aus Kradblatt 2/18
von Robert Waldow

Mit dem Honda CX 500 Gespann in die Alpen

Mit dem Honda CX 500 Gespann in die Alpen Ich möchte den Bericht mit einem Zitat von Sir Richard Burton beginnen: Der schönste Moment im Leben eines Menschen ist der Aufbruch in fremde Länder.

Unsere Vorfreude auf diese Reise nach Süd-Tirol war entsprechend groß. Wie im Fluge war ein Jahr zwischen den Sommerurlauben vergangen. Geplant war eine Motorradreise durch das Allgäu nach Nord- und Südtirol.

Entstanden war die Idee in 2016 bei einer gemeinsamen Eifeltour der Biker Gruppe die aus Bruder, Schwester, Neffe und zwei weiteren Freunden besteht. Während unsere Eifel/Ardennentour noch unter dem Aspekt „Kurven, Kultur und Geschichte“ stand, sollte unsere Alpentour 2017 unter dem Motto „alpiner Kurvenspaß“ stehen.

Für uns war es die erste Reise mit dem Gespann quer durch Deutschland und in den „Süden“. Bisher hatten wir nur Tagestouren in unserer Heimatregion gemacht und die weitesten Reisen gingen 2015 nach Holland und 2016 in die Eifel/Ardennen. Also kein Vergleich zu dem, was fahrtechnisch in diesem Urlaub anstand. Eine Reise über ein halbes Dutzend Alpenpässe sahen wir für uns und unser betagtes Honda CX500/EML Gespann als eine Herausforderung an. Voller Respekt hatten wir noch kurz vor der Reise an einem intensiven Kurventraining für Gespanne teilgenommen.

Motorradtour Südtirol Motorradtechnisch besteht die Gruppe aus vier PS starken Solomaschinen (80 bis 160 PS) und unserem CX500/EML Gespann mit 50 PS. Alterstechnisch aus drei Youngstern Anfang 30 und drei Oldies Anfang 60. Somit bestand die Herausforderung nicht nur aus einer anspruchsvollen Strecke sondern auch aus einer gewissen Dynamik innerhalb der inhomogenen Gruppe.

Unser Freund aus Stuttgart, der in Tirol ortskundig war, hatte die Strecke ausgesucht, geplant und unsere Übernachtungen an den jeweiligen Etappenzielen gebucht. Als gemeinsamer Treff- und Startpunkt war somit Stuttgart auserkoren.

Motorradtour Südtirol Die Maschinen standen vollgetankt mit kontrolliertem Ölstand und Reifendruck vor der Tür. Nach einer letzten aufgeregten Nacht ging es am Morgen um 7 Uhr fast pünktlich Richtung Süden.

Verabredet war, dass nur Landstraßen befahren werden sollten. Über Ulm, Memmingen und Sonthofen ging es den Alpen entgegen. Nach und nach kündigte sich am Horizont die Bergwelt an. Bevor es an den ersten Pass ging, gab es in Bad Hindelang bei den ortsüblichen Kaltgetränken eine Erholungspause von der bisherigen Fahrt.

Mit etwas über 1100 Metern lag mit dem Oberjoch die zweithöchste Passstraße der Allgäuer Alpen vor uns. Auf einer gut ausgebauten und leider auch gut befahrenen Bundesstraße ging es bergan um die letzten 300 Höhenmeter von Hindelang aus zu überwinden. Mit neun Serpentinen war das ein sanfter aber gelungener Einstieg in die alpine Berg- und Kurvenwelt.

Von Oberjoch ging es landschaftlich sehr reizvoll zum Gaichtpass der mit 8 km eigentlich sehr kurz ist. Während die Nordseite keine Serpentinen aufweist, geht es auf der Südseite in mehreren Serpentinen sehr eng an der Felswand ins Lechtal hinunter.

Mit dem Honda CX 500 Gespann in die AlpenFür Flachländer waren der Oberjochpass und der Gaichtpass schon ganz nett, stellten aber kurventechnisch noch keine Herausforderung dar. Die erste Ehrfurcht kam dann aber sehr schnell beim Befahren des Namloser Tales (nach dem gleichnamigen Ort Namlos benannt).

