrer im Winter. Sven dagegen ist das erste Mal mit einem dreirädrigen Gefährt unterwegs gewesen. Und das auf den teilweise gefährlichsten Straßen der Welt. Da war Nervenkitzel vorprogrammiert. In Peru sind überwiegend Motorräder mit 125 ccm bis 200 ccm chinesischer Bauart unterwegs. Es handelt sich bis auf den Zylinder eigentlich immer um den gleichen Motor, so dass die Ersatzteilversorgung sehr gut ist.

Alles was auf der ca. 3000 km langen Reise erforderlich wurde, wie Unterkunft, Verpflegung, Reparaturen etc., war von den Teams in Eigenregie zu meistern. Olaf und Jens, die als Team „rastenschleifer“ für die gleichnamige Radiosendung auf Radio ZuSa starteten, vertrauten hier überwiegend auf die Technik des Internets, was sich leider in weiten Teilen als unnütz herausstellte, da auf der gewählten Route die Empfangbarkeit bei lediglich etwa 60 % lag. Kartenmaterial gibt es in Peru so gut wie gar nicht zu kaufen. Zum Glück wurde eine peruanische Straßenkarte in Deutschland gekauft, so dass beide bei undurchsichtigen Straßenverhältnissen wenigstens einen Überblick behalten konnten. Dem „rastenschleifer“- Team schloss sich ein zweites deutsches Team an. Das „Unofficial Lifan Racing Team“ um Cord Holsten und Dennis Cimminski-Tees aus Hammah, Landkreis Stade.

Mototaxi-Junket-2013-BegegnungAm 13. Oktober ging es nach einer offiziellen Zeremonie auf dem Marktplatz in Urubamba/Cuzco im Südosten Perus los. Mit einer Polizeieskorte wurden die Teams aus der Stadt geführt. Alle Teams sollten die direkte Route Richtung Westen nach Ayacucho nehmen. Die Lüneburger und Hammaher wählten eine andere Route, was sich als Fehler herausstellen sollte. Denn schnell zeigte sich, dass das Kartenmaterial aus Deutschland auch an seine Informationsgrenze gestoßen ist. Mit der gewählten Route über Calca in nördliche Richtung wollten die deutschen Teams Zeit und Kilometer sparen. Ayachuco erreichten beide Teams dann 3 bis 4 Tage nach den anderen Teams! Die gewählte Route führte über überwiegend geschotterte Passstraßen. Des Weiteren mussten die Teams eine der zurzeit gefährlichsten Gegenden Südamerikas passieren. Die Sendero Luminoso, „Leuchtender Pfad“, eine peruanisch maoistische Guerillagruppe ist nach Jahren der Inaktivität wieder aktiv. So soll die peruanische Regierung erst im August 2013 zwei Führungspersonen der Guerilla bei einer Kommandoaktion in der Umgebung von Kimbiri getötet haben.

Gleich am ersten Abend passierte den Lüneburgern das, was eigentlich nicht passieren sollte: Motorschaden. Hoch oben in den einsamen Bergen wurde es dunkel, weit und breit keine Möglichkeit Hilfe zu organisieren. Also entschied man sich, die Passstraße ohne die Kraft der Motorbremse hinab zu rollen. 30 bis 40 Kilometer auf einer geschotterten, teilweise durch Wasserfälle verschlammten Passstraße hinabzurollen, war schon etwas sehr gewagtes, da zu allem Überfluss bei den Hammahern die Elektrik Aussetzer hatte, so dass diese mit der Taschenlampe die glücklicherweise nur selten entgegenkommenden Fahrzeuge warnen mussten.Im Tal konnte ein kleiner LKW mit Fahrer gechartert werden, der die Lüneburger zur nächsten Unterkunft mit einer Werkstatt im Ort brachte.

Die Ursache des Motorschadens wurde schnell gefunden. Ein mit Dichtmasse zugesetzter Ölkanal im Gehäusedeckel führte dazu, dass im Motorraum zu wenig Öl an die wichtigen Stellen gelangen konnte. Der letzte Mechaniker, der vor der Abreise der Lüneburger den Motordeckel in der Hand hatte, hatte wohl keine Papierdichtung, so dass Dichtmasse verwendet wurde. So ist das in Peru, es wird sehr viel improvisiert. Aufgrund zahlreicher festgestellter Mängel dauerte die Reparatur einen ganzen Tag.

Mototaxi-Junket-2013-GaaasAus Gesprächen, die mit Händen und Füßen sowie einem kleinen Wörterlexikon der Hammaher geführt wurden, zeigte sich, dass die Einheimischen beiden Teams von einer Weiterfahrt nach Kimbiri abrieten. Das angrenzende Gebiet bis Ayacucho sei zu gefährlich. Nach kurzer Abwägung der Situation entschied man sich, die Route doch zu wählen. Die Polizei- und Militärpräsenz nahm deutlich zu. Am Morgen des vierten Tages musste Cimminski-Tees leider krankheitsbedingt aufgeben und die Rückreise antreten. Das „Unofficial Lifan Racing Team“ bestand nur noch aus einem Fahrer. Cord biss die Zähne zusammen und setzte die Fahrt auch im Sinne von Dennis fort.

In Quiteni, einer kleinen Festung mitten im Guerillagebiet, mussten die Lüneburger alle ihre perufreundlichen Gegenstände wie Fahne, Peru-Trikot etc. verdecken bzw. ausziehen. Ab Quiteni sollte es noch gefährlicher werden. Dass das Gebiet peruunfreundlich ist zeigte sich schnell. Die politischen antiperuanischen Parolen nahmen zu. Die durchweg freundliche Polizei riet von einer Nachtfahrt ab. Wir sollten rechtzeitig vor der Dunkelheit in Kimbiri sein und uns dort auf der Polizeistation melden.

Mototaxi-Junket-2013-ReparaturEs kam natürlich anderes. Planung ist in Peru überflüssig. Die Teams kamen langsamer voran als gewollt. Es wurde dunkel und was passierte erneut? Wieder ein Motorschaden. Direkt neben der Piste standen zwei Häuser, eher Baracken, ohne Licht. Und plötzlich versammelten sich davor um die zwanzig Menschen. Den Junketeers rutschten die Herzen in die Kniekehlen. Alles halb so wild, die dunklen Gestalten stellten sich als Bauarbeiter vor, die dort ihr Camp hatten. Die drei Junketeers wurden freundlich aufgenommen. Die Ursache des Motorschadens war ein gelöstes Ventil, das mit Taschenlampen beleuchtet ausgebaut wurde. Die Bauarbeiter luden die drei ein, ihr Nachtlager im Camp aufzuschlagen. Geschlafen wurde in Doppelstockbetten, alle in einer Baracke. Abenteuerlich. Eine Transportmöglichkeit zur nächsten Werkstatt konnten die Bauarbeiter nicht organisieren. Am darauffolgenden fünften Tag musste also ein Mechaniker herangeschafft werden, der den Schaden behebt. Cord fuhr mit Sven zurück nach Kimbiri. Ein Mechaniker war schnell gefunden. Doch dieser wollte erst nicht mit zum Camp. Die Einheimischen meiden das Gebiet außerhalb der Ortschaften: zu gefährlich, auch das Bauarbeitercamp wurde schon öfter überfallen. Nach einiger „Überredungskunst“ ­– der einheimischen Währung sei Dank – hat der Mechaniker das Mototaxi dann doch im Camp repariert. Nach einer erneuten Nacht im Baucamp wurde die Fahrt fortgesetzt. Das Guerillagebiet wurde sicher passiert. Die Provinzhauptstadt Ayacucho wurde am siebten Tag endlich erreicht. In dieser Zeit haben beide Teams erst ca. 750 km zurückgelegt.