Diese Strecke war nun schon anspruchsvoller als die Strecke über den Oberjoch- und Gaichtpass. Die Kurven forderten Konzentration des Fahrers und gaben einen beeindruckenden Vorgeschmack auf das, was uns da noch erwarten sollte. Während die Solisten die Kurven in flotter Fahrt für Schräglagen nutzen, trieb es uns mit dem Gespann eher gemütlich durch das Tal und wir sogen die vorabendliche Stimmung in uns auf und nutzen hier und da eine Parknische zu einem Fotostopp. Gemeinsam erreichten wir im Lechtal den Ort Elmen und versorgten uns in dem unbedingt zu empfehlenden und urigen Café Treibholz mit frischem Kaffee und leckerem Kuchen.

Während wir uns über die gerade gewonnenen Eindrücke austauschten steigerte sich die Vorfreude auf den ersten „richtigen“ Pass mit ca. 1900 Metern. Um unser Etappenziel Ischgl zu erreichen, galt es nun das Hahntennjoch zu überwinden.

Die Strecke ist kurvenreich, gut ausgebaut und für LKW, Busse und Wohnanhänger gesperrt. Diese Eigenschaften können bei umsichtigen Motorradfahrern den Spaßfaktor deutlich erhöhen aber auch gleichfalls durch Verkehrsteilnehmer, die sich dort auf einer Rennstrecke wähnen, eine gewisse Gefahr darstellen. War das Namloser Tal schon toll, so ist das Hahntennjoch nochmals eine Steigerung. Eine wahrhaft beeindruckende Kurvenstrecke durch eine traumhafte, alpine Bergwelt. Die zerklüftete Region liegt oberhalb der Baumgrenze. Besonderen Gespann-Spaß bringen die vielen flüssig zu durchfahrenden Kurven.

Bei mehreren Fotostopps standen wir voller Demut inmitten einer grandiosen Berglandschaft. Das hatten wir so nicht erwartet! Die Ausstrahlung der Landschaft berührte uns tief und die emotionale Wirkung des Panoramas war unbeschreiblich. Als ehemaliger Segler fand ich es tatsächlich vergleichbar mit der Weite des Meeres, wenn nur noch der Horizont vor einem liegt.

Ohne einer Schlussbetrachtung vorgreifen zu wollen, zählt die Fahrt über das Hahntennjoch zum imposantesten Teil unserer Reise. Vielleicht aber auch nur, weil es die erste richtige Berührung mit dieser grandiosen Alpenlandschaft war. Bisher hatte nur unser Tour-Guide alpine Erfahrung, während wir anderen zum ersten Mal die Eindrücke der Landschaft erfuhren.

Unser Quartier für die Nacht fanden wir in dem Ort Ischgl der ca. 1200 Einwohner zählt aber dafür 10.000 Gastbetten zur Verfügung stellt. Unsere euphorische Stimmung wirkte noch bis in die Nacht nach. Bei einem gemeinsamen Essen mit anschließendem Schlummertrunk stellte sich die Vorfreude auf den nächsten Tag ein.

In unmittelbarer Nähe zu unserem Hotel liegen die Geschäftsräume von „High Bike“. High Bike stellt den ganzen Sommer über die neuesten Motorrad Modelle für ganztägige Testfahrten zur Verfügung und spricht dazu auch spannende Tagestour-Empfehlungen aus. Aber wir befanden uns ja mit unseren eigenen Maschinen auf Testfahrt und als nächstes Etappenziel war Meran in Süd-Tirol eingeplant.

Zwischen uns und Süd-Tirol lag nun nur noch der Reschenpass. Die Anfahrt erfolgt über eine gut ausgebaute Straße und das Foto Highlight dürfte wohl der Reschenpasssee mit dem versunkenen Bergdorf Graun sein. Um den Reschensee aufstauen zu können (1948) musste das Dorf aufgegeben werden und versank in den Fluten. Nur der Kirchturm schaut seitdem wie ein Mahnmal aus dem Wasser und dient wohl allen Reisenden, wie auch uns, als Fotomotiv.

Reschenpass Bei dem Ort Reschen verlässt man Österreich und gelangt nach Italien bzw. Südtirol. Nach dem kurventechnisch eher sanften aber landschaftlich sehr reizvollen Reschenpass brachte die Südseite nochmals anspruchsvollen Fahrspaß in schönen langen Kurven. Hier teilte sich unsere Gruppe für einige Stunden auf. Die Solisten freuten sich auf die 48 Kehren der Nordostrampe zum Passo dello Stelvio (Stilfserjoch). Meine Partnerin und ich fuhren derweil mit unserem Gespann gemütlich weiter Richtung Süden. Mittlerweile gab es schweißtreibende Außentemperaturen und somit schien eine ausgedehnte Siesta angemessen. Die Bundesstraße, die links und rechts von Obstplantagen gesäumt ist, führte uns in eine liebliche Berglandschaft mit einem gewissen mediterranen Flair. Wir fanden abseits der Hauptstraße ein gemütliches Lokal mit einer von Palmen umwachsenden Terrasse und der Bezeichnung „Bikers Chillout“ und das konnten wir dort tatsächlich.

Etwas behäbig stiegen wir nach dieser schönen Pause wieder auf das Gespann um die letzten 30 km von Goldrain nach Meran zurückzulegen.

Motorradtour Südtirol Temperaturen mit deutlich über 30° Celsius stellen für deutsche Motorradfahrer in voller Bekleidung schon eine echte Herausforderung dar, während schmerzfreie Italiener in kurzen Hosen, T-Shirts und Latschen auf ihrer Ducati unterwegs sind. Bei den Erfindern der Vespa ist aber auch ein auffallend hoher Anteil an sommerlich bekleideten Verkehrs­teilnehmern mit Motorrollern unterwegs.

Nachdem am Nachmittag unsere Gruppe wieder vereint war und wir uns im Hotel, das mitten in der Innenstadt von Meran lag, einquartiert und unsere Maschinen in der Tiefgarage untergebracht hatten, verleiteten uns die hochsommerlichen Temperaturen dazu den Abend in der netten Meraner Altstadt in gemütlichen Straßencafés zu verbringen. Das war echtes südländisches Urlaubsgefühl.

Die Nacht war kurz aber nach einem ausgiebigen Frühstück ging es mit frisch aufgetankten Maschinen in Richtung Bozen, um von dort aus das Penserjoch zu erfahren.

Unsere gute, alte Güllepumpe erwies sich bis dahin als gutmütig und genügsam, unbeeindruckt von sauerstoffarmer Höhenluft auf den Pässen oder Außentemperaturen von 36° Celsius in Meran schnurrte sie wie das viel zitierte Schweizer Uhrwerk. Meine Copilotin lobte den gemütlichen Dnepr Beiboot-Sitz und damit war die Gespann-Welt vollkommen in Ordnung.

Hinter Bozen lagen nun drei Pässe vor uns. Unsere Strecke führte uns über das Penserjoch, den Jaufenpass und schließlich zu unserem Tageshöhepunkt dem Timmelsjoch mit seinen 2500 Höhenmetern.

Motorradtour Südtirol Was für eine Fahrt über eine wahrhafte Traumstrecke! Die Strecke forderte allerdings unsere gesamte Konzentration, körperlichen Einsatz und Ausdauer. Jetzt zahlte sich die Teilnahme an dem Gespann-Kurventraining aus. Aber auch die im Frühjahr ausgeführte Ertüchtigung der Bremsanlage durch Walter Lefèvre von der Firma Lefèvre Gespann-Technik überzeugte auf ganzer Linie. Für zuverlässige Bremsleistung sorgten am Vorderrad nun zwei fast 300 mm große Bremsscheiben und zwei Vierkolbenbremszangen. Mit solchen Bremsen konnten die Abfahrten sorgenfrei befahren werden.