Mototaxi-Junket-2013Die Zeit wurde knapp. Mindestens 2250 km mussten beide Teams noch zurücklegen und das in einer Woche. Gefahren wurde nun von Sonnenaufgang bis zum Untergang. Um Zeit zu sparen wurde erstmal auf asphaltierten Straßen Richtung Norden gefahren. Über Huancayo ging es auf der wunderschönen Carretera Central 3S nach Junin. Junin liegt auf ca. 4300 mNN. Jede Anstrengung erfordert tiefes Luftholen. In Junin wurden erstmals auch zwei andere Teams angetroffen. Das beruhigte, denn auch die hatten mit der Technik des Mototaxis zu kämpfen.

Aber bei den Lüneburgern schien das Mototaxi nun endlich zu laufen. Zwei Reifenpannen waren eher Kleinigkeiten. Vor und auch innerhalb der Ortschaften sind zur Reduzierung der Geschwindigkeiten Bremsschwellen auf der Straße eingebaut. Je nach Bauart konnte man diese auch ohne Geschwindigkeitsreduzierung passieren. Irgendwann gibt dann aber auch mal die beste und bei den Lüneburgern einzige Speichenfelge nach. 12 Speichen sind gebrochen. Die Felge wurde in Cerro gegen eine Gussfelge ausgetauscht.

In Huanuco ging es dann erstmal wieder westwärts. Das Etappenziel dieses Tages ist fast geschafft worden. Tingo Chico! Die Mototaxis konnten sicher in einem Bekleidungsgeschäft neben zwei BMWs geparkt werden. Der Franzose Jey ist auf einer BMW F 800 GS auf Weltumrundung (www.jeyworldtour.com). Ein Paar aus Australien ist mit einer BMW R 1200 GSA von der Nordspitze Amerikas bis Feuerland unterwegs (siehe www.twobytwowheels.com).

Kurz vor Caraz ereilte uns der nächste Motorschaden. Die Kurbelwelle ist festgegangen. Um nicht wieder auf peruanische Hilfe beim Transport zur nächsten Werkstatt angewiesen zu sein, haben die Lüneburger ihr Mototaxi einfach an das vom Hammaher angebunden. Eine neue Art des Reisens war entdeckt. Ein Mototaxi zieht das andere. Die Reparatur dauert bis spät abends. Die Entlohnung war für westeuropäische Verhältnisse wieder Grund zum Schmunzeln. Obwohl die Mechaniker sicherlich einen satten Aufpreis auf deren Leistungen genommen haben, sind die „Rechnungen“ allesamt günstig gewesen.

Mototaxi-Junket-2013-AbschleppenVon Caraz ging es wieder mal auf Schotterpisten in nördliche Richtung. Dabei wurde ein traumhaftes, enges Tal durchquert. Die Piste war teilweise schmaler als fünf Meter, zahlreiche enge Tunnel prägten diesen Abschnitt. Mittlerweile ist bei den Lüneburgern auch die Elektrik am Mototaxi durch einen Kabelbrand ausgefallen. Begegnungsverkehr war jederzeit möglich. Eine Taschenlampe signalisierte den entgegenkommenden Fahrzeugen im Tunnel, dass noch andere im Tunnel unterwegs waren. Und plötzlich verspürte Olaf einen immer heißer werdenden linken Unterschenkel. Der Grund: ein Loch im Ventildeckel. Kurzerhand wurde das Loch mit einem Lappen „verschlossen“ und etwas Öl nachgefüllt. Um nicht schon wieder einen kapitalen Motorschaden mit Zeitverlust in Kauf zu nehmen entschlossen sich beide Teams auf schnellsten Weg Richtung Westen zur Panamericana zu fahren. Eingebremst wurden die Junketeers jedoch von der ersten richtigen Panne des „Unofficial Lifan Racing Teams“. Die Kette ist gerissen, eine Ersatzkette bzw. ein Ersatzschloss war leider nicht dabei. Das rastenschleifer Mototaxi musste nun erstmals ernsthaft dem anderen deutschen Team helfen. Wieder wurde ein Mototaxi abgeschleppt.