Jede Kurve, jede durchfahrene Kehre, ob in Links- oder Rechtskurve, ob bergab oder bergauf steigerte die Lust an der Strecke und die Fahrt wurde schon fast zum Rausch. Leider konnte der Blick nur auf den Geraden, zwischen den Kehren, über die traumhafte Landschaft streifen und die wenigen Fotostopps in kleinen Haltebuchten wurden dann auch ausgiebig genutzt um die Landschaft aufzunehmen.

Auf den Rastplätzen der Passhöhen gab es natürlich schnell Kontakt zu anderen Bikern und einige kannten die CX500 noch aus ihren „alten Tagen“ an denen sie auch so eine hatten. Besonders beeindruckten uns aber die vielen Radfahrer, oft noch um einiges älter, dafür aber drahtiger als wir, die wir auf den Pässen antrafen. Da ich in jungen Jahren selber mit dem Rennrad im Bergischen Land oder der Eifel unterwegs war, konnte ich in etwa einschätzen, was diese Radler, die dort oben ankamen für eine Leistung erbracht hatten. Unglaublich und meine Bewunderung und Respekt für diese Sportler.

Mit dem Honda CX 500 Gespann in die Alpen Besondere Vorsicht war bei der Abfahrt vom Timmelsjoch mit freilaufenden Kühen und Kälbern geboten, da die Vierbeiner ihre Vorfahrt respektlos in Anspruch nehmen.

Unser nächstes Etappenziel, den in Skisportkreisen bekannten und geschätzten Ort St. Anton erreichten wir nun über eine harmlos flache Streckenführung, wenn auch weiterhin in sehr schöner Landschaft.

Es war ein sehr langer Tag mit vielen spannenden Eindrücken und noch mehr Kurven und Kehren und wir erreichten unser Hotel erst gegen 20 Uhr. Beim gemeinsamen Abendessen in der Gruppe drängte sich aber schon die Frage auf, wie wir nach solch einer eindrucksvollen Reise durch ein Kurvenparadies jemals wieder unsere heimatlichen Strecken in der Heide genießen werden können. Während die Youngster am nächsten Tag noch nach München wollten zog es meine Partnerin und mich zur Bodenseeinsel Lindau.

Die anhaltend hohen Temperaturen erforderten eine häufige Zunahme von Erfrischungsgetränken. Von nun an führte unser Weg wieder kontinuierlich nach Norden. Nach einer Übernachtung in Langenau (nördlich von Ulm) ging es nach Ansbach, wo wir Verwandtschaft besuchten und weiter nach Schweinfurt, wo wir noch einige Tage bei Freunden verbringen wollten. In Schweinfurt, die Stadt der Kugellager, wurde ein kleines aber feines Fichtel & Sachs Museum besucht, in dem uns die Vielzahl der Zweiradexponate besonders interessierte. Gemeinsam mit unseren Freunden genossen wir die Fränkische Gastfreundschaft inkl. der Verkostung der ortsüblichen Getränke und Speisen.

Als Ausklang unserer Reise hatten wir uns noch die Rhön aufgehoben. Die Strecke durch die Rhön und über die Wasserkuppe ist mit ihrer sanften Streckenführung ein schöner und genussvoller Ausklang einer unglaublich beeindruckenden Reise mit dem Gespann in den Süden.

Fazit: Alle Maschinen liefen störungsfrei und der Werkzeugwickel blieb bis zur Ankunft zu Hause ungeöffnet. Die Hotelpreise lagen zwischen 40 und 50 Euro inkl. Frühstück und Garage für unsere Fahrzeuge. In St. Anton waren im Zimmerpreis sogar noch Gutscheine für die Seilbahn und kostenlosen Schwimmbad Besuch enthalten. Unsere gemischte Biker-Gruppe zeigte sich rücksichtsvoll, harmonisch und bestens gelaunt. Alles passte wunderbar. Auch wenn bei dieser Tour „Kultur und Geschichte“ zu kurz kamen, so war es eine absolut traumhafte Tour mit dem Trend zur Suchtgefahr und es gilt unbedingt der Spruch, dass der Weg das Ziel ist.