Mototaxi-Junket-2013-BrueckeIn Santa am Pazifik wurde das Etappenziel erreicht. Eine Unterkunft wurde schnell gefunden. Im Nachhinein war es nicht so ganz das richtige Hotel. Es entpuppte sich als Stundenhotel. Die Nacht wurde „unruhig“. Aber der Ventildeckel und diverse andere Motorteile wurden noch einmal getauscht. Es ist aber sicher wieder improvisiert worden, denn auf dem darauffolgenden Tag ist erstmals die Kopfdichtung defekt gegangen. Dieses sollte auf dem Weg zum Ziel noch zwei weitere Male passieren.

Zwischen Chiclayo und Piura ist es auf ca. 250 km nochmal spannend geworden. Die Panamericana führt hier durch eine Wüste. Die mit insgesamt rund 25000 km eine der längsten Schnellstraßen der Welt ist deutlich langweiliger als die Straßen und Pisten abseits dieser Straße. Die Landschaft hat hier keine Serpentinen und ist nur noch hügelig. Der Pazifik konnte auf der Fahrt bis Piura nicht einmal gesehen werden. Zudem ist die hier zweispurige Straße sehr dreckig. Immer wieder loderten kleine Feuer am Rand der Fahrbahn, da sich der Müll dort selber entzündet hatte.

Die letzte Etappe über ca. 300 km wurde in 9 Stunden mit beschädigter Kopfdichtung bewältigt. Am Nachmittag des 26. Oktober haben beide deutschen Teams das Ziel Colan nach 3000 km rechtzeitig als 20. und 21. erreicht. Drei Teams sind erst drei Tage später im Ziel eingetrudelt. Der Grund ist leider nicht bekannt.

Mototaxi-Junket-2013-AbgrundDie Ziele, die sich die Lüneburger gesetzt haben sind fast alle erreicht worden. Da es sich um einen Charity-Run handelte, wollten Olaf Jansen und Sven Freund Spendengelder in Höhe von 3000 Euro für eine Wohltätigkeitsorganisation sammeln. Die Wahl fiel auf Plan International Deutschland, die speziell in Peru Präventivmaßnahmen zur Eindämmung von Gewalt gegen Kinder durchführt. 3000 Euro sind zusammenkommen. Das Ziel pünktlich am Ziel zu sein, um an der Abschlussveranstaltung teilnehmen zu können ist ebenfalls geschafft worden. Auch die schönsten Sehenswürdigkeiten wie zum Beispiel Machu Picchu oder die Salineras de Maras konnten besichtigt werden.

Peru hat heute etwa 30 Millionen Einwohner von denen rund ein Drittel in und um die Hauptstadt Lima leben. Die Fläche ist ca. 3,5 mal so groß wie Deutschland. Als Währung dient der Nuevo Sol. Ein Euro sind ca. 3,80 Nuevo Sol. Neben der Startgebühr pro Person in Höhe von rd. 750 Euro und den Flugkosten in Höhe von rd. 1.200 Euro haben beide Lüneburger für die zahlreichen Reparaturen zusammen ca. 500 Euro ausgegeben. Die Unterkünfte lagen in einfachen Hotels/Pensionen zwischen 2,50 Euro und 7,50 Euro ohne Frühstück. Die Verpflegungskosten liegen für ein einfaches Mittagsessen bei 5 Euro inkl. Getränk. Alles in allem kann man in Peru günstig reisen, wenn man auf westeuropäischen Standard verzichtet.

Mit einem peruanischen Mototaxi werden jedoch beide Lüneburger nicht mehr reisen wollen. Olaf zieht es eher ostwärts nach Sibirien. „The Adventurists“ veranstaltet dort einmal jährlich den sogenannten „Ice Run“. Mit Ural-Gespannen geht es zu einer der nördlichsten Städte der Welt: Salechard. Diese Stadt ist vom Start­ort Irbit auf Straßen nicht erreichbar. Die Hälfte der Strecke führt über zugefrorene Flüsse und Seen. Nicht verwunderlich scheint deshalb, dass der Run im sibirischen Winter bei Temperaturen von bis zu -50° Celsius stattfindet.

Wer Interesse hat in 2015 oder 2016 dabei zu sein, der kann sich bei Olaf Jansen melden. Alle weiteren Infos sind erhältlich auf www.rastenschleifer.net